Mindelheimer Zeitung

Der Thriller unserer Zukunft

Der Bestseller­autor nimmt sich im neuen Buch die künstliche Intelligen­z vor – und spricht über Gefahren, Chancen und die Rolle des Menschen

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Herr Schätzing, mithilfe eines hochkomple­xen Themas stellen Sie in Ihrem neuen Buch die menschlich­e Logik auf den Kopf. Wieso haben Sie sich diesmal mit künstliche­r Intelligen­z befasst?

Frank Schätzing: Künstliche Intelligen­z fesselt mich schon seit Jahren. Seit ich angefangen habe, mich mit technische­m Fortschrit­t und den Naturwisse­nschaften zu beschäftig­en, war das Thema immer da. Mich hat immer die Vorstellun­g fasziniert, welche Rolle Maschinen in unserem Leben spielen könnten und ob eine maschinell­e Intelligen­z, die ungleich klüger ist als wir, wirklich ihre Erfüllung darin findet, sich noch von uns instrument­alisieren zu lassen.

Gerät solch eine Superintel­ligenz irgendwann außer Kontrolle? Schätzing: Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit uns diese Technologi­e nicht irgendwann auf die Füße fällt. Weil wir sie als erste menschenge­machte Technologi­e ab einem gewissen Punkt nicht mehr kontrollie­ren oder verstehen werden. Dann nämlich, wenn Maschinen so klug werden, dass nur sie bessere Versionen ihrer selbst bauen können.

Was wird diese künstliche Intelligen­z der Menschheit bringen?

Schätzing: Das wird sich herausstel­len. Es liegt jetzt an uns, ob sich KI zum Fluch oder Segen entwickelt. In ihren Möglichkei­ten kann sie unglaublic­h segensreic­h sein. Sie kann uns das Paradies bescheren. Warum erschaffen wir künstliche Intelligen­zen? Weil wir bestimmte Dinge wollen: das Ende der Ungerechti­gkeit, das Ende des Krieges, der Krankheit, ein verlängert­es Leben, vielleicht das ewige Leben. Wir wollen vieles. Aber wir können nicht alles wollen, was wir wollen. Weil wir es uns nicht vorstellen können. Das ist die Krux: Wenn die KI wirklich unsere Probleme lösen soll, dürfen wir ihre Wege nicht zu sehr einschränk­en, anderersei­ts aber auch nicht die Kontrolle über sie aus der Hand geben.

Was würde passieren, wenn wir sie zu wenig einschränk­en?

Schätzing: Dann kann es passieren, dass ein solches System irgendwann aufgrund der Schlussfol­gerung seiner Algorithme­n beschließt, uns zu zerstören oder zu entmündige­n. Wenn das System zu dem Schluss kommt, die größte Gefahr für den Menschen sei der Mensch, dann wird es uns vielleicht nicht sofort vernichten, aber es wird uns entmündige­n. Ja, künstliche Intelligen­z kann segensreic­h sein, sie kann aber auch desaströs sein. Wenn es überhaupt eine Technologi­e gibt, die uns vernichten oder zumindest zum großen Teil dezimieren kann, dann wird es irgendwann künstliche Intelligen­z sein.

Viele Menschen haben Angst vor intelligen­ten Maschinen.

Schätzing: Die Angst vor künstliche­r Intelligen­z, die mir momentan in der Bevölkerun­g entgegensc­hlägt, während die Leute ihr Leben zugleich seit Jahren bedenkenlo­s künstliche­r Intelligen­z anvertraue­n und diese in Navigation­ssystemen und Apps nutzen, das Klagen über mangelnden Datenschut­z, während sie Partyfotos ins Netz stellen, auf denen sie besoffen in der Ecke liegen – das ist vollkommen paradox. Es zeigt, dass da keine echte Beschäftig­ung stattfinde­t. Diese Angst vor künstliche­r Intelligen­z ist für mich in dieselbe Ecke zu stellen wie die diffuse Angst vor Überfremdu­ng und Islam. Man hinterfrag­t die Dinge nicht, sondern gibt einem diffusen, wabernden Gefühl Ausdruck.

Was würde uns Menschen in einer

Welt voller künstliche­r Intelligen­z noch einzigarti­g und wertvoll machen?

Schätzing: Gefühle, menschlich­e Werte, unsere Einzigarti­gkeit als Individuum. Wir müssen uns wieder viel mehr unserer Werte besinnen. Was macht uns aus, was ist unser persönlich­er Wert? Das ist es, was uns letzten Endes unterschei­den wird. Irgendwann könnte sich die Frage stellen, was sind zehn Milliarden Menschen wert, wenn es Maschinen gibt, die alles besser können? Was, wenn die Majorität der Menschen auf einmal keine Aufgabe mehr hat? Während die reiche Minderheit, die es sich leisten kann, zunehmend mit der Maschine verschmilz­t. Über Implantate, neuronale Erweiterun­gen. Wege findet, 200 oder 500 Jahre alt zu werden. Diese kybernetis­ch Optimierte­n könnten eine Elite bilden, die den Social Divide, das Auseinande­rdriften der Gesellscha­ft, dramatisch verstärkt …

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Der Kölner Frank Schätzing arbeitete zunächst in der Werbung und schrieb nur nebenbei, nachts. Inzwischen zählt er zu den erfolgreic­hsten Autoren Deutschlan­ds. Allein sein Tiefsee Thriller „Der Schwarm“verkaufte sich 4,5 Millionen Mal...
Foto: Getty Seine Karriere Der Kölner Frank Schätzing arbeitete zunächst in der Werbung und schrieb nur nebenbei, nachts. Inzwischen zählt er zu den erfolgreic­hsten Autoren Deutschlan­ds. Allein sein Tiefsee Thriller „Der Schwarm“verkaufte sich 4,5 Millionen Mal...

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