Primaballerina genießt jetzt die Kneippstadt
Nach unzähligen Auftritten auf internationalen Bühnen hält sich die 75-jährige Rodica Simion mit Sport und Spaziergängen fit. Nach einem turbulenten Leben als Startänzerin hat sie eine neue Heimat gefunden
Bad Wörishofen Es ist der große Traum vieler Mädchen: einmal als Primaballerina auf der Bühne zu stehen. Für die gebürtige Rumänin Rodica Simion, die inzwischen in Bad Wörishofen lebt, wurde dieser Traum tatsächlich wahr.
Nach all den Jahren, in denen sie die Menschen mit ihrer großartigen Kunst glücklich gemacht hat, genießt sie nun ihr eigenes Glück an der Seite ihres Mannes in der Kurstadt, in der sie sich nach einigen Besuchen entschied: „Hier will ich leben.“Fit hält sie sich mit Sport und Spaziergängen, bei denen sie sich bevorzugt der Naturfotografie widmet.
Nach der Kinderballettschule hatte sie bereits als 15-Jährige 1958 im Kirow-Theater (heute Mariinski-Theater) St. Petersburg mit Pas de deux „Flamme de Paris“Erfolg, und der bedeutende russische Choreograph Leonid Jacobson wählte sie aus, um bei der Premiere seiner „Choreographischen Miniaturen“zu tanzen. Welch hohe Auszeichnung, wenn man bedenkt, dass in seinen Werken auch Ballettgrößen Natalia Makarova, Mikhail Baryshnikov, Alla Osipenko und Maija Plissezkaja auftraten. Mit Primoballerino Alexander Gribow begeisterte Simion in „Der Vogel und der Jäger“ebenso wie als „Schwarzer Schwan“mit dem ersten Solotänzer vom Kirow-Theater Konstantin Schatilow.
Nach ihrem Choreographie-Studium an der High School in Bukarest wurde sie nach Leningrad berufen, wo sie ihr Studium an der Waganowa-Ballettakademie bei der bekannten Professorin N.W. Baltaceewa erfolgreich abschloss. Das wurde prompt mit einer Festanstellung als führende Solistin am Kirow-Theater Leningrad belohnt, wo sie von 1960 bis 64 unter anderem als Mascha im „Nussknacker“das Publikum verzauberte. Von 1964 bis 75 tanzte sie als Primaballerina der Rumänischen Oper Bukarest in „Schwanensee“, „Giselle“, „Dornröschen“, „Don Quichotte“, „Romeo und Julia“, „Francesca da Rimini“, „Le Sacre du Printemps“, „Les Sylphides“und „Coppélia“. Später war die Spitzentänzerin als Solistin und an der Seite berühmter Kollegen in allen bekannten Ballet- ten der größten Choreographen weltweit zu bewundern, so auch 1978 in Chicago beim „International Dance Festival of stars“.
Schmunzeln muss sie, wenn sie an eine Vorstellung mit der Szene des Butterstampfens in „La fille mal gardée“zurück denkt. Das Probierschlecken war keineswegs genussvoll, da Kollegen ihr heimlich Rasierschaum in die Schüssel gefüllt hatten. Natürlich behielt sie ihre Mine unter Kontrolle, denn schließlich hat sie auch Schauspiel und Päwie dagogik des klassischen Tanzes studiert. Nach einem Jahr als erste Solistin am Gärtnerplatztheater feierte sie zehn Jahre lang Erfolge als Solistin bei der Staatsoper München in den herrlichsten Rollen wie die der „Olga“im „Onegin“.
Karriere machte sie auch als Dozentin an der Hochschule für Musik München und wurde anschließend von der John Cranko-Akademie als Ballettmeisterin nach Stuttgart gerufen.
Zahlreiche hohe Auszeichnungen schmücken die Vita von Rodica Simion. So erhielt sie 1979 von der Accademia Italiana Delle Arti die Goldmedaille „Normia di Accademico conferita nel settore delle Arti“, 1983 wurde ihr in Deutschland der „Saint Géron-ChevolierOrden“für das kulturelle künstlerische Gebiet verliehen, und 2002 zeichnete sie der rumänische Präsident Ion Iliescu mit der höchsten Ehre des Landes - dem Stern-Orden - aus.
Die magischen Momente ihrer spektakulären Laufbahn verdankt sie nicht zuletzt beachtlicher Disziplin und Willensstärke. „Tägliches Training von neun bis 13 Uhr“, erinnert sie sich – und „an Vorstellungstagen zusätzlich von 16 Uhr – für Aufwärmen, Schminken und Anziehen – bis der Vorhang fiel und ich dann um Mitternacht zu Hause war.“
Der berühmte Maler Edgar Degas war übrigens derart fasziniert vom Ballett, dass er dem Thema mehr als 200 Jahre seiner fantastischen Werke widmete. Gut vorstellbar, dass er – hätte er 100 Jahre später gelebt – Rodica Simion gebeten hätte, sie porträtieren zu dürfen.