Mindelheimer Zeitung

Strip Klub statt Sozialwohn­ungen?

Ein Mai-Scherz sorgt im Westallgäu für Aufregung. Unbekannte kündigten auf Plakaten die Eröffnung eines Etablissem­ents an. Warum das längst nicht alle lustig finden

- VON ANJA WORSCHECH

Hergenswei­ler Die Leiterin des Landhaus „Sonne“in Hergenswei­ler im Westallgäu war schockiert über das rote Plakat, das sie am 1. Mai an der Eingangstü­r des Gasthofes hängen sah. Darauf wurde die Neueröffnu­ng eines Strip-Klubs namens „Crazy-Horse“angekündig­t, Frauen in Unterwäsch­e rekelten sich darauf in knappen Dessous. Darunter stand ein Mitarbeite­r-Gesuch mit dem Hinweis: „Damen aus Hergenswei­ler, die ihr Haushaltsg­eld aufbessern wollen, werden bevorzugt.“Darunter waren zwei Telefonnum­mern abgedruckt, unter anderem von dem Besitzer der „Sonne“. Am Rathaus und am Ortseingan­g fanden sich zwei weitere Plakate dieser Art. Der diesjährig­e Mai-Scherz sorgte für Aufregung im Dorf. Einige fanden die Aktion lustig, andere sahen eine Grenze deutlich überschrit­ten.

Bei Roland Hansmann, Besitzer der „Sonne“hat niemand angerufen, der das Stellenges­uch auf dem Plakat wörtlich genommen hat. „Wenn man aufgewachs­en ist, dann kennt man das schon. Solche Scherze darf man nicht ernst nehmen.“

Die Leiterin der „Sonne“, AnnKathrin Wibberenz, hat dagegen erst hinterher erfahren, dass die PlakatAkti­on als Mai-Scherz gedacht war. Sie stammt ursprüngli­ch aus Heidelberg und arbeitet seit Anfang des Jahres in Hergenswei­ler. Lachen konnte sie über den Scherz trotzdem nicht. Das sei rufschädig­end. „Da fühlen sich die Gäste nicht mehr wohl.“Tradition hin oder her. In ihren Augen haben solche Scherze Grenzen. Auf eine Anzeige hat sie aber verzichtet. „Ich lasse das jetzt gut sein.“

Die Betreiberi­n eines Thai-Massage-Salons im Ort verstand in dieser Sache jedoch keinen Spaß. Sie fand ein ähnlich anrüchiges, zweideutig­es Plakat an ihrem Laden und meldete das der Polizei. Die ermittelt nun ge- gen den Verursache­r wegen „Verleumdun­g auf sexueller Grundlage“.

Bereits in den vergangene­n Jahren hatten die Hergenswei­ler ungewöhnli­che Mai-Scherze organisier­t. Beispielsw­eise als sie ein Bushäusche­n in ein Wohnzimmer verwandelt­en. Denn dort hockte von früh bis spät immer ein im Dorf bekannter Trinker. Viele dieser Scherze sind auch als politische Seitenhieb­e zu verstehen. So stellten Unbekannte vor einigen Jahren Hundeklos im Ort auf, um auf das Versäumnis der Gemeinde aufmerksam zu machen, Abfallbehä­lter für Hundekot zu organisier­en. Dabei bewiesen die Unbekannte­n Fleiß und Kreativitä­t. Am Rathaus durften die Hunde noch in altem Stil verfahren. Dort harrte ein erschöpfte­r Bauhofarbe­iter mit Eimer, Besen und Schaufel der Dinge, die da kommen. Sie bauten aber auch ein Bretterhäu­schen mit Herz, stellten den klassische­n Donnerbalk­en und ein Dixi-Klo auf – ein kritischer Wink in Richtung Gemeinde.

Das Landhaus „Sonne“in Hergenswei­ler ist ebenfalls ein viel dishier kutiertes Thema im Ort – sowohl unter den Dorfbewohn­ern als auch im Gemeindera­t. Denn dort plant Investor Andreas Decker von „BodenseePr­ojekte“Sozialwohn­ungen. Über den Mai-Scherz ist Decker in dieser sensiblen Projekt-Phase sehr verärgert: „Das ist schwerwieg­end geschäftss­chädigend“, sagt er. Decker fürchtet, dass dadurch Projektpar­tner und Investoren abspringen könnten.

Decker plant bezahlbare, familienge­rechte Wohnungen. Er könnte sich auch eine Senioren-WG in den Räumen der „Sonne“vorstellen. Doch der Gemeindera­t stimmte bisher gegen seinen Plan. Die Bedenken des Gremiums und des Bürgermeis­ters Wolfgang Strohmaier: Der Umbau der „Sonne“mache über 50 Autostellp­lätze nötig. Die Gemeinderä­te sorgen sich dadurch um den Erhalt der Dorfmitte. Decker kann sich vorstellen, die Zahl der Wohnungen auf 22 zu reduzieren. Den Dorfcharak­ter will er erhalten. Der MaiScherz sei dagegen ein heftiger Seitenhieb gegen das Projekt, findet Decker.

Die Polizei ermittelt wegen „sexueller Verleumdun­g“

Newspapers in German

Newspapers from Germany