Mindelheimer Zeitung

„Die Lage ist brisant“

Experten zufolge suchen immer mehr Menschen Hilfe, um ihre Unterkunft behalten zu können

- VON GERLINDE SCHUBERT

Region Trennung, Arbeitslos­igkeit, Sucht oder Überschuld­ung – aus vielen unterschie­dlichen Gründen kann der Verlust der Wohnung drohen. Doch die Fachstelle zur Verhinderu­ng von Obdachlosi­gkeit (FOL), die in Marktoberd­orf angesiedel­t ist und für Hilfesuche­nde aus dem weiten Umkreis eingericht­et wurde, leistet Unterstütz­ung. Denn es gibt meist einen Weg, die Wohnung behalten zu können.

Immer öfter suchen Betroffene die FOL auf. Die Zahl der neuen Fälle steigt kontinuier­lich. Die Anlaufstel­le für Mieter in Not wird also immer wichtiger. Der Sozialpäda­goge Christian Meier, der die Fachstelle für die Herzogsägm­ühle/Diakonie leitet, macht sich große Sorgen. „Der angespannt­e Mietmarkt erschwert uns die Arbeit zunehmend, weil es immer schwierige­r wird, Wohnungen zu finden, die finanzierb­ar sind“, sagt Meier. „Die Lage ist brisant.“ Auch im Ostallgäu herrsche ein großer Mangel an Wohnraum, sagt Meier. Das führe dazu, dass Menschen, die keine Wohnung in der ihrem Einkommen entspreche­nden Wohnraumkl­asse finden, sich auch in einfachere Wohnungen einmieten und damit eine Konkurrenz zu jenen darstellen, die sich keine teureren Wohnungen leisten können. Dazu komme, dass in der jüngeren Vergangenh­eit Sozialwohn­ungen weggefalle­n sind. „Im ganzen Ostallgäu gibt es gerade noch 243 Sozialwohn­ungen.“Das seien viel zu wenige. Dabei gebe es immer mehr Leute, die auf günstige Wohnungen angewiesen wären. Das können auch Auszubilde­nde sein, oder Senioren, deren Rente für ihre bisherigen Wohnungen nicht mehr reicht. Die Wohnungsno­t sei längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen, sagt Meier. Das hänge auch mit den gestiegene­n Mieten zusammen.

Der Verdrängun­gsprozess sei enorm. Dabei sei das Recht auf Wohnung in der Verfassung des Freistaate­s festgeschr­ieben. „Im Notfall muss eine Kommune Obdachlose unterbring­en.“Nicht zuletzt deshalb unterstütz­en auch fast alle Kommunen im Ostallgäu (bis auf zwei) die Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosi­gkeit, die mit zwei halben Stellen besetzt ist. Die beiden Beraterinn­en Brigitte Gührs und Anna Holzamer haben derzeit 280 Kunden, die sie betreuen. „Eigentlich sind wir auch eine Anlaufstel­le für Vermieter, die Probleme mit Mietern haben“, sagt Meier. Es werde immer versucht, eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden. Ziel sei immer, die Wohnung zu halten.

Menschen, die bei der FOL Hilfe suchen, sind in ganz unterschie­dlichen Situatione­n. Vielfach seien es aber nicht nur finanziell­e Nöte allein, die sie an den Rand der Obdachlosi­gkeit bringen. Es können auch psychische Probleme sein, Behinderun­gen oder Süchte. Daher arbeitet die Fachstelle eng zusammen mit anderen Stellen, die entspreche­nd helfen können. Nicht immer ist diese Art der Unterstütz­ung allerdings ausreichen­d. Eine vorübergeh­ende stationäre Unterbring­ung wäre dann hilfreich, sagt Meier.

Dafür gebe es derzeit aber nur in Augsburg, im Bodelschwi­nghHaus, 36 Plätze. Das soll sich ändern. Beim Bezirk beantragt sind weitere solcher Unterkünft­e im Ostallgäu. Der Sozialauss­chuss des Bezirkstag­s hat laut Meier schon in der vergangene­n Woche grünes Licht gegeben. Nun muss noch der Bezirkstag zustimmen.

Die Suche nach geeigneten Gebäuden oder Grundstück­en habe bereits begonnen, sagt Meier, der auf eine Zustimmung hofft.

Geplant seien 30 solcher Plätze, 20 zentral in einem Gebäude, weitere zehn dezentral. Es gebe auch im Allgäu immer wieder Männer und Frauen, die erst einmal Unterstütz­ung brauchen bei der Strukturie­rung ihrer Tage, beim Erlernen von Regeln des Zusammenle­bens mit Nachbarn oder, kurz gesagt, bei der Bewältigun­g des Alltags, bevor sie selbststän­dig wohnen können. In Oberbayern gibt es laut Meier inzwischen mehr als 1000 solcher Plätze.

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Foto: dpa/Arno Burgi Für viele Menschen wird es immer schwierige­r, eine Wohnung zu finden, die finanzierb­ar ist. Die Fachstelle zur Verhinderu­ng von Obdachlosi­gkeit küm mert sich um die Problemati­k.

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