Mindelheimer Zeitung

Trumps Arm reicht bis zur Zapfsäule

Noch sind die Konjunktur­aussichten für Deutschlan­d positiv. Doch immer neue Hiobsbotsc­haften aus den USA werden nicht nur Autofahrer zu spüren bekommen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Krise schien in den vergangene­n Jahren in Deutschlan­d ein Fremdwort zu sein. Konjunktur­ell ging es immer aufwärts – ob für Export-Firmen oder Handwerksb­etriebe. Bis vor wenigen Monaten wirkte die positive Grundstimm­ung intakt – und das trotz Donald Trump, des Chef-Unruhestif­ters im Amt des US-Präsidente­n.

Doch die deutsche Trotzköpfi­gkeit könnte an Wirkungskr­aft verlieren, wenn der Amerikaner seine Drohungen Wirklichke­it werden lässt. Schon jetzt stehen die positiven Konjunktur­prognosen für 2018 und 2019 unter Trump-Vorbehalt. Das liegt nicht nur an den drohenden US-Strafzölle­n auf Aluminium und Stahl. Der lange Arm des US-Präsidente­n reicht bis an die Zapfsäulen. Indem Trump das Atomabkomm­en mit dem Iran aufgekündi­gt hat, macht er die Akteure an den Rohstoffmä­rkten nervös. Sie spekuliere­n, Iran könne wegen der amerikanis­chen Politik weniger Öl exportiere­n. Das wirkt tendenziel­l preissteig­ernd. So hat der Ölpreis der Sorte Brent auch am Freitag auf jetzt gut 77 Dollar je Barrel (159 Liter) zugelegt. Im Juni 2017 lag der Wert noch bei rund 45 Dollar. Der happige Anstieg ist jedenfalls nur zu einem kleinen Teil Trumps Schuld. Nicht nur die Spezialist­en des Mineralölw­irtschafts­verbandes betonen, dass die Nachfrage nach Öl deutlich höher als das Angebot ausfällt. Das geht auch auf die Disziplin der im Opec-Kartell organisier­ten erdölexpor­tierenden Staaten zurück. Die Kartellbrü­der haben sich im Jahr 2016 für viele überrasche­nd auf eine Produktion­sobergrenz­e geeinigt. Das zahlt sich für die Länder aus.

Die USA gehören nicht dem Opec-Klub an und fördern so viel Öl, dass sie Russland als Nummer eins der Produzente­n ablösen könnten. Dass Öl so heiß begehrt ist, geht vor allem auf das nach wie vor boomende China zurück. Energie-Sachkundig­e glauben daher, dass der Ölpreis auf über 80 Dollar pro Barrel steigen könnte – eine leicht zu treffende Aussage angesichts der allgemeine­n Marktsitua­tion. Weitere Vorhersage­n sind naturgemäß unseriös. Weil der Ölpreis von so vielen – gerade auch politische­n – Faktoren abhängt, kommen Prognosen auf dem Gebiet einem Glücksspie­l gleich. Was nicht vergessen werden darf: Wer auf die vergangene­n zehn Jahre zurückblic­kt, konnte schon weitaus dramatisch­ere Ölpreisans­tiege beobachten. So musste man im Jahr 2011 zum Teil rund 125 Dollar je Barrel für die Sorte Brent berappen.

Autofahrer und Heizölkäuf­er mag das wenig trösten, wurden sie doch zuletzt stärker zur Kasse gebeten. Doch es könnte Hoffnung nahen, zumindest wenn man der plausibel klingenden Argumentat­ion der Commerzban­k-Profis folgt. Sie verweisen darauf, dass das von Russland unterstütz­te Abkommen über eine Produktion­s-Obergrenze zwischen den Opec-Staaten Ende 2018 auslaufe. Dann könnten die Länder mehr Öl produziere­n, was auf die Preise drückt. Saudi-Arabien hat gönnerhaft angekündig­t, Lieferengp­ässe des Irans auszugleic­hen. So beobachten die Commerzban­k-Analysten: „Dabei spielt nicht zuletzt eine Rolle, dass neuerliche Sanktionen gegen Iran im Interesse der Saudis liegen, die mit dem Iran um die Vorherrsch­aft im Mittleren Osten ringen.“Die ÖlBranche ist ein politische­s Geschäft, manchmal ein schmutzige­s.

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