Mindelheimer Zeitung

Russisch deutscher Austausch

Sechs Auszubilde­nde aus Jaroslawl lernen das Ausbildung­ssystem und die bayerische Küche kennen

- VON FRANZ ISSING

Mindelheim Völkervers­tändigung en miniature – die Technikers­chule in Mindelheim macht es möglich. Sie hat sechs russische Azubis unter ihre Fittiche genommen, um ihnen ein zweiwöchig­es Betriebspr­aktikum in Unterallgä­uer Werkstätte­n zu ermögliche­n. Die jungen Männer kommen alle aus der etwa 350 Kilometer nordöstlic­h von Moskau gelegenen Großstadt Jaroslawl und wollen sich mit den Arbeitsabl­äufen und Techniken in deutschen Kfz-Werkstätte­n vertraut machen. Die Mindelheim­er Autohäuser Schragl und Jäckle wie auch Götzfried Nutzfahrze­uge und MAN-Maurer in Türkheim öffneten den Lehrlingen nur zu gerne die Türen ihrer Werkstätte­n. Ihrem Beispiel folgten auch das BerchtoldF­ahrzeugser­vice-Zentrum und das Autohaus Allgäu in Kempten.

Was die Lehrlinge aus dem Osten besonders interessie­rt, ist unser duales Ausbildung­ssystem, das auch in Russland als Exportschl­ager gilt und neuerdings vom dortigen Bildungsmi­nisterium stark favorisier­t wird. Unternehme­r wie auch Gastschüle­r und Lehrer der Mindelheim­er „Nachwuchss­chmiede“sind sich einig: In Zeiten unterkühlt­er deutschrus­sischer Beziehunge­n ist handwerkli­cher Bildungsau­stausch sehr wichtig. Vor allem, wenn er von der „Stiftung deutsch-russischer Jugendaust­ausch“und der „Mangold Stiftung“gefördert wird.

Alexander Popov ist bei Götzfried-Nutzfahrze­uge in Mindelheim gerade mit der Reparatur der Bremsanlag­e an einem Lkw-Auflieger beschäftig­t. „Ich bin glücklich und stolz, dass ich an diesem Projekt teilnehmen darf“, sagt er. Der junge Mann findet die Ausstattun­g von hiesigen Werkstätte­n sehr viel moderner als in seiner Heimat, schwärmt von der Gastfreund­schaft und gibt sich beeindruck­t von der guten Zu- sammenarbe­it mit deutschen Lehrlingen. Und wie klappt es mit der Verständig­ung? Sprachschw­ierigkeite­n, so Firmenchef Herbert Götzfried, gebe es kaum. „Da helfen moderne Kommunikat­ionsmittel wie Computer und Smartphone weiter“, weiß er und scherzt: „Wenn gar nichts mehr hilft, redet man halt notfalls mit Händen und Füßen.“

Nicht nur bei Lkw-Reparature­n zieht Russland mit Deutschlan­d gleich. Auch die Technik der Brummis scheint auf gleichem Stand zu sein, wie von den Lehrern Karl Geller und Philipp Niegl zu erfahren war. „Auch in Russland fahren keine Fahrzeuge mehr, die man in Europa nicht mehr haben will“, erklären die beiden. Wie ein Kfz-Betrieb in Deutschlan­d arbeitet, will auch Daniil Baskakov wissen. Im Autohaus Schragl wechselt er Reifen, tauscht Kühlflüssi­gkeit und Bremsen aus. Man sieht ihm an, dass er Spaß an der Arbeit hat. Der 18-jährige Lehrling ist voll in den Werkstatta­blauf eingebunde­n. Dank seiner englischen Sprachkenn­tnisse klappt es auch mit der Verständig­ung recht gut.

Artem Konchenkov macht sich im Autohaus Jäckle nützlich. Dem angehenden Mechatroni­ker gefällt besonders die spezialisi­erte Berufsausb­ildung in „Germany“, aber auch die wie er sagt „sehr gute Infrastruk­tur“sowie der gute Zustand der Straßen. Das sieht auch sein Kollege so, der sich bei MAN-Maurer in Türkheim weiterbild­et.

Was bringt den sechs Schülern, die im Wohnheim der Technikers­chule untergebra­cht sind und zuhause lediglich in der Schule lernen, die Schnupperl­ehre im Unterallgä­u? „Wir nehmen für den Berufsallt­ag in unserer Heimat viele Verbesseru­ngsvorschl­äge mit, können bei einer Bewerbung mit dem deutschen Betriebspr­aktikum punkten und haben größere Chancen“, sind sich die jungen Leute einig. Kulinarisc­h werden sie sich gern an schwäbisch­e Käsespätzl­e und bayerische Weißwürste erinnern, die ihnen bei der Besichtigu­ng einer Augsburger Brauerei zu einer Maß Bier serviert wurden.

In der Mindelheim­er Technikers­chule hofft man indes, dass der Lehrlingsa­ustausch keine Eintagsfli­ege bleibt. Um dies zu verhindern, reist schon im nächsten Jahr eine Gruppe deutscher Lehrlinge mit Ausbildern nach Russland.

 ?? Foto: Issing ?? Russische Austauschs­chüler absolviere­n ein Berufsprak­tikum in Betrieben in der Region: (von links) Herbert Götzfried und Lehrer Philipp Niegl und die Praktikant­en Alexander Popov, Daniil Baskakov und Artem Konchenkov.
Foto: Issing Russische Austauschs­chüler absolviere­n ein Berufsprak­tikum in Betrieben in der Region: (von links) Herbert Götzfried und Lehrer Philipp Niegl und die Praktikant­en Alexander Popov, Daniil Baskakov und Artem Konchenkov.

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