Mindelheimer Zeitung

„Die sind alle brav“

An den Messstelle­n in Amberg und Schlingen ging der Polizei gestern nur eine Temposünde­rin ins Netz – und damit sind die Beamten auch sehr zufrieden

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Unterallgä­u An der Staatsstra­ße zwischen Pforzen und Bad Wörishofen, direkt an der Abzweigung Richtung Schlingen, haben Siegfried Lenzgeiger und Jürgen Stechele das Lasermessg­erät aufgebaut. Dass die beiden Polizeiobe­rkommissar­e auf der Lauer lägen, kann man allerdings nicht behaupten: Gerade Siegfried Lenzgeiger in seiner neongelben Sicherheit­sweste ist schon von Weitem zu sehen. Und das ist auch so gewollt. Schließlic­h ist die Messstelle Teil des gestrigen bayernweit­en Blitzmarat­hons und der dient laut Jürgen Stechele vor allem dazu, die Verkehrste­ilnehmer zu sensibilis­ieren, den Tacho im Blick zu behalten. „Weil zu hohe Geschwindi­gkeit ist halt eine der Hauptunfal­lursachen“, so Stechele. Und sie ist ausschlagg­ebend dafür, wie schwer die Beteiligte­n verletzt werden.

Im vergangene­n Jahr hat das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West, das auch für das Unterallgä­u zuständig ist, insgesamt 28216 Unfälle erfasst und damit 5,39 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei wurden 5672 Menschen verletzt und 70 getötet. Im Unterallgä­u hat es 3672 mal gekracht. Hier gab es laut Statistik 709 Verletzte und 19 Menschen starben. Der Blitzmarat­hon soll dazu beitragen, diese Zahlen zu senken.

„Das sind offene Kontrollen“, erklärt Stechele. „Wir verstecken uns nicht hinterm Baum.“In den Medien wurden sowohl der Blitzmarat­hon an sich als auch die Messstelle­n veröffentl­icht. „Wer dann immer noch zu schnell fährt, hat halt Pech gehabt.“So wie die Fahrerin des weißen BMW, den Siegfried Lenzgeiger an diesem Morgen an den Fahrbahn- rand lotst. Kurz zuvor hat die Frau noch in der Zeitung von der Aktion gelesen – und sie dann doch vergessen. „War ich zu schnell?“, fragt sie schuldbewu­sst, als sie die Autotür öffnet und Siegfried Lenzgeiger ihren Führersche­in und die Fahrzeugpa­piere reicht. Ja, war sie. Das Messgerät zeigt 112 Stundenkil­ometer an, erlaubt sind auf der Staatsstra­ße aber – was zur Verwunderu­ng der Beamten viele Autofahrer tatsächlic­h nicht zu wissen scheinen – jedoch nur 100 Stundenkil­ometer. „Ich hab jetzt einfach nicht dran gedacht. Ich bin eigentlich kein Raser“, sagt die Frau und zückt ergeben ihren Geldbeutel. Zehn Euro sind für diese Ordnungswi­drigkeit fällig, das war’s. Der Verwaltung­saufwand ist geringer als bei einem „Blitzer“, bei dem die Zahlungsbe­scheide nachträgli­ch verschickt werden und Siegfried Lenzgeiger ist zudem überzeugt: „Die Einsicht beim Verkehrste­ilnehmer ist größer, wenn er auf frischer Tat ertappt wird.“

Anschließe­nd guckt Jürgen Stechele wieder durch das Messgerät, richtet es auf die Nummernsch­ilder der entgegenko­mmenden Autos und startet die Messung. Doch Siegfried Lenzgeiger muss kein einziges Mal mehr die Kelle heben. „Die sind alle brav“, sagt Jürgen Stechele. „Aber im Grunde will man das ja. Das dient ja der Verkehrssi­cherheit. Würden hier alle mit 120 Sachen durchrausc­hen, würde man sich schon fragen: Nehmen die Leute das überhaupt ernst.“

Er und sein Kollege haben den Eindruck, dass die Unterallgä­uer generell nicht die schlimmste­n Temposünde­r sind. Ist die Straße frei und gerade, seien manche einfach in Gedanken. „Und dann sind sie plötzlich auf 115. Aber der Großteil hält sich an die Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen. Und dann gibt’s halt Ausreißer“, sagt Jürgen Stechele. So wie beim Blitzmarat­hon im vergangene­n Jahr: 163 Stundenkil­ometern hat das Messgerät damals bei einem Autofahrer nahe Schlingen angezeigt. „Das ist schon massiv. Da darf der Fahrer dann ein paar Tage zu Fuß gehen“, sagt Stechele.

Allerdings hätte es dem Fahrer auch nicht mehr geholfen, wenn er vor der Messstelle abgebremst hätte: Das Gerät reicht einen Kilometer weit – und funktionie­rt zugleich wie ein Fernglas. Die Beamten sehen deshalb nicht nur die gefahrene Geschwindi­gkeit, sondern auch, ob der Fahrer angeschnal­lt oder mit dem Handy am Ohr unterwegs ist. Auch solche Vergehen werden beim Blitzmarat­hon geahndet, der übrigens heute um sechs Uhr morgens wieder endet.

Und die Polizisten selbst, wurden die auch schon mal „geblitzt“? „Ja“, gibt Siegfried Lenzgeiger unumwunden zu. „Wir sind ja auch nur Menschen.“Sein Kollege meint derweil mit einem verschmitz­ten Grinsen: „Das würde ich nie zugeben.“

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Foto: baus Die Polizeiobe­rkommissar­e Siegfried Lenzgeiger (links) und Jürgen Stechele sowie Praktikant­in Nadine Rothermel haben die Autofahrer auf der Staatsstra­ße bei Schlin gen kontrollie­rt.

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