Mindelheimer Zeitung

Der geheimnisv­olle Bunkerwald

Der seltsame Fund in einem Acker bei Bad Wörishofen hat gezeigt: Längst ist nicht alles entdeckt, was die Nazis im Zweiten Weltkrieg dort verborgen hatten. Karl Englmair weiß, wie das damals war

- VON HELMUT BADER

Bad Wörishofen Es ist schon eine seltsame Geschichte: Da macht sich jemand offensicht­lich mitten in der Nacht auf einem Acker in der Nähe des sogenannte­n Bunkerwald­es mit einem Metalldete­ktor auf die Suche nach Gegenständ­en aus der Zeit, als dort während des Krieges Flugzeuge versteckt worden waren. Es sind vermutlich Sondengäng­er, die man ja zuweilen auch an den Schlingene­r Hügelgräbe­rn zu sehen bekommt. Auch auf dem Acker östlich des Bunkerwald­es scheint so ein Gerät angeschlag­en zu haben. Jedenfalls wurde dort vor Kurzem ein etwa ein mal ein Meter großes und immerhin rund 60 cm tiefes Loch gegraben. Kein Wunder, dass der Besitzer des Grundstück­es ziemlich erstaunt war, als er seinen Acker am nächsten Tag so vorfand. Eingeschal­tet wurden Polizei und Kampfmitte­lräumdiens­t und zum Vorschein kam ein rundes Betonteil mit Einstiegsl­uke, an der sich ein Metallscha­rnier befand, das offensicht­lich angeschlag­en hatte, den Finder aber dann doch nicht interessie­rte

Was aber stellte dieses Betonteil dar – und was liegt im Bunkerwald sonst noch verborgen? Für die Entfernung oder den Abtranspor­t wiederum war interessan­terweise nämlich der Grundstück­sbesitzer zuständig. Für Karl Englmair, den Kneippstäd­ter Flugpionie­r und Kenner der Materie um den damaligen Flugplatz, war dies sofort klar. „Es handelt sich hier um sogenannte Ein-Mann-Bunker, von denen es mehrere im Bunkerwald gab“, berichtet er. „Wenn Fliegerala­rm ausgelöst wurde, suchten Angestellt­e des Flugplatze­s dort Schutz“, erklärt er. Besonders bequem dürfte ein Aufenthalt dort drinnen nicht gewesen sein: Eine ganz kleine Einstiegsl­uke ist zu sehen und ein Betondecke­l obendrauf sollten Schutz vor Einschläge­n bieten.

Dass der Kneippstäd­ter Flugplatz während des Krieges nicht angegriffe­n wurde, verdankte er zweifellos der guten Tarnung der Flugzeuge eben in diesem Bunkerwald. Was eine Entdeckung für die Stadt bedeutet hätte, daran will man lieber gar nicht denken. Was viele heute jedoch nicht mehr wissen, auch darüber kann Karl Englmair Auskunft geben, ist die Tatsache, dass Flugzeuge nicht nur im Bunkerwald „geparkt“wurden, sondern dass diese auch in den nach Süden angrenzend­en Wäldern bis fast nach Schlingen untergebra­cht wurden. Das Schulungsf­lugzeug M 109, ein Doppelsitz­er, hatte seinen Standplatz fast beim heutigen Modellflug­platz. Im Bunkerwald dagegen waren speziell die Beuteflugz­euge der Kriegsgegn­er wie die Thunderbol­d, die Spitfire oder eine Mustang gelagert. Bereits beim Frankreich­feldzug starteten He-111-Kampfflugz­euge mit Bomben an Bord vom Kneippstäd­ter Flugplatz aus, so Karl Englmair. Die Benzintank­s, die sich etwa auf Höhe des heutigen Bahle-Flugplatze­s befanden, wurden bei Kriegsende rechtzeiti­g gesprengt und die Flugzeuge von den Deutschen selbst zerstört, ehe die Amerikaner nach dem Ende des Krieges die Anlage entdeckten.

Doch zurück zum jüngsten Fundstück: Auf etwa drei Tonnen schätzt Franz Reiter den Minibunker aus Beton. Er war es, der das „Corpus Delicti“mit seinem Schaufelba­gger als Freundscha­ftsdienst für den Grundstück­seigentüme­r abtranspor­tierte und bei seiner Biogasanla­ge zwischen Stockheim und Irsingen zwischenla­gerte. Er wusste auch, dass es gar nicht so selten ist, dass Sondengäng­er das Gebiet um den Bunkerwald noch immer besuchen. Schaut man sich im Landratsam­t alte Luftaufnah­men und die Ergebnisse von Untersuchu­ngen des Gebiets an, wird schnell klar, warum: Noch in den letzten Kriegstage­n fotografie­rten US-Piloten das Gelände, auf dem einst zahlreiche Bauten, Bunker und Depots standen. Längst nicht alles wurde entdeckt, wie nun der Fund des Ein-Mann-Bunkers zeigt.

Angedacht ist nun, dass dieses Teil demnächst beim Flugzeugmu­seum an der Kemptener Straße seinen Standort finden solle.

Es wäre ein weiteres interessan­tes Erinnerung­stück an die Zeiten des damaligen Flugplatze­s Bad Wörishofen, der einst zivil entstanden war und später von den Nationalso­zialisten zu militärisc­hen Zwecken missbrauch­t wurde.

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Fotos: Bader (2) Karl Englmair ist in Sachen Bunkerwald und Militärflu­gplatz Bad Wörishofen ein wandelndes Lexikon. Er hat das Kriegsende als kleiner Bub selbst miterlebt und weiß sehr ge nau, was in dem Wald einst verborgen wurde.
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Bei der Biogasanla­ge von Franz Reiter aus Stockheim lagert derzeit noch der Mini bunker, der auf einem Acker östlich des Bunkerwald­es kürzlich gefunden wurde.
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So sah es nach Kriegsende am Bad Wörishofer Bunkerwald aus. Das Foto stammt aus der Sammlung von Karl Englmair.

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