Schon wieder ein „Tatort“mit abgetrenntem Finger
Diesmal stammt er von Entführungsopfer Charlotte Ritter. Aber kommt so etwas tatsächlich vor?
Augsburg Schon wieder ein in dem es um abgetrennte Gliedmaßen geht! Und um eine Entführung … Fällt den Machern wirklich nichts Originelleres ein?
Aber zunächst einmal zurück zur Folge vom Sonntag, „Familien“, mit den Kölner Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär): Von Entführungsopfer Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) fehlt jede Spur. Dann taucht ein erster Hinweis auf – ein abgetrennter Finger, in einem Karton. Liegt vor der Tür der Familie Ritter. Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth, gespielt von Joe Bausch, untersucht das Fundstück: „Parallel verlaufende Schnittflächen von oben und unten.“Der Finger – vermutlich mit einer Gartenschere abgetrennt. Ballauf und Schenk stehen mit gesenkten Köpfen daneben und folgen widerwillig Roths Ausführungen. „Schau dir mal die Schnittränder an“, sagt Roth und hält eine Lupe hoch. Ballauf lehnt angeekelt ab.
Ja, immer wenn es ein bisschen ekelig und schaurig werden soll im „Tatort“, muss offenbar ein abgetrennter Finger her. Dieser übrigens gehörte, natürlich, Entführungsopfer Charlotte Ritter.
Vor wenigen Wochen erst haben wir über die „Tatort“-Finger berichtet. Abgetrennte Finger durften Zuschauer zuletzt in den Folgen „Meta“(18. Februar 2018), „Zurück ins Licht“(22. Oktober 2017) und „Borowski und das dunkle Netz“(19. März 2017) bestaunen. Fragt sich nur: Warum? Schließlich rühmt sich der „Tatort“doch sonst so dafür, möglichst realitätsnah zu sein. Polizisten bestätigen das den Machern auch regelmäßig. Zumindest grundsätzlich – im Krimi dürfe ja ruhig etwas übertrieben werden.
Aber das mit den Fingern? Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält das im Gespräch mit unserer Zeitung für „Fantastereien, die es nur im Spielfilm“gibt. In seiner Amtszeit im GdP-Bundesvorstand und davor bei der Polizei in Schleswig-Holstein sei ihm ein vergleichbarer Fall noch nicht untergekommen. Vor 40 Jahren, sagt der 54-Jährige, habe es mal ein Sexualverbrechen gegeben, bei dem der Täter sein Opfer verstümmelt habe, ein Extremfall. Wenn überhaupt, dann habe die Polizei mit abgetrennten Gliedmaßen bei Verkehrsoder Arbeitsunfällen zu tun. Das interessiert die „Tatort“-Macher jedoch offensichtlich nicht so sehr.