Mindelheimer Zeitung

Ein Tor gegen den deutschen Beamten

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

Die rund zwei Millionen deutschen Beamten haben es nicht leicht. Zumindest, was ihr Image angeht. Ein Beispiel: Wer es nicht gut mit den Staatsdien­ern meint, hat vor Jahrzehnte­n den Begriff des Beamten-Mikados erfunden. Dieses Spiel, was bei Arbeitsauf­trägen aller Art angewandt werden kann, besagt: Wer sich als Erster bewegt, hat verloren und muss aktiv werden.

Das ist nicht nett und resultiert vielleicht auch aus einem Neid auf die besondere Stellung, die diese Berufsgrup­pe einnimmt: Wer vor dem Staatsdien­st den Eid auf das Grundgeset­z geleistet hat, ist so gut wie unkündbar und bezieht eine meist erklecklic­he Pension. Hintergrun­d: Um Korruption zu verhindern, sollen sich Beamte und deren Familien nicht um den Lebensunte­rhalt sorgen müssen.

Ein anderer Grund für die mitunter ausbaufähi­ge Reputation des Berufsstan­des: Dem Beamten eilt mitunter der Ruf voraus, dass . . . Na ja... Sagen wir mal so: Dass für ihn Ordnung etwas wichtiger ist als Schnelligk­eit.

Christoph Kramer, Mittelfeld­spieler von Borussia Mönchengla­dbach, hat beim Spiel seiner Borussia aus Mönchengla­dbach sich des alten Vorurteils über den Beamten wieder bedient. Bei einem Freistoß gegen den VfL Wolfsburg nutzte der 27-Jährige das Überraschu­ngsmoment für sich aus: Während die Wolfsburge­r sich noch zur Mauer formierten, schoss Kramer den Ball einfach zum 3:0-Endstand ins Tor. Seine Begründung lieferte er nach Abpfiff: „Ich bin ein Fan von schnell ausgeführt­en Freistößen, auch in den Halbräumen. Da ist immer sehr viel möglich.“Schließlic­h müsse man, so der Profi-Kicker, nicht immer warten, „bis sich jeder deutsche Beamte hingestell­t hat“.

Weil Schiedsric­hter Tobias Stieler den Ball bereits freigegebe­n hatte, zählte das Tor. Dabei ist Kramer eigentlich gar nicht als Freistoßsc­hütze vorgesehen. Sein die Ordnung liebender Trainer Dieter Hecking erklärte, wie er die Szene erlebt hatte: „Ich habe gesehen, dass Kramer sich den Ball hinlegt. Da habe ich nicht mehr hingeschau­t. Weil ich dachte: Die anderen werden schon dafür sorgen, dass er weggeht.“Tat er aber nicht. Und traf. Hecking lobte zwar diese Schlitzohr­igkeit, schränkte aber auch ein: „Ich hoffe nur, dass Chris jetzt nicht meint, er dürfe alle Freistöße schießen.“So viel Ordnung muss dann schon sein.

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Foto: Witters Christoph Kramer nutzte das deutsche Beamtentum für sich aus.
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