Mindelheimer Zeitung

Schon wieder ein „Tatort“mit abgetrennt­em Finger

Diesmal stammt er von Entführung­sopfer Charlotte Ritter. Aber kommt so etwas tatsächlic­h vor?

- VON PHILIPP KIEHL UND DANIEL WIRSCHING ARD„Tatort“, Foto: WDR, Thomas Kost

Augsburg Schon wieder ein in dem es um abgetrennt­e Gliedmaßen geht! Und um eine Entführung … Fällt den Machern wirklich nichts Originelle­res ein?

Aber zunächst einmal zurück zur Folge vom Sonntag, „Familien“, mit den Kölner Kommissare­n Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär): Von Entführung­sopfer Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) fehlt jede Spur. Dann taucht ein erster Hinweis auf – ein abgetrennt­er Finger, in einem Karton. Liegt vor der Tür der Familie Ritter. Rechtsmedi­ziner Dr. Joseph Roth, gespielt von Joe Bausch, untersucht das Fundstück: „Parallel verlaufend­e Schnittflä­chen von oben und unten.“Der Finger – vermutlich mit einer Gartensche­re abgetrennt. Ballauf und Schenk stehen mit gesenkten Köpfen daneben und folgen widerwilli­g Roths Ausführung­en. „Schau dir mal die Schnitträn­der an“, sagt Roth und hält eine Lupe hoch. Ballauf lehnt angeekelt ab.

Ja, immer wenn es ein bisschen ekelig und schaurig werden soll im „Tatort“, muss offenbar ein abgetrennt­er Finger her. Dieser übrigens gehörte, natürlich, Entführung­sopfer Charlotte Ritter.

Vor wenigen Wochen erst haben wir über die „Tatort“-Finger berichtet. Abgetrennt­e Finger durften Zuschauer zuletzt in den Folgen „Meta“(18. Februar 2018), „Zurück ins Licht“(22. Oktober 2017) und „Borowski und das dunkle Netz“(19. März 2017) bestaunen. Fragt sich nur: Warum? Schließlic­h rühmt sich der „Tatort“doch sonst so dafür, möglichst realitätsn­ah zu sein. Polizisten bestätigen das den Machern auch regelmäßig. Zumindest grundsätzl­ich – im Krimi dürfe ja ruhig etwas übertriebe­n werden.

Aber das mit den Fingern? Oliver Malchow, Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), hält das im Gespräch mit unserer Zeitung für „Fantastere­ien, die es nur im Spielfilm“gibt. In seiner Amtszeit im GdP-Bundesvors­tand und davor bei der Polizei in Schleswig-Holstein sei ihm ein vergleichb­arer Fall noch nicht untergekom­men. Vor 40 Jahren, sagt der 54-Jährige, habe es mal ein Sexualverb­rechen gegeben, bei dem der Täter sein Opfer verstümmel­t habe, ein Extremfall. Wenn überhaupt, dann habe die Polizei mit abgetrennt­en Gliedmaßen bei Verkehrsod­er Arbeitsunf­ällen zu tun. Das interessie­rt die „Tatort“-Macher jedoch offensicht­lich nicht so sehr.

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Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) vor ihrer Entführung – und noch mit allen ihren Fingern.

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