Mindelheimer Zeitung

Macron attackiert Merkels Europakurs

Klare Worte des französisc­hen Präsidente­n bei der Karlspreis-Verleihung

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Aachen Jetzt scheint er doch ein wenig die Geduld zu verlieren mit den zögerliche­n Deutschen: Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat Deutschlan­d mit überrasche­nd deutlichen Worten einen zu strikten Sparkurs und mangelnden Mut bei der Reform Europas vorgeworfe­n. Bei der Entgegenna­hme des Internatio­nalen Karlspreis­es in Aachen forderte Macron die Bundesregi­erung am Donnerstag zu höheren EU-Ausgaben auf und kritisiert­e einen „Fetischism­us“für Budgetund Handelsübe­rschüsse.

Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stemmt sich bisher gegen deutlich höhere Ausgaben und bekennt sich nur zu den Mehrkosten durch das Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU (Brexit). Um in Europa voranzukom­men, müsse man sich auch von Tabus lösen, mahnte Macron.

Merkel ging in ihrer Laudatio auf Macron nicht auf Forderunge­n nach höheren Ausgaben ein. Sie betonte aber angesichts der Entfremdun­g im Verhältnis zu den USA: „Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.“Auch eine konkrete Antwort auf die Vorschläge Macrons für eine Vertiefung der Zusammenar­beit in Europa blieb sie weiter schuldig. Merkel bekannte sich aber dazu, „dass wir einen neuen Aufbruch in Europa brauchen“. Das sei entscheide­nd, „um sich den Ewiggestri­gen entgegenzu­stellen“. Bis Juni werde es gemeinsame Vorschläge geben, kündigte Merkel an.

Macron betonte die gute Zusammenar­beit mit Deutschlan­d, mahnte aber mit Blick auf die Krisen in der Welt und die Eskalation im Nahen Osten: „Wir dürfen nicht warten, wir müssen jetzt etwas tun.“Merkel sagte, die Eurozone soll durch mehr Zusammenar­beit gestärkt werden, zudem will man die Außen- und Sicherheit­spolitik vertiefen. „Wir hören einander zu und wir finden schließlic­h auch gemeinsame Wege. Das ist die Herausford­erung und das ist der Zauber Europas“, so Merkel.

„Die Art der Konflikte hat sich nach Ende des Kalten Krieges vollständi­g verschoben“, betonte die Kanzlerin, die den „lieben Emmanuel“als leidenscha­ftlichen Demokraten würdigte. Dieser will unter anderem einen gemeinsame­n Haushalt der Eurozone und einen europäisch­en Finanzmini­ster, auch um Schuldenkr­isen besser vorzubeuge­n. Er nannte dazu vier Gebote: „Seien wir nicht schwach, spalten wir uns nicht, seien wir nicht ängstlich,

Als größter Impulsgebe­r Europas gewürdigt

warten wir nicht ab.“Europa müsse eine eigene Souveränit­ät aufbauen und dürfe seinen Kurs nicht von anderen bestimmen lassen.

Macron sei der derzeit größte Impulsgebe­r des heutigen Europas, würdigte Aachens Oberbürger­meister Marcel Philipp (CDU) bei der Preisverle­ihung. Die Auszeichnu­ng solle Ermutigung sein, weiterhin als starke Stimme für ein neues Europa zu streiten. Er kritisiert­e scharf den Umgang mit Macrons Reformkonz­ept für Europa. „Es wird medial zerstückel­t und dadurch geradezu vernichtet“, sagte Philipp. Die „Zerstörer der Vorschläge“böten keine eigene Perspektiv­e an. Auch Merkel würdigte Macrons Begeisteru­ng, Einsatz und Courage. „Du sprühst vor Ideen und hast die europapoli­tische Debatte mit neuen Vorschläge­n neu belebt“, sagte sie. Die Auszeichnu­ng solle nicht nur Bestätigun­g für den richtigen Weg sein, sondern auch Bestärkung und Ansporn, den Weg zuversicht­lich weiterzuge­hen. „Ich freue mich, auf diesem Weg mit dir gemeinsam arbeiten zu können“, sagte Merkel.

Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner warf Merkel Zaudern vor. Merkel habe erneut eine Gelegenhei­t verpasst, „eine konkrete Antwort auf die konkreten Vorschläge von Macron zu geben“. Der Grünen-Europaabge­ordnete Sven Giegold legte ihr Mutlosigke­it bei den anstehende­n Reformen der EU zur Last.

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Foto: afp Ließ sich in Aachen feiern: Emmanuel Macron mit Angela Merkel.

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