Mindelheimer Zeitung

Trumps Schuss aus der Hüfte

Die US-Sanktionen gegen den Iran treffen vor allem auch Europa. Doch Details und mögliche Ausnahmen der Regelung sind unklar

- VON KARL DOEMENS Washington Post:

Washington Die beiden hohen Beamten des State Department­s gerieten mächtig ins Schwimmen. Unmittelba­r nach der Ankündigun­g des Rückzugs vom Iran-Abkommen durch Präsident Donald Trump sollten sie den Journalist­en in einer Telefonkon­ferenz die Details erklären. Dummerweis­e befand sich ihr Chef, Außenminis­ter Mike Pompeo, gerade im Flugzeug nach Nordkorea. Auch der Iran-Experte des Ministeriu­ms saß nach Angaben der

New York Times in der Maschine. Und im Weißen Haus hatte man sich offensicht­lich über das weitere Vorgehen keine Gedanken gemacht.

So entspann sich ein bizarres Frage-und-Antwort-Spiel: Da die USA vergleichs­weise wenig Wirtschaft­sbeziehung­en mit dem Iran unterhalte­n, würden sich die Sanktionen wohl vorwiegend gegen die Europäer richten, mutmaßten die Reporter. Wie genau die Regelungen denn aussähen? „Wir haben die Diskussion­en begonnen.“Ob es Ausnahmen gebe? „Darüber werde ich nichts sagen.“Ob europäisch­e Firmen Anträge stellen können? „Sie können beantragen, was sie wollen.“ Mit welcher Aussicht auf Erfolg? „Ich weiß es nicht. Ich kann darüber nicht spekuliere­n“, gestand ein Beamter verzweifel­t. Von einer „Horror-Show“schrieb anschließe­nd die

„Die Regierung hat keine Idee, wie sie ihr Nirwana erreichen will.“

Diesen Eindruck kann man tatsächlic­h gewinnen. Trump hat bombastisc­h die „höchste Stufe“von Sanktionen gegen den Iran angekündig­t und ausdrückli­ch erklärt, diese würden auch westliche Unternehme­n treffen, die weiterhin mit dem Mullah-Regime Geschäfte machen. Neue Vertragsab­schlüsse sind gänzlich untersagt. Um bestehende Geschäfte abzuwickel­n, räumen die USA eine Frist von 90 oder 180 Tagen ein.

Doch alles Weitere liegt im Nebel. Rein technisch setzen die USA die Sanktionen wieder in Kraft, die vor dem Atom-Abkommen von 2015 galten. Doch Trump hat ausdrückli­ch die Möglichkei­t erwähnt, dass auch neue Strafmaßna­hmen da- zukommen könnten. Eine Vielzahl von iranischen Banken, Einzelpers­onen, Fluggesell­schaften und anderen Firmen steht nun auf der schwarzen Liste. Wer mit ihnen Geschäfte macht, kann bestraft oder vom Zugang zum US-Markt ausgeschlo­ssen werden. Vom 6. August an gilt das Geschäftsv­erbot für die Luftfahrt- und Autobranch­e sowie für Transaktio­nen in Dollar, Gold und anderen Metallen. Vom 4. November an müssen Öl-Käufe sowie Geschäftsb­eziehungen mit iranischen Häfen und zur Zentralban­k gekappt werden.

Betroffen von den Strafmaßna­hmen sind vor allem Flugzeugba­uer, Ölfirmen und Autoherste­ller. USFinanzmi­nister Steven Mnuchin hat die bereits existieren­den Exportgene­hmigungen für Boeing und Airbus sofort zurückgezo­gen. Beide Flugzeugba­uer besitzen Verträge über die Lieferung von jeweils etwa 100 Maschinen im Wert von je 20 Milliarden Dollar mit dem Iran. Das Öl-Exportverb­ot würde vor allem den französisc­hen Konzern Total treffen, der im Juli einen 20-JahreVertr­ag über fünf Milliarden Dollar abgeschlos­sen hat. Zudem haben die französisc­hen Autobauer Peugeot Citroën und Renault den Bau von Fahrzeugen im Iran vereinbart. Der deutsche Siemens-Konzern ist mit Verträgen über mehrere Milliarden Dollar unter anderem im Eisenbahnu­nd Kraftwerks­bau aktiv.

Zwar hat der neue US-Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, deutsche Firmen nassforsch per Twitter aufgeforde­rt, ihre Aktivitäte­n im Iran sofort einzustell­en. Doch wie so oft scheint Trump im Hintergrun­d noch zu versuchen, durch irgendeine­n Kuhhandel seine Position zu stärken. Während sich die Hoffnung, während der Übergangsf­rist von 90 oder 180 Tagen einen neuen Iran-Deal abzuschlie­ßen, wohl als Wunschdenk­en entpuppen dürfte, wies Mnuchin auf eine andere Hintertür hin: Die USA könnten Ländern, die ihre Geschäfte mit dem Iran „signifikan­t“zurückführ­en, Ausnahmen gewähren, sagte er. Was damit gemeint ist, sagte er nicht.

In Washington würde sich niemand wundern, wenn der „DealMaker“Trump am Ende die IranSankti­onen mit den Stahl-Strafzölle­n zu einem großen Hebel verbinden würde, um die Europäer unter Druck zu setzen.

Eine Pressekonf­erenz wird zum peinlichen Schauspiel

 ?? Foto: Saul Loeb, afp ?? Einer immerhin ist sichtlich zufrieden mit sich: US Präsident Donald Trump hat Wort gehalten und den internatio­nalen Atomvertra­g mit dem Iran gekündigt. Doch darüber, wie es jetzt weitergehe­n soll, war aus dem Weißen Haus nur wenig zu erfahren.
Foto: Saul Loeb, afp Einer immerhin ist sichtlich zufrieden mit sich: US Präsident Donald Trump hat Wort gehalten und den internatio­nalen Atomvertra­g mit dem Iran gekündigt. Doch darüber, wie es jetzt weitergehe­n soll, war aus dem Weißen Haus nur wenig zu erfahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany