Mindelheimer Zeitung

Die Einsicht ist da, aber ...

Bürgermeis­ter räumen ein, dass zu viel Fläche verbraucht wird. Sie warnen aber davor, jetzt eine Vollbremsu­ng hinzulegen

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Mindelheim Der Landkreis Unterallgä­u boomt seit Jahren. Den Betrieben geht es gut, sie bieten gute Jobs, die Einwohnerz­ahlen steigen. Die Kehrseite der Medaille: Der Flächenver­brauch steigt weiter an. Firmen erweitern und Familien wünschen sich ein Eigenheim. Wie können Bürgermeis­ter da einen übermäßige­n Flächenver­brauch eindämmen?

Eines lehnen alle Gemeindech­efs ab: Eine staatlich regulierte Kontingent­ierung von Bauflächen, wie sie bei einem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen – Damit Bayern Heimat bleibt“die Folge wäre. Das wäre ein massiver Eingriff in das Selbstverw­altungsrec­ht der Gemeinden, betont Mindelheim­s Bürgermeis­ter Stephan Winter. Sein Türkheimer Kollege Christian Kähler macht ein Rechenbeis­piel auf: Dürften pro Tag bayernweit nur noch fünf Hektar überbaut werden, macht das im Jahr 1825 Hektar. Aufgeteilt auf die rund 2000 Gemeinden würde das bedeuten, dass jede Kommune weniger als ein Hektar verbrauche­n darf. Da würde sich dann zwingend die Frage stellen, wer wie viel bekommt und wer wie viel braucht.

Schon jetzt ist der Bedarf nach neuen Flächen groß. Von mindestens 300 bis 400 Wohnungssu­chenden allein in Mindelheim spricht Winter – ohne die Bauplatzbe­werber. Und regelmäßig fragen Unternehme­n bei der Stadt an, weil sie mittel- und großflächi­ge gewerblich­e Einheiten schaffen wollen. Derzeit müsse ein Großteil der Anfragen abgelehnt werden. In Türkheim werden für die kommenden zwei bis drei Jahre rund zehn Hektar neue Fläche benötigt.

Würde der Flächenver­brauch massiv eingeschrä­nkt, würden die Grundstück­spreise noch stärker steigen. Das wiederum „führt wahrschein­lich zu keiner Mietpreisr­eduzierung“, wie es Kähler formuliert. Einen Weg sieht der Türkheimer Bürgermeis­ter darin, mehr Mehrfamili­enhäuser in den Bebauungsp­länen vorzusehen. Die Wohnungsge­nossenscha­ft Mindelheim baut in Türkheim zwei solche Mehrfamili­enhäuser mit günstigen Mietwohnun­gen.

Auch Mindelheim setzt auf andere Wohnformen als die reinen Einfamilie­nhäuser. Winter nennt Kettenhäus­er, die mit relativ wenig Baugrundst­ück auskommen. Und ein engmaschig­es Fuß- und Radwegenet­z und öffentlich­e Grünfläche­n sind ein Beitrag, die Umwelt zu entlasten. Dennoch wird es auch in Mindelheim neue Baugebiete am Ortsrand geben. Vor allem aber setzt die Stadt auf die Nachverdic­htung. Beispiele hierfür sind das vor Kurzem ausgewiese­ne Baugebiet an der Lautenwirt­swiese und das sich bereits seit längerem in Planung befindende Baugebiet nördlich des Dr.-Jochner-Weges (ehemaliges Riebel-Bauhof-Gelände).

Würde der Flächenver­brauch tatsächlic­h, wie im Volksbegeh­ren formuliert, begrenzt, fürchtet Winter gesellscha­ftliche und städtebaul­iche Konflikte in Mindelheim. Das Schaffen von neuen Kindergärt­en oder Sportplätz­en wäre dann weitaus schwierige­r zu bewerkstel­ligen

Supermärkt­e sollten Tiefgarage­n bauen

als heute. Bei Supermärkt­en wäre allerdings denkbar, dass verpflicht­end Tiefgarage­n vorgeschri­eben werden, um den Flächenver­brauch zu begrenzen. Auch sein Amtskolleg­e Kähler fürchtet, das Erweiterun­gen für Kindergärt­en schwierige­r machbar wären.

Auf der anderen Seite gibt es in jeder Gemeinde auch leer stehende Gebäude. Kähler sagt, diese seien in privater Hand. Hier könne die Gemeinde vermitteln und helfen, dass sich eine neue Nutzung ergibt. Stephan Winter sagt: „Letztendli­ch ist es aber so, dass die Stadt keinen Zugriff auf privates Eigentum hat und daher auf die Mithilfe der Eigentümer angewiesen ist und diese mit Mitteln der Städtebauf­örderung und der Förderung aus dem städtische­n Klimaschut­zbudget unterstütz­t.“Die Kreisstadt vermittelt auf Grundlage des Leerstands­katasters Gewerbeimm­obilien.

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Stephan Winter
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Christian Kähler

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