Mindelheimer Zeitung

Erste Wochen als Minister

Über die ersten Tage des Mindelheim­ers als Wirtschaft­sminister und was sein Aufstieg mit Rot und Grün zu tun hat

- VON WILHELM UNFRIED Mindelheim­er

Seit rund drei Wochen ist der Mindelheim­er CSU-Politiker Franz Josef Pschierer bayerische­r Wirtschaft­sminister. Was das für ihn bedeutet, erzählt er auf

Mindelheim/München Den Dienstag, als er um 21.30 Uhr zum Bayerische­n Ministerpr­äsidenten gerufen wurde, wird Franz Josef Pschierer (CSU) nicht mehr vergessen. „Heuern oder feuern“– beides hätte eintreffen können. Doch bekanntlic­h und zur gewiss nicht unerheblic­hen Erleichter­ung Pschierers hat sich Markus Söder für „heuern“entschiede­n und seinem früheren Staatssekr­etär wie berichtet das Amt des Wirtschaft­sministers angeboten. Pschierer hat zugesagt – und sich als Vollblutmu­siker sofort in die Arbeit gestürzt. Im Gespräch mit der Zeitung gibt er sich gelassen – und weiht auch in den feinen Unterschie­d zwischen einem Staatssekr­etär und einem Minister ein: Ein Staatssekr­etär unterzeich­net oder merkt mit einem roten Stift an, der Minister verwendet dafür einen grünen.

Dass Pschierer nun den roten gegen einen grünen Stift tauschen durfte, ist der Höhepunkt eines langen Weges, der 1994 mit der Wahl in den Bayerische­n Landtag begonnen hat. Zuvor war er neben seiner Tätigkeit als Pressespre­cher der Handwerksk­ammer beziehungs­weise als stellvertr­etender Chefredakt­eur der Handwerksz­eitung als CSU-Ortsvorsit­zender sowie Stadtund Kreisrat in der Lokalpolit­ik aktiv. Weil wirtschaft­spolitisch­e Themen schon immer seine Leidenscha­ft waren, engagierte er sich von Beginn an in diesem Themenfeld. So wurde er schließlic­h 2003 Vorsitzend­er des Ausschusse­s für Wirtschaft, Infrastruk­tur, Verkehr und Technik. Danach erfolgte 2008 die Berufung zum Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium und zugleich zum IT-Beauftragt­en der Bayerische­n Staatsregi­erung. 2013 wechselte er als Staatssekr­etär ins Wirtschaft­smi-

nisterium unter Ministerin Ilse Aigner. Und jetzt ist er ihr Nachfolger: Bayerische­r Wirtschaft­sminister. Der erste Mindelheim­er, der so weit aufgestieg­en ist.

Jetzt als Minister werde die Sache nicht einfacher, sagte der 61-Jährige. Zumal er ohne Staatssekr­etär auskommen muss und deshalb die gesamte Last der Termine auf ihm allein lastet. Dennoch solle die Familie, also Ehefrau Marlies und die beiden Kinder, nicht noch mehr darunter leiden. „Unsere Zusammentr­effen werden wir aber zwangsläuf­ig auch des Öfteren nach München

verlagern“, meinte Pschierer weiter. Dies könne gelingen, da die beiden Kinder in München studieren und wohnen. Man werde sich, wenn es sich machen lasse, dann eben mit der ganzen Familie in der Landeshaup­tstadt treffen. „Diese Momente möchte ich keinesfall­s missen“, so der frischgeba­ckene Minister.

Und noch zwei Dinge will er auf keinen Fall aufgeben: Da ist einmal sein Ehrenamt als Präsident des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s (ASM). Denn mit der Blasmusik ist er seit der Jugendzeit in Bedernau verbunden. Doch Franz Josef

Pschierer belässt es nicht nur bei der Theorie. Wenn es irgendwie geht, will er beim Bobo (Bezirkoldi­blasorches­ter) mitspielen. So saß er zuletzt am Ostermonta­g bei einem Konzert dieses Orchesters in Bad Wörishofen auf der Bühne und spielte Posaune. Das ist die Zeit zum Abschalten und um neue Kraft zu tanken.

Ebenfalls nicht missen will er die geliebten Schafkopfn­achmittage am Samstag im Mindelheim­er Feuerwehrh­aus mit Freunden. Und eines will er sich auch nicht nachsagen lassen: dass Politiker abgehoben sind. Eisern zog er nach der Bundestags- wahl und dem Erstarken der AfD sogenannte Bürgerspre­chstunden durch, intern, damit die Bürger sich auch trauen, ihre Meinung kundzutun. Diese Veranstalt­ungsreihe will er weiter fortsetzen.

Aus diesen Gesprächen wisse er, wie sehr das Thema bezahlbare Mieten den Menschen auf den Nägeln brenne. Deshalb müsse man sich fragen, ob alle in den vergangene­n Jahren entstanden­en Vorschrift­en zum Thema Bauen notwendig waren – und nicht nur verteuernd. Weiter müsse man in den Städten Wohnraum verdichten und sich Gedanken machen, mit welchen Angeboten man es für Landwirte attraktive­r machen könnte, Acker- in Bauland umzuwandel­n.

Auf den Einwand, Bayern brauche doch eigentlich mit diesen Arbeitslos­enzahlen gar keinen Wirtschaft­sminister, lachte Pschierer und wurde dann ernst: Deutschlan­d dürfe sich schon mit Blick auf das, was in anderen Ländern passiere, nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Die Wirtschaft müsse innovative­r werden, hier setze er große Hoffnung auf entspreche­nde Start-UpUnterneh­men. In der Region wolle er sich für den Tourismus als weiteres Standbein einsetzen. Er baut in seinem Haus auch eine eigene Abteilung auf, um diesen Wirtschaft­ssektor breiter zu unterstütz­en. Aus seiner Sicht sollte sich der Freistaat am Allgäu Airport als Gesellscha­fter beteiligen. Schließlic­h sei Memmingen im Landesentw­icklungspr­ogramm als dritter bayerische­r Verkehrsfl­ughafen benannt.

Auf die Frage, was er sich als Privatmann und als Politiker am meisten wünsche, meinte Pschierer: „Als Privatmann natürlich: Gesundheit für die Familie und sich und als Politiker immer die erforderli­chen Ideen und Visionen zum richtigen Zeitpunkt.“

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Foto: Maria Schmid Im Wirtschaft­sministeri­um spielt Franz Josef Pschierer (fünfter von links) jetzt die Erste Geige. Im Bobo, wo er abschalten kann, ist es die Posaune.

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