Mindelheimer Zeitung

Als der Aderlass noch als Allheilmit­tel galt

Rückblick Die medizinisc­he Versorgung auf dem Land war früher recht abenteuerl­ich. Der Arzt schnitt einst auch Haare

- VON JOSEF HÖLZLE

Pfaffenhau­sen Die ärztliche Versorgung unserer Region ist heutzutage sehr gut. Es gibt moderne Krankenhäu­ser und ein dichtes Netz von Arztpraxen, Zahnärzten und Apotheken. Von so einer medizinisc­hen Infrastruk­tur konnten unsere Vorfahren nur träumen. Da lässt es aufhorchen, dass im Markt Pfaffenhau­sen die Eröffnung einer Apotheke vor über 175 Jahren gefeiert werden konnte.

Grundlage ist eine überliefer­te Anzeige im „Mindelheim­er Wochenblat­t für Bürger und Landleute“, dass der Mindelheim­er Apotheker v. Valta eine „Filial-Apotheke im Markte Pfaffenhau­sen“eröffnet hat. Dies ist die erste konkrete Nennung einer Apotheke in Pfaffenhau­sen.

Allerdings stand in der Ortschroni­k fünf Jahre zuvor, dass es im Marktfleck­en einen Arzt, einen Tierarzt, zwei Pfarrer und einen Apotheker gab. Mehr ist nicht bekannt.

Da Pfaffenhau­sen über Jahrhunder­te hinweg bis zur Säkularisa­tion 1803 zum Fürstbistu­m Augsburg gehörte, hatte es auch ein geordnetes und gehobenes Gesundheit­swesen. So gab es hier schon früh einen Bader und einen „Wundarzt“. Der Bader galt einst als „Arzt der kleinen Leute“. Seine Hauptaufga­be waren der als Allheilmit­tel gepriesene Aderlass und das Schröpfen. Er zog auch Zähne und schnitt die Haare. Dem Bader oblag zudem die Ausbildung der Wundärzte. „Wundarzt“war die frühere Be- zeichnung für Chirurg. Dies war ein handwerkli­cher Beruf mit Gesellenpr­üfung. Dessen Hauptaufga­be war neben dem Aderlass die Behandlung äußerer Wunden und auch die Versorgung von Knochenbrü­chen. Wundärzte hatten auch das Recht, Medizinen zu verordnen.

In bestimmten Fällen arbeitete der Wundarzt unter Aufsicht eines „gelehrten“Arztes. Akademisch­e Ärzte nahmen nämlich selbst keine chirurgisc­hen Eingriffe vor.

So ließ sich in Pfaffenhau­sen erst um 1840 erstmals ein praktische­r Arzt namens Dr. Guggemos nieder, der auch eine eigene Hausapothe­ke hatte.

Bald darauf errichtete dann der Mindelheim­er Apotheker v. Valta im Jahre 1842 die oben genannte erste (Filial-)Apotheke im Marktfleck­en. Als erster eigenständ­iger Apotheker wird dann ein Ignaz Hummel genannt, von dem heute noch eine „Medicament­en-Rechnung“von 1859 erhalten ist. Schon drei Jahre später taucht schließlic­h noch der Name „Apotheker G. König dahier“auf. Dieser war dann jahrzehnte­lang in Pfaffenhau­sen tätig.

Etwa um 1900 übernahm dann wohl sein Sohn Apotheker Carl König das Haus gegenüber dem Viehmarkt, wo noch heute die Pfaffenhau­sener Apotheke ihren Sitz hat. Das Haus trug damals den Hausnamen „beim Hops“. Wann es den Beinamen „St. Josefs-Apotheke“erhielt, ist nicht bekannt.

Der langjährig­e Apotheker König ging dann auch noch in die Ortsgeschi­chte ein, als der Chronist 1904 anlässlich der Genehmigun­g

Ein Bader war früher der Arzt der kleinen Leute

Im Garten des Apothekers wurde groß gefeiert

der Lokalbahn Mindelheim - Pfaffenhau­sen - Kirchheim über die Freudenfei­er schrieb: „Die Laube des herrlich gelegenen Gartens des Herrn Apothekers König war herrlich mit farbenpräc­htigen Lampions beleuchtet; ein bengalisch­es Feuer, in welchem der Garten erstrahlte, machte einen feenhaften Eindruck…“

Nach Apotheker König folgten dann noch einige Besitzerwe­chsel im Apothekerh­aus in Pfaffenhau­sen, bis 1990 der heutige Eigentümer Andreas Großmann die Apotheke übernahm und sie nach größerem Umbau und Modernisie­rung 1991 offiziell in neuem Stil präsentier­te.

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Oskar Schmuck war der letzte „approbiert­e Bader“in Pfaffenhau­sen. Er starb 1959.
 ?? Fotos: hlz ?? Diese „Anzeige“von der Eröffnung eine Filial Apotheke in Pfaffenhau­sen erschien am 1. Dezember 1842 im „Mindelheim­er Wo chenblatt für Bürger und Landleute“.
Fotos: hlz Diese „Anzeige“von der Eröffnung eine Filial Apotheke in Pfaffenhau­sen erschien am 1. Dezember 1842 im „Mindelheim­er Wo chenblatt für Bürger und Landleute“.

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