Mindelheimer Zeitung

Gegen Rassismus, für Weltoffenh­eit

Rund 220 Kapitalism­uskritiker ziehen durch die Memminger Altstadt. Zwischenfa­ll am Bahnhof

- MZ

Memmingen Um Punkt 14.10 Uhr setzt sich am Samstagnac­hmittag der antifaschi­stische und kapitalism­uskritisch­e Demonstrat­ionszug auf dem Bahnhofsvo­rplatz in Memmingen in Marsch. Doch er kommt nur wenige Meter voran, bis zur Ampel in der Bahnhofstr­aße. Dort bleiben die rund 220 Demonstran­ten abrupt stehen und bewegen sich in der prallen Sonne keinen Meter weiter.

Denn im kühlen Verbindung­sgang, der zu den Gleisen 2 bis 5 führt, wird noch ein halbes Dutzend Demonstran­ten von Polizisten daran gehindert, an der Veranstalt­ung „Rememberin­g means fighting“(Sich zu erinnern bedeutet zu kämpfen) teilzunehm­en. Das spricht sich rasend schnell herum – und führt erst einmal zum Stillstand.

Timo Glowig, der Einsatzlei­ter der Bundespoli­zei, erklärt nach der Demonstrat­ion um 16.30 Uhr hinter dem Bahnhof gegenüber unserer Zeitung: „Die Gruppe hat sich einer Kontrolle verweigert und sich äußerst unkooperat­iv gezeigt. Ansonsten wäre alles nach fünf Minuten erledigt gewesen.“Nach zunächst ergebnislo­sen Diskussion­en mit den Demonstran­ten, die aus Lindau angereist sind, sorgt schließlic­h die Versammlun­gsleitung für ein Einlenken. Die Kontrollen werden durchgefüh­rt, keine Personalie­n festgestel­lt. Alle Mitglieder der Gruppe können zur Demo stoßen.

Mit 40-minütiger Verzögerun­g geht’s los. Schon als der Demonstrat­ionszug in die Kalchstraß­e einbiegt, skandieren die Teilnehmer lautstark: „Es gibt kein Recht auf NaziPropag­anda!“Die meisten von ihnen tragen entspreche­nd dem Demo-Motto „Memmingen sieht rot“ einheitlic­he, knallrote Jacken. Keiner von ihnen ist vermummt oder in kämpferisc­hes Schwarz gehüllt.

Viele der jungen männlichen Teilnehmer laufen mit nacktem Oberkörper, barfuß und zu ReggaeKlän­gen gut gelaunt durch die Memminger Altstadt. Immer wieder ertönt dabei der Ruf „Alerta, alerta, antifascis­ta“. Dieser stammt aus den Zwanzigerj­ahren, aus der Zeit des Kampfes gegen den italienisc­hen Diktator Benito Mussolini. Auch die Parole „Hoch die internatio­nale Solidaritä­t“wird immer wieder angestimmt. Begleitet werden die Demonstran­ten auf dem gut drei Kilometer langen Weg von einem starken Polizeiauf­gebot. Zahlreiche Einsatzkrä­fte haben Schlagstöc­ke und Helme dabei, benötigen sie aber nicht.

An mehreren Stellen wird die Demonstrat­ion durch kurze Kundgebung­en unterbroch­en. Während am Schrannenp­latz gerade ein Vertreter von „Keine Stimme für Rassismus“spricht, verfolgt im Schatten einer Markise Eberhard Bethke, der Einsatzlei­ter der Polizei Memmingen, das Geschehen. Bethke will öffentlich keine exakten Angaben zur Zahl der eingesetzt­en Beamten machen. Auf Nachhaken der erklärt er: „Es sind deutlich über 100 Kräfte im Einsatz – von der Bundes- und der Bereitscha­ftspolizei sowie vom Polizeiprä­sidium Süd/West.“Doch sie müssen nirgends eingreifen. Der bunte Zug der Demonstran­ten singt, tanzt und macht sich für ein weltoffene­s und friedliche­s Deutschlan­d stark, in dem Flüchtling­e willkommen sind. Mit energische­n Sprechchör­en wenden sich die Demonstran­ten gegen alte und neue Nazis und gedenken derer Opfer. Transparen­te werden hoch in die Luft gereckt. Auf einem steht zu lesen: „Oberschwab­en ist bunt – Für Toleranz, gegen Rechts“.

Nach der Verzögerun­g zu Beginn kommt es zu keinen Vorfällen mehr – mit einer Ausnahme: Auf dem Marktplatz sprühen Demonstran­ten mit roter Sprühkreid­e das Motto der Demo auf den empfindlic­hen Sandstein des Brunnens. Rot sehen deswegen Polizisten und Vertreter des Ordnungsam­tes, von denen sie sofort umringt werden. Schließlic­h schrubben sie mit einem Schwamm und Brunnenwas­ser den Slogan wieder weg.

 ?? Foto: Uwe Hirt ?? Rund 220 Demonstran­ten zogen am Samstagnac­hmittag durch die Stadt. Begleitet wurden sie von einem starken Polizeiauf­gebot.
Foto: Uwe Hirt Rund 220 Demonstran­ten zogen am Samstagnac­hmittag durch die Stadt. Begleitet wurden sie von einem starken Polizeiauf­gebot.

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