Bellen, schreien und musizieren
Die Stadtkapelle Mindelheim betritt musikalisches Neuland
Mindelheim Auf die Bühnen der Welt ist es für die Stadtkapelle noch ein weiter Weg. Doch nichts ist unmöglich – und der frenetische Beifall des Publikums beim Frühlingskonzert im Forum lässt hoffen. „Mir tun vom vielen Klatschen schon die Hände weh“, bemerkte Vizebürgermeister Hans-Georg Wawra bereits in der Pause. Und vielen der Zuhörer ging es ebenso. Als versierte Reisebegleiter luden die etwa 60 Musikanten ihr Publikum zu einem Trip in die aufregende Film- und Theaterwelt ein. „Regisseur“Dirigent Robert Hartmann hatte – immer für eine Überraschung gut – ein Programm zusammengestellt, das aufhorchen ließ. Modern interpretiert erklangen da Werke bekannter Komponisten.
Für ihr Frühlingskonzert hatten sich die Blasmusiker richtig in Schale geworfen. Bewusst verzichteten sie auf die schwäbische Tracht und traten ganz in Schwarz gekleidet auf. „Tracht passt halt nicht zum Motto unseres Programmes“, erklärte Vorstand Peter Müllner das ungewöhnliche Outfit seiner Truppe. Für mystische Stimmung sorgte rotes Licht auf der Bühne.
Musikalisches Neuland betrat die Stadtkapelle mit dem Stück „Godzilla Eats Las Vegas“von Eric Whitacre. Bei diesem Werk glaubten die Zuhörer die Vertonung eines Comics oder Horrorfilms aus den 50er Jahren zu hören, setzte das Orchester doch musikalische Effekte ganz ohne Instrumente ein. Die Musiker mussten aggressiv bellen, in panischer Angst schreien, aber auch singen, pfeifen, rufen und schließlich mit einem Glas Sekt miteinander anstoßen, um den Sieg über das böse Monster zu feiern. Die Stadtkapelle zeigte sich bei diesem Werk, das allen Registern höchste Konzentration abforderte äußerst wandlungsfähig und meisterte es mit Bravour. Schließlich waren rund 30 verschiedene Musikstilistiken zu spielen, vom zackigen Marsch bis hin zum rhythmischen Mambo und Tango. Dazu flimmerten Bilder über eine Riesenleinwand, die das monströse Spektakel in Las Vegas ins rechte Licht setzten.
Nach soviel Dramatik erklangen versöhnliche Melodien, wie der Emotionen erzeugende Hit „The Glory of Love“, der das Zeug hat, zum Blasmusik-Klassiker zu werden. Das Orchester spielte im weiteren Verlauf des Konzerts mehrere Highlights aus dem Erfolgsmusical Elisabeth und lockte dann den weltberühmten Frank-Sinatra-Ohrwurm „My Way“hervor. Wie geschaffen für Blasorchester, kam der von Freddie Mercury, dem Frontmann der Band Queen, komponierte „Don’t Stop Me Now“von den Notenpulten. Die Musiker überzeugten hier mit dichten Harmonien und dramatischem Stil und wechselten mühelos von der langsamen Ballade zum fetzigen Rock-Pop-Song.
Geradezu betörend ließen sie zum Entree die Fanfare aus dem Ballett „La Perie“von Paul Dukas erklingen, ein Stück, das sehr an Richard Wagner erinnerte und französischen Impressionismus widerspiegelte. Dann ein musikalischer Schwenk zu Guiseppe Verdi. Dessen Melodien aus dem Epos „La Forca del Destino“(Die Macht des Schicksals) katapultierten die Besucher in eine erbarmungslose Welt, in der Rache, Mord und Totschlag an der Tagesordnung waren.
Zum Ausklang sorgte die Stadtkapelle mit einem besonderen Schmankerl, dem für Blasmusik umgeschriebenen Titel „Gonna Fly Now“des US-Filmkomponisten Bill Conti, noch einmal für absoluten Hörgenuss – auch dank der Soli des Trompeters Johannes Steber, der hier zur Hochform auflief.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Stadtkapelle das Konzert auch zum Anlass nahm, um die Modelle für ihr neues Musikerheim vorzustellen und drei Preisträger zu ziehen. Verzehrgutscheine für das Lager der Stadtmusikanten beim Frundsbergfest gewannen: Ernst Merkle, Herbert Ruf und Kriemhild Kratzer aus Mindelheim.