Russisch deutscher Austausch
Sechs Auszubildende aus Jaroslawl lernen das Ausbildungssystem und die bayerische Küche kennen
Mindelheim Völkerverständigung en miniature – die Technikerschule in Mindelheim macht es möglich. Sie hat sechs russische Azubis unter ihre Fittiche genommen, um ihnen ein zweiwöchiges Betriebspraktikum in Unterallgäuer Werkstätten zu ermöglichen. Die jungen Männer kommen alle aus der etwa 350 Kilometer nordöstlich von Moskau gelegenen Großstadt Jaroslawl und wollen sich mit den Arbeitsabläufen und Techniken in deutschen Kfz-Werkstätten vertraut machen. Die Mindelheimer Autohäuser Schragl und Jäckle wie auch Götzfried Nutzfahrzeuge und MAN-Maurer in Türkheim öffneten den Lehrlingen nur zu gerne die Türen ihrer Werkstätten. Ihrem Beispiel folgten auch das BerchtoldFahrzeugservice-Zentrum und das Autohaus Allgäu in Kempten.
Was die Lehrlinge aus dem Osten besonders interessiert, ist unser duales Ausbildungssystem, das auch in Russland als Exportschlager gilt und neuerdings vom dortigen Bildungsministerium stark favorisiert wird. Unternehmer wie auch Gastschüler und Lehrer der Mindelheimer „Nachwuchsschmiede“sind sich einig: In Zeiten unterkühlter deutschrussischer Beziehungen ist handwerklicher Bildungsaustausch sehr wichtig. Vor allem, wenn er von der „Stiftung deutsch-russischer Jugendaustausch“und der „Mangold Stiftung“gefördert wird.
Alexander Popov ist bei Götzfried-Nutzfahrzeuge in Mindelheim gerade mit der Reparatur der Bremsanlage an einem Lkw-Auflieger beschäftigt. „Ich bin glücklich und stolz, dass ich an diesem Projekt teilnehmen darf“, sagt er. Der junge Mann findet die Ausstattung von hiesigen Werkstätten sehr viel moderner als in seiner Heimat, schwärmt von der Gastfreundschaft und gibt sich beeindruckt von der guten Zu- sammenarbeit mit deutschen Lehrlingen. Und wie klappt es mit der Verständigung? Sprachschwierigkeiten, so Firmenchef Herbert Götzfried, gebe es kaum. „Da helfen moderne Kommunikationsmittel wie Computer und Smartphone weiter“, weiß er und scherzt: „Wenn gar nichts mehr hilft, redet man halt notfalls mit Händen und Füßen.“
Nicht nur bei Lkw-Reparaturen zieht Russland mit Deutschland gleich. Auch die Technik der Brummis scheint auf gleichem Stand zu sein, wie von den Lehrern Karl Geller und Philipp Niegl zu erfahren war. „Auch in Russland fahren keine Fahrzeuge mehr, die man in Europa nicht mehr haben will“, erklären die beiden. Wie ein Kfz-Betrieb in Deutschland arbeitet, will auch Daniil Baskakov wissen. Im Autohaus Schragl wechselt er Reifen, tauscht Kühlflüssigkeit und Bremsen aus. Man sieht ihm an, dass er Spaß an der Arbeit hat. Der 18-jährige Lehrling ist voll in den Werkstattablauf eingebunden. Dank seiner englischen Sprachkenntnisse klappt es auch mit der Verständigung recht gut.
Artem Konchenkov macht sich im Autohaus Jäckle nützlich. Dem angehenden Mechatroniker gefällt besonders die spezialisierte Berufsausbildung in „Germany“, aber auch die wie er sagt „sehr gute Infrastruktur“sowie der gute Zustand der Straßen. Das sieht auch sein Kollege so, der sich bei MAN-Maurer in Türkheim weiterbildet.
Was bringt den sechs Schülern, die im Wohnheim der Technikerschule untergebracht sind und zuhause lediglich in der Schule lernen, die Schnupperlehre im Unterallgäu? „Wir nehmen für den Berufsalltag in unserer Heimat viele Verbesserungsvorschläge mit, können bei einer Bewerbung mit dem deutschen Betriebspraktikum punkten und haben größere Chancen“, sind sich die jungen Leute einig. Kulinarisch werden sie sich gern an schwäbische Käsespätzle und bayerische Weißwürste erinnern, die ihnen bei der Besichtigung einer Augsburger Brauerei zu einer Maß Bier serviert wurden.
In der Mindelheimer Technikerschule hofft man indes, dass der Lehrlingsaustausch keine Eintagsfliege bleibt. Um dies zu verhindern, reist schon im nächsten Jahr eine Gruppe deutscher Lehrlinge mit Ausbildern nach Russland.