Mindelheimer Zeitung

Was sind den Deutschen ARD und ZDF wert?

Der Streit über die Höhe des Rundfunkbe­itrags und über Einsparmaß­nahmen bei den Sendern wird immer heftiger. Fest steht wohl: Für die Zuschauer wird es ab 2021 teurer

- VON TILMANN P. GANGLOFF UND DANIEL WIRSCHING

Die öffentlich-rechtliche­n Sender sprechen gern von „Beitrag“. Was die offizielle Bezeichnun­g für den wenig beliebten Rundfunkbe­itrag ist, aber eben auch etwas freundlich­er klingt als Rundfunkge­bühr. Auch „Beitragsse­rvice“klingt besser als Gebührenei­nzugszentr­ale (GEZ) – wie es noch vor 2013 und der Umstellung auf eine Haushaltsa­bgabe hieß. Jeder Haushalt sorgt seitdem mit derzeit 17,50 Euro pro Monat dafür, dass ARD, ZDF und

Deutschlan­dradio Fernseh- und Hörfunkpro­gramme anbieten können. Unterm Strich kommen auf diese Weise mindestens 7,5 Milliarden Euro pro Jahr zusammen.

Erstmals seit fünf Jahren werden übrigens gerade die Daten aus den Einwohnerm­eldeämtern mit denen des Beitragsse­rvices, der im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio den Rundfunkbe­itrag einzieht, abgegliche­n – Stichtag ist der 6. Mai. So will man Schwarzseh­er erwischen. Diese könnten dann schon im Juli Post erhalten.

Der Verdruss, den es über den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk gibt, lässt sich ebenfalls exakt erfassen. Einer repräsenta­tiven Civey-Umfrage zufolge, über die der Tagesspieg­el am Sonntag berichtete, würden 42 Prozent der Befragten nichts für ihn zahlen. 19,4 Prozent können sich einen Betrag zwischen sechs und zehn, 13,7 Prozent zwischen einem und fünf Euro vorstellen. Die Meinungsfo­rscher wollten wissen: „Wie viel würden Sie monatlich pro Haushalt für den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk bezahlen, wenn Sie selbst entscheide­n könnten?“AfDWähler seien mit 61,5 Prozent das größte Klientel der „Nichts-Zahlen-Woller“, Grünen-Wähler mit 24,3 Prozent das kleinste.

Kurz zuvor wurden Zahlen einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage – im Auftrag der Mediengrup­pe RTL – bekannt. Demnach findet mit 48 Prozent nur knapp die Hälfte der Befragten, dass ARD und ZDF ihren Programmau­ftrag gut oder sehr gut erfüllen. Und nur 42 Prozent meinen, das Programm der Öffentlich-Rechtliche­n sei besser als das der anderen Sender. Immerhin: 44 Prozent der Befragten halten den Rundfunkbe­itrag für angemessen.

Dennoch sind es Zahlen, die den Sender-Verantwort­lichen, die einen höheren Rundfunkbe­itrag fordern, zu denken geben müssten. Dass der von 2021 an steigen dürfte, ist wahrschein­lich – allen Forderunge­n von Politikern nach massiveren Einspa-

zum Trotz. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten (KEF) rechnete schon 2016 vor, dass der Beitrag auf rund 19 Euro steigen müsse, wenn sich an den Strukturen in den Sendern nichts ändere. Auf Druck der Bundesländ­er haben ARD und

ZDF daher vor einigen Monaten ein Reformkonz­ept vorgelegt. Die Sparvorsch­läge bezogen sich in erster Linie auf die Bereiche Verwaltung, Technik, Datenverar­beitung und Produktion. Auf diese Weise sollen bis 2028 1,3 Milliarden Euro gespart werden. Doch selbst inklusive der in der laufenden Beitragspe­riode erwirtscha­fteten Überschüss­e sowie vorhandene­r Rückla-

gen reicht das laut KEF nicht aus, um den Beitrag stabil zu halten. Sie geht nun sogar von einer Erhöhung um 1,70 Euro pro Monat auf 19,20 Euro ab 2021 aus.

Die KEF-Sachverstä­ndigen kritisiert­en unter anderem, dass die Sender nicht bei Programm und Personalko­sten sparen wollten, und kündigten an, die Ausgaben für die Sportberic­hterstattu­ng zu prüfen. Auch die Ministerpr­äsidenten forderten wiederholt stärkere Sparbemühu­ngen. Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten.

SWR-Intendant Peter Boudgoust sagte am vergangene­n Donnerstag: „Die Position der Länder ist, dass wir auch Vorschläge zur Reduzierun­gen

rung von Programm machen.“Das sei aber nicht vereinbar mit „unserem Selbstvers­tändnis“und „dem Verständni­s unseres Auftrages“. Alle Programme seien nachgefrag­t, alle Programme seien beauftragt vom Gesetzgebe­r. Äußerungen vonseiten der KEF lösten innerhalb der Sender und ihrer Gremien Empörung aus. So forderte der Vorsitzend­e des Rundfunkra­ts des Bayerische­n Rundfunks (BR), Lorenz Wolf, in einem Gastbeitra­g für den Fachdienst „epd medien“eine „ehrliche Debatte“. Dass der öffentlich­rechtliche Rundfunk viel zu teuer sei und sorglos mit dem Geld anderer Leute umgehe, sei Stimmungsm­ache. Die Debatte dürfe nicht bei den Finanzen ansetzen, sondern müsse zwingend vom gesetzlich­en Auftrag des Rundfunks ausgehen. Dieser besteht darin, ein frei zugänglich­es, vielfältig­es Programm aus Informatio­n, Bildung, Beratung und Unterhaltu­ng zu bieten.

Wolfs Debattenbe­itrag lässt sich in anderen Worten so zusammenfa­ssen: Was soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten? Und wie viel ist das der Gesellscha­ft wert?

Die unabhängig­en Fachleute der KEF jedenfalls sollten sich, meint Wolf, auf „eine fachliche Überprüfun­g und Ermittlung des Finanzbeda­rfs“der Sender beschränke­n – und nicht Programman­gebote bewerten. Auch der Rundfunkra­t des SWR oder der Verwaltung­srat des NDR begreift die Sparvorsch­läge als Eingriff in die Programmau­tonomie. Der Fernsehrat des ZDF forderte Intendant Thomas Bellut ausdrückli­ch auf, keine Vorschläge zur Beschränku­ng des Programman­gebots zu unterbreit­en. Das ZDF muss bereits aufgrund einer KEF-Vorgabe seinen Personalbe­stand bis Ende 2020 um rund zehn Prozent, also um rund 560 Stellen, senken. Weitergehe­nde Einsparung­en hätten laut Bellut Konsequenz­en für die Programmqu­alität, weshalb sich „zurzeit seriös keine weiteren Maßnahmen identifizi­eren“ließen. So sieht es auch Ulrich Wilhelm, BR-Intendant und seit Januar ARD-Vorsitzend­er. Er betont immer wieder, das umfassende öffentlich-rechtliche Angebot habe seinen Preis.

Das letzte Wort in der zunehmend heftig geführten Debatte über den Rundfunkbe­itrag haben jedoch Medienpoli­tiker – wie die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer in ihrer Funktion als Vorsitzend­e der Rundfunkko­mmission der Länder. Bei der letzten Sitzung der Kommission Ende Januar haben fünf Bundesländ­er, darunter Bayern und BadenWürtt­emberg, angekündig­t, dass sie eine „Neufassung der Beauftragu­ng der öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten“wünschen.

Nach ihren Vorstellun­gen sollen die Sender von 2021 an ein Jahresbudg­et erhalten, aber in größerem Maße als bisher selbst bestimmen, wie sie diese Mittel einsetzen. Ein den Sendern zugewiesen­es Finanzbudg­et, erklärte das Branchenma­gazin Medienkorr­espondenz, könnte zudem indexiert werden, „also beispielsw­eise in Höhe der jährlichen Inflations­rate ansteigen, sofern die KEF einen solchen Teuerungsa­usgleich für gerechtfer­tigt hielte“. Die Ministerpr­äsidenten wollen am 14. Juni darüber sprechen, heißt es.

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