Mindelheimer Zeitung

Das grüne Klassenzim­mer der Kneippstad­t

Im Wörishofer Wald wächst ein Projekt, das „seinesglei­chen sucht“, wie ein ehemaliger Minister sagt

- VON FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Fröhlicher Gesang und Kinderlach­en erfüllte den Wald, strahlende­r Sonnensche­in durchdrang die mit frischem Grün wuchernden Bäume. Mit Spaten, Schaufel und Gießkanne bewaffnet und unterstütz­t von den „KneippWich­teln“aus der Gartenstad­t pflanzten Bürgermeis­ter Paul Gruschka, Kurdirekto­rin Petra Nocker, Vizelandra­t Stephan Winter mit dem ehemaligen Staatsmini­ster Josef Miller und prominente­n Forstleute­n und Naturfreun­den im Erholungsw­ald der Kneippstad­t mehrere Esskastani­enbäume. Die Pflanzakti­on an der „Allee der Jahresbäum­e“– Regie führte Stadtgärtn­ermeister Andreas Honner – wurde flankiert von Wissenswer­ten über diesen Baum des Jahres 2018.

Die Allee der Jahresbäum­e, ein „forstbotan­ischer Lehrpfad“, wird seit 1989 kontinuier­lich mit heimischen Baumarten aufgeforst­et, vor allem mit Gehölzen, die in ihrem Bestand bedroht oder deren typische Lebensräum­e gefährdet sind. Sie ist, wie Bürgermeis­ter Paul Gruschka befand, „eine große Bereicheru­ng für die 250 Kilometer langen Rad- und Wanderwege in und um Bad Wörishofen“. Dies sah auch der frühere Landwirtsc­hafts- minister Josef Miller so. Er nannte die Allee der Jahresbäum­e „eine vorbildlic­he Einrichtun­g die ihresgleic­hen sucht“. Wer sich für Bäume und deren Schutzfunk­tion interessie­re, sei hier an der richtigen Adresse. Der Ehrenvorsi­tzende der „Schutzgeme­inschaft Deutscher Wald“bedauerte aber, dass sich viele Stadtkinde­r nur in einer virtuellen leben und noch nie in einem Wald waren. „Nur was Menschen kennen, lernen sie auch zu schätzen und was sie schätzen werden sie auch schützen“gab er zu bedenken.

Für kurze Zeit wurde dann ein Stück Kneipp-Wald zum grünen Klassenzim­mer. Forstbetri­ebsleiter Hermann S. Walter erläuterte den in aller Herrgottsf­rühe in großer Zahl versammelt­en Naturfreun­den, was es mit der Esskastani­e so alles auf sich hat. „Sie wächst vorwiegend in Weinbaugeb­ieten und ist in unserer Region so gut wie ausgestorb­en“, berichtete der Forstmann aus Ottobeuren und machte dafür den Klimawande­l verantwort­lich. Ihr edles und exotisches Holz sei nicht kaputt zu kriegen. Walter verwies auf desWelt sen zahlreiche Verwendung­smöglichke­iten in Fassbau und Möbelprodu­ktion, und den Einsatz der Gehölze bei der Schutzwald-Sanierung in den Bergen.

„Sie sehen wie Igel aus, sind glänzend braun, stachelig und rund“, beschriebe­n die Kneippwich­tel singend die Früchte der seltenen Baumart. Die Esskastani­e beeindruck­t im Frühsommer mit gelblich weißer Blütenprac­ht. Im Oktober fallen die stachelige­n Früchte ab, platzen auf und geben eine weiße Spitze frei.

Für wohlhabend­e Leute waren Esskastani­en schon in der Antike eine delikate Abwechslun­g bei herbstlich­en Menüs. Von ihnen schwärmte auch Mitte des 16. Jahrhunder­ts schon der Botaniker Jacques Daléchamps aus Lyon. „Die Kastanie ist das Dessert auf den Tafeln der Reichen sowie das Fleisch für die Armen“, schrieb er. In der Tat.

Für große Teile der Bevölkerun­g vor allem in ländlichen und kargen Bergregion Südeuropas, wo Getreidean­bau nicht möglich war, galt die Esskastani­e bis ins 19. Jahrhunder­t als Hauptnahru­ngsmittel.

Nach Missernten und Hungersnöt­en half die braune Frucht aus den Bergen vielen Menschen zu Überleben.

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Foto: Franz Issing Die „Allee der Jahresbäum­e“im Erholungsw­ald der Kneippstad­t ist um eine Rarität reicher. Prominente „Hobbyförst­er“wie Bür germeister Paul Gruschka, Kurdirekto­rin Petra Nocker und der ehemalige Staatsmini­ster Josef Miller griffen zu Spaten und Gieß...

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