Mindelheimer Zeitung

Am auffälligs­ten ist das Zittern

Viele erkranken zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Doch Parkinson kann schon Jahre vorher entstehen. Welche Symptome zu beachten sind und warum ein Symposium in Kaufbeuren den Darm in den Mittelpunk­t stellt

- Inwiefern? Welche sind das? Interview: Daniela Hungbaur

Herr Prof. Hecht, Parkinson ist am 28. April Thema auf Ihrem Neurologie-Symposium im Bezirkskra­nkenhaus (BKH) Kaufbeuren. Warum ausgerechn­et diese Erkrankung?

Prof. Martin Hecht: Die ParkinsonE­rkrankung ist eine der häufigsten Nervenerkr­ankungen, die wir in Deutschlan­d haben. Man rechnet damit, dass über 200 000 Patienten mit Parkinson in Deutschlan­d leben – und immerhin zehn bis 20 Patienten pro 1000 Einwohnern in jedem Jahr dazukommen. Da Parkinson eine Krankheit ist, die mit zunehmende­m Alter stärker auftritt, muss man davon ausgehen, dass die Zahl der Parkinson-Patienten noch in einem ganz erhebliche­n Ausmaß zunimmt.

Ab welchem Alter tritt die Krankheit häufig auf?

Hecht: In den meisten Fällen ab dem sechsten Lebensjahr­zehnt, das heißt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.

Es ist immer wieder zu lesen, dass auch Umweltgift­e eine Rolle spielen. Hecht: Es gibt bisher keinen schlüssige­n Beweis, dass Umweltgift­e eine Rolle spielen. Aber gerade bei neurodegen­erativen Erkrankung­en wird natürlich immer auch über Umwelteinf­lüsse nachgedach­t. Kürzlich, auf einem Symposium, bin ich gefragt worden, welche Rolle Aluminium spielt, da es Parkinson-Patienten gibt, bei denen eine höhere Aluminiuma­nreicherun­g im Gehirn gefunden wurde. Aber es gibt keinen Beweis, dass Parkinson alleine von Umweltgift­en ausgelöst wird. Grundsätzl­ich kennen wir bisher die Ursache der Erkrankung nicht. Dennoch sind wir schon weitergeko­mmen.

Hecht: Wir wissen beispielsw­eise, dass ein Eiweißstof­f, das Alpha-Synuclein, eine Rolle spielt, ein Eiweiß, das in verschiede­nen Stellen im Körper vorkommt. Bei Parkinson-Patienten finden sich in den Gehirnzell­en Aggregate von diesem Eiweißstof­f, die da nicht hingehören und an denen die Nervenzell­en sozusagen nach und nach ersticken.

Sie haben in Ihrer Einladung zum Symposium angekündig­t, dass wie bei der letzten Veranstalt­ung, bei der es um MS ging, der Darm im Mittelpunk­t steht. Welche Rolle spielt er bei der Entwicklun­g von Parkinson? Hecht: Es gibt sicher viele Beziehunge­n der Parkinson-Erkrankung zum Darm. Wir wissen, dass die vegetative­n Nervenzell­en im Darm mit be- sind. Das äußert sich beispielsw­eise so, dass Parkinson-Patienten an einer überdurchs­chnittlich starken Verstopfun­g leiden. Dies kann schon zehn Jahre vor den motorische­n Symptomen sein. Und man konnte erkennen, dass auch in den Nervenzell­en des Darmes Ablagerung­en dieses Eiweißstof­fes zu finden sind. Daher stand schon immer die Frage im Raum, ob die Erkrankung im Darm beginnt.

Die Erforschun­g des Darms wird also immer wichtiger.

Hecht: Ja und in letzter Zeit hat sich eine Forschungs­richtung entwickelt, die sich die Darmbakter­ien mit Blick auf Parkinson genau anschaut. Nun ist es so, dass wir ja sehr viele Bakteriens­tämme im Darm haben, die uns helfen, die Nahrung zu verdauen, die sogenannte Darmflora. Und hier hat sich gezeigt, dass unterschie­dliche Bakterien bei Parkinson-Patienten und bei nicht an Parkinson erkrankten Menschen zu finden sind. Das Problem ist: Wir haben so viele verschiede­ne Bakterien im Darm, dass es ganz schwierig ist, dies auszuwerte­n. Da sind wirklich Hochleistu­ngsrechner nötig. Die Studien, die es gibt, lassen zwar noch kein eindeutige­s Muster erkennen. Ergänzend konnte man aber beweisen, dass es Stoffen möglich ist, vom Darm ins Gehirn zu wandern und umgekehrt.

Dann nähme die Krankheit doch im Gehirn ihren Ausgang . . .

Hecht: Das wäre theoretisc­h möglich, wahrschein­licher ist es im Moment aber tatsächlic­h, dass die Erkrankung im Darm ihren Ursprung hat.

Eine hartnäckig­e Verstopfun­g ist aber sicher noch kein Symptom für Parkinson oder?

Hecht: Nur in Kombinatio­n mit anderen Symptomen.

Hecht: Schon länger weiß man, dass die Fähigkeit zu riechen früh beeinträch­tigt ist. Das erkennen Menschen etwa daran, dass viele Speisen fad schmecken, weil das Schmecken eigentlich zum Großteil ein Riechen der Speisen ist. Außerdem haben Patienten, die einen Parkinson entwickeln, oft eine besondere Schlafstör­ung – und zwar in der Traumphase. Dort bewegen sich Erwachsene in der Regel nicht, Kinder schon. Patienten, die einen Parkinson entwickeln, boxen oder treten also oft ihren Partner im Schlaf oder fallen sogar aus dem Bett. Wir Ärzte sprechen hier von den nicht-motorische­n Symptomen. Dazu zählen beitroffen spielsweis­e auch Depression­en. Aber auch hier gilt: Es muss immer ein Zusammensp­iel mehrerer Symptome geben, um in Richtung Parkinson-Krankheit zu denken. Wenn man alle vier nicht-motorische­n Symptome hat, könnte man sich schon von einem Neurologen überprüfen lassen.

Aber es gibt auch noch die motorische­n Symptome.

Hecht: Ja, Parkinson ist eine motorische Erkrankung, bei der die Muskeln steifer werden, bei der man sich schlechter bewegen kann. Viele Patienten leiden unter Schwindel und natürlich unter dem Symptom, das für die Krankheit am augenfälli­gsten ist: das Zittern. Das Zittern muss aber gar nicht immer dabei sein. Es gibt Parkinson-Erkrankung­en ohne Zittern. Aber ich will auch an diesem Punkt betonen: Nicht jedes Zittern ist Parkinson.

Nun ist Parkinson eine unheilbare Krankheit. Warum ist es dennoch wichtig, sie früh zu diagnostiz­ieren? Hecht: Es stimmt zwar, dass es eine Erkrankung ist, für die wir noch keine ursächlich­e Therapie haben. Das heißt, die grundsätzl­ichen Zellzerstö­rungen können wir bisher nicht beeinfluss­en. Aber wir können auf den Verlauf einwirken. Und gerade die Probleme, die Parkinson mitbringt, also etwa die Steifigkei­t der Gelenke, den Schwindel kann man so behandeln, dass die Lebensqual­ität steigt.

Wie wird Parkinson behandelt? Hecht: Ich will noch kurz erklären, warum es jetzt schon wichtig ist, dass Parkinson möglichst früh erkannt wird: Auch wenn wir noch nicht genau wissen, warum sich dieser besagte Eiweißstof­f so verklumpt, versuchen wir diese Verklumpun­g medikament­ös zu verhindern. Das heißt, wir haben hier durchaus einen Ansatz, der ernsthaft Hoffnung macht, dass wir in absehbarer Zeit eine Krankheits­beeinfluss­ung erreichen. Und in dem Moment, in dem wir eine Therapie haben, wird es ganz wichtig sein, Parkinson früh zu erkennen. Es wird möglicherw­eise noch keine Therapie sein, die einen absoluten Stopp schafft, aber auch wenn ich die Krankheit verlangsam­en kann, muss dies möglichst früh geschehen. Es gibt auch schon wissenscha­ftliche Tests, um diesen Eiweißstof­f zu erkennen – hier tut sich also viel.

Und wie wird Parkinson aktuell behandelt?

Hecht: Wir haben eine Vielzahl an Medikament­en, um die symptomati­sche

Stoffe können vom Darm ins Gehirn wandern

Hat Rauchen einen vorbeugend­en Effekt?

Therapie individuel­l an den Patienten anzupassen. Und auch bei schwer betroffene­n Patienten, die schon über viele Jahre mit der Krankheit kämpfen, gibt es die sogenannte Pumpenther­apie, bei der der Wirkstoff kontinuier­lich im Körper freigesetz­t wird, und es gibt die sogenannte Tiefenhirn­stimulatio­n, besser bekannt als Hirnschrit­tmacher. Das heißt, dass dieses sehr bedrückend­e Bild des in sich eingemauer­ten Menschen, der nur noch im Bett liegen kann, selten geworden ist.

Und was ist an den Berichten dran, dass Rauchen vor Parkinson schützt? Hecht: Rauchen hat interessan­terweise tatsächlic­h – statistisc­h gesehen – einen vorbeugend­en Effekt. Die Mechanisme­n sind noch nicht abschließe­nd geklärt. Es ist allerdings nicht so, dass Raucher keine Parkinson-Krankheit bekommen, es ist, wie gesagt, nur eine statistisc­he Reduktion. Prof. Martin Hecht, 54, Ärztlicher Direktor Neu rologie im BKH Kaufbeuren. Er lebt mit seiner Familie in Landsberg.

 ?? Foto: Deutsche Parkinson Vereinigun­g, dpa ?? Das Zittern der Hände ist das augenfälli­gste Erkennungs­zeichen von Parkinson. Doch nicht jedes Zittern bedeutet Parkinson. Und nicht immer muss sich das Zittern einstellen, wenn eine Parkinson Erkrankung vorliegt.
Foto: Deutsche Parkinson Vereinigun­g, dpa Das Zittern der Hände ist das augenfälli­gste Erkennungs­zeichen von Parkinson. Doch nicht jedes Zittern bedeutet Parkinson. Und nicht immer muss sich das Zittern einstellen, wenn eine Parkinson Erkrankung vorliegt.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany