Der Mann, der die Haut schöner macht
Die Augsburger Firma Dr. Grandel ist weltweit bekannt für ihre Kosmetikprodukte. Dass das so ist, hängt mit besonderen Erfindungen und außergewöhnlichen Marketingmaßnahmen zusammen
Augsburg Vorsichtig dreht Michael Grandel den Deckel eines dunkelblau glänzenden Cremetiegels zu. „Hören Sie das?“, fragt er. „Das leise Knacken? Das ist ein Flüstertiegel“, erklärt er. Dann lächelt er spitzbübisch, stellt die Creme ganz sachte zurück auf den Tisch des Konferenzzimmers und wartet sichtlich gespannt auf die Reaktion seines Gegenübers. Dass sich Michael Grandel derart für die besondere Verpackung einer Kosmetik begeistern kann, wirkt aufs Erste ein wenig befremdlich. Doch in seinem Fall ist das Interesse an Tiegeln, Tuben und Ampullen unabdingbar. Michael Grandel leitet als geschäftsführender Gesellschafter das weltweit aktive Augsburger Kosmetikunternehmen „Dr. Grandel“.
Für den außergewöhnlichen Tiegel, den Grandel stolz präsentiert und den es in dieser Art nur bei Grandel gibt, hat der Firmenchef den Betrag in der Größenordnung eines Einfamilienhauses in die Entwicklung investiert. „Die Kosmetikbranche ist stark innovationsgetrieben. Sie müssen sich immer etwas Neues einfallen lassen und nah an den Bedürfnissen der Kunden arbeiten“, erklärt der 64-Jährige überzeugt.
Dass Michael
Grandel voll und ganz hinter seinen Produkten steht und Sinn für das
Schöne hat, nimmt man ihm sofort ab.
Er verkörpert diese Einstellung regelrecht. Zu unserem Gespräch kommt er in einem in mehreren Blautönen karierten Anzug. Eines der über 40, teils außergewöhnlichen Modelle, die der Geschäftsmann in seinem Kleiderschrank hat. Je nach Terminlage trägt er bis zu zwei verschiedene Outfits mit den dazu passenden Accessoires am Tag. Jedes davon passt zu ihm, keines wirkt arrangiert. Dazu erzählt Grandel, habe er wohl mehr Kosmetikprodukte in seinem Bad stehen, als die meisten Frauen. „Was ich nicht selbst getestet habe, geht auch nicht raus“, argumentiert der Geschäftsmann, der sich als „nicht eitel“sondern als „emanzipierten Gentleman“bezeichnet.
Wie oft Grandel Gelegenheit hat seine eigenen Kosmetika zu testen, zeigt ein Blick auf die Produktion: In der Beautyness-Manufaktur in Augsburg werden 500 exklusive Rezepturen nach pharmazeutischen
hergestellt. Rund 1000 Produkte hat Grandel im Sortiment. Weil diese für den professionellen Einsatz vorgesehen sind, gibt es die Ware weder im Supermarkt noch in der gewöhnlichen Drogerie. Die Kosmetik geht an Reformhäuser, Naturshops, Apotheken, Kosmetikstudios, Spas und ausgesuchte Fachhändler. Dazu betreibt das Unternehmen zwei Onlineshops für Kunden im In- und Ausland. In 50 Ländern ist Dr. Grandel mit seinen Produkten vertreten. Rund 10 000 Kosmetikinstitute setzen Grandel-Pro-
dukte bei ihren Behandlungen ein. Der Nettoumsatz des Unternehmens, das 240 Mitarbeiter beschäftigt, wird in diesem Jahr geschätzt rund 50 Millionen Euro betragen.
Dass Grandel diesen Erfolg hat, hat mehrere Gründe, hängt aber stark mit dem guten Gespür für moderne Vertriebs- und Marketingmodelle zusammen. Während mancher Firmenchef der Digitalisierung skeptisch gegenübersteht, ist Michael Grandel gar ein richtiger Fan der neuen Möglichkeiten. „Die flächendeckende Verbreitung des InStandards
ternets hat uns Anfang der 90er Jahre sehr geholfen. Bis dato waren wir in den Nischen Reformhaus und Apotheke fast versteckt. Dann konnte uns jeder sehen“, erzählt er. Modernes Marketing sei daher für Unternehmen wie das seine „genial“. Die Entwicklung ermögliche immer neue, immer stärker auf den Kunden zugeschnittene Geschäftsmodelle. „Wenn ich genauer darüber nachdenke, fallen mir gleich jetzt wieder 20 neue Ideen ein, was wir machen könnten“, so Grandel euphorisch.
Geerbt hat er das Talent und den Mut für besondere Marketing-Methoden offenbar vom Vater. Felix Grandel hatte die Firma 1947 gegründet – damals unter dem Namen Keimdiät GmbH. Weil seine Produkte, es waren Nahrungsergänzungsmittel, in der Nachkriegszeit weniger Anklang fanden als gewünscht, schaltete Felix Grandel Ende der 50er Jahre von seinem letzten Geld Werbeanzeigen auf der Titelseite der Bildzeitung. „Das war mehr als mutig und letztlich der Durchbruch“, erzählt Sohn Michael heute. Auch der Forscherdrang seines Vaters imponiert ihm bis jetzt. 1958 nämlich erfand Felix Grandel Epigran. Ein multiaktives Wirkstoffkonzentrat, das die Haut unmittelbar strafft und liftet. Noch heute ist es wesentlicher Bestandteil vieler Grandel-Kosmetik-Produkte und hat dem Unternehmen die Tür auf den Weltmarkt geöffnet. Die Rezeptur und das Herstellungsverfahren sind einzigartig und geheim.
Damit der Unternehmenserfolg anhält, setzt Michael Grandel die Tradition aus Forschung und modernen Werbeaktionen fort. Jüngst wurde das Schneealgenextrakt entwickelt. Ein Stoff, der für die Reproduktion der Haut sorgt und so als Verjüngungskur eingesetzt wird. Acht Innovationspreise hat das Unternehmen hierfür erhalten und das Produkt wird – wie kann es anders sein – ganz modern vermarktet: Beautyblogger berichten im Internet über das Elixier und Frauenzeitschriften wie oder
schreiben darüber. Michael Grandel erzählt davon, als sei das völlig normal.
Doch Marketing allein ist nicht das Allheilmittel. Damit das Unternehmen erfolgreich bleibt, baut Michael Grandel die Produktionskapazitäten an der Friedberger Straße aus und investiert 10 Millionen Euro in neue Maschinen, die Modernisierung der Produktion und weitere Gebäude. Im August soll eröffnet werden. „Wir sind zu diesem Wachstum verdammt. Es kommen immer mehr Kosten auf uns zu, die wir nur finanzieren können, wenn wir mehr absetzen“, begründet Grandel seine Strategie und sorgt damit auch ein Stück für die dritte Generation vor. Während seine Tochter Ariane bereits im Unternehmen tätig ist, wird demnächst auch sein Neffe Gabriel Duttler in die Geschäftsleitung einsteigen. Die beiden sollen dann dafür sorgen, dass auch künftig kaum ein Kosmetikstudio an den Grandel-Produkten made in Augsburg vorbeikommt.