Mindelheimer Zeitung

Polizisten auf der falschen Seite

Korruption unter Ermittlern ist auch in der Realität verbreitet

- VON OLIVER BOSCH

Augsburg Hauptkommi­ssar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) versteht die Welt nicht mehr: Er soll einen Menschen umgebracht haben. Später stellt sich im Hamburger „Tatort“vom Sonntag jedoch heraus: Ein bestechlic­her Kriminalra­t versucht, ihm den Mord in die Schuhe zu schieben, um sein lukratives „Geschäftsv­erhältnis“mit einem libanesisc­hen Verbrecher­kartell weiterführ­en zu können. Korruption ist im Hamburger Tatort „Alles was Sie sagen“omnipräsen­t.

Auch in der Realität ist diese Form der Kriminalit­ät fest verankert – und kommt selbst in den Polizeiprä­sidien vor.

Die Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal kritisiert, Deutschlan­d würde zu wenig im Kampf gegen Korruption im öffentlich­en Sektor, zu dem Bund, Länder und Gemeinden zählen, tun. Die Nichtregie­rungsorgan­isation mit Sitz in Berlin widmet sich der weltweiten Bekämpfung von Korruption. Die Vorsitzend­e von Transparen­cy Deutschlan­d, Edda Müller, wirft der Bundesregi­erung Versäumnis­se vor: „Wer nur verwaltet und keine neuen Initiative­n ergreift, läuft Gefahr, internatio­nal abgehängt zu werden.“Dass durchaus auch Polizisten auf die schiefe Bahn geraten, zeigen etwa Fälle aus Bochum, Kempten und Berlin.

2008 stürmen Bochumer Ermittler die Wohnung eines Rockers. Der ehemalige Bandido-Anwärter brüstet sich bei seiner Verhaftung mit besten Beziehunge­n zum SEK Dortmund und beweist diese auch. Pikant: Trotz intensiver Überwachun­g kann die Rockergrup­pierung bei keiner schweren Straftat ertappt werden.

Ein Fall rief besonders in der Region große Aufmerksam­keit hervor: In Kempten wird 2015 der ehemalige Leiter des dortigen Rauschgift­dezernats zu sechseinha­lb Jahren Gefängnis verurteilt. Der ChefDrogen­fahnder konsumiert­e selbst Kokain. Woher die 1,854 Kilogramm Rauschgift stammen, die bei ihm gefunden wurden, kann nicht geklärt werden.

Rauschgift beendet auch die Karriere eines Berliner Polizisten. Im März 2018 geht er Ermittlern ins Netz. Seit Frühjahr 2016 soll der 39-Jährige bis zu 3000 Euro Schmiergel­d monatlich für Tipps für bevorstehe­nde Polizeikon­trollen kassiert haben. Laut Anklage warnte er Gaststätte­nbetreiber, die in ihren Räumen einen florierend­en Rauschgift­handel betrieben.

Ein Korruption­sproblem sieht Peter Schall, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei Bayern, im Gespräch mit unserer Redaktion allerdings nicht. „Der Staat hat entspreche­nde Sicherheit­sschranken eingebaut.“Spontan fällt ihm ein Korruption­sfall ein: „Es gab Kollegen, die für Dateiabfra­gen von einer Detektei Geld erhalten haben.“Ganz ausschließ­en könne man Korruption jedoch nie: „Im Kleinen ist das schwer zu überwachen.“Schall verweist auf die Verkehrsüb­erwachung. Schwarze Schafe, die Verkehrssü­nder etwa gegen Geld ungeschore­n davonkomme­n lassen, seien kaum zu überführen. Er kenne jedoch genügend Fälle, in denen Kollegen Bestechung­sversuche auf der Straße zur Anzeige brachten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany