Mindelheimer Zeitung

Zugunglück: Fahrplan mit Tücken

Die Kriminalpo­lizei prüft nach dem tragischen Unfall mit zwei Toten in Aichach, ob der Fahrdienst­leiter abgelenkt war. Was macht die Bahn jetzt?

- VON MICHAEL BÖHM Spiegel VON DANIEL WIRSCHING

Aichach Welche Rolle spielte eine Besonderhe­it im Fahrplan der Deutschen Bahn für das tödliche Zugunglück in Aichach am Montagaben­d? Dieser Frage gehen nach Informatio­nen des derzeit die Ermittler nach.

Zum Hintergrun­d: Täglich fahren 19 Regionalba­hnen von Augsburg über Aichach nach Ingolstadt. 17 von ihnen fahren auf Gleis zwei in den Aichacher Bahnhof. Nur die Züge um 6.11 Uhr und um 21.16 Uhr nutzen Gleis eins, um Güterzügen Platz zu machen. Am Montag passierte dann jedoch der folgenschw­ere Fehler: Eine Weiche war manuell falsch gestellt worden, und so fuhr der Unglückszu­g um 21.16 Uhr irrtümlich auf Gleis zwei Richtung Bahnhof – und kollidiert­e mit einem dort stehenden Güterzug. Der 37 Jahre alte Lokführer der Regionalba­hn sowie eine 73 Jahre alte Passagieri­n starben, 14 weitere Fahrgäste wurden verletzt.

dem Magazin überprüfen die Ermittler nun, ob der am Montag verantwort­liche Fahrdienst­leiter möglicherw­eise die zwei Gleise verwechsel­t hat. Der 24-Jährige soll erst seit gut einem Jahr im Dienst sein. Außerdem werde geprüft, ob er bei der Weichenste­llung durch Gespräche abgelenkt gewesen sein könnte. In unmittelba­rer Nähe seines Arbeitspla­tzes im Stellwerk befinde sich ein Aufenthalt­sraum. Dort habe zum Unglücksze­itpunkt offenbar ein Lokführer gewartet, der seinen Kollegen im Personenzu­g habe ablösen sollen.

Der Fahrdienst­leiter, gegen den unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässig­en Tötung ermittelt wird, hat bei der Polizei inzwischen ausführlic­h über den Unfall ausgesagt. Das bestätigte am Freitag Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai unserer Zeitung. Zu Details der Aussage wollte sich Nickolai nicht äußern. Die Ermittlung­en liefen, ein Gutachten zum Ablauf des tödlichen Unfalls werde erstellt. Bis dieses vorliege, werde er keine weiteren Auskünfte mehr zum Stand der Ermittlung­en geben, erklärte er.

Während Kriminalpo­lizei und Staatsanwa­ltschaft bislang davon ausgehen, dass menschlich­es Versagen des Fahrdienst­leiters für den Unfall ursächlich war, kam zuletzt auch Kritik an der veralteten Technik im Stellwerk des Aichacher Bahnhofs auf. Dort müssen die Fahrdienst­leiter noch händisch Signale und Weichen stellen. Vertreter des Fahrgastve­rbandes „Pro Bahn“sind davon überzeugt, dass das Unglück mit einer modernen und computerge­stützten Technik hätte verhindert werden können

Die Deutsche Bahn hielt sich diesbezügl­ich und mit Verweis auf die laufenden Ermittlung­en am Freitag bedeckt. Deutschlan­dweit werde jedes vierte Stellwerk mechaLaut nisch betrieben, insgesamt 752. Jedes einzelne Stellwerk sei „für einen sicheren Eisenbahnb­etrieb durch die zuständige­n Behörden zugelassen“. Die Digitalisi­erung der Leitund Sicherungs­technik auf dem insgesamt rund 33200 Kilometer langen Streckenne­tz erfolge „perspektiv­isch“und hänge von den vom Bund dafür zur Verfügung gestellten Geldern ab. Das gelte prinzipiel­l auch für den Bahnhof in Aichach. „Wir werden das Ergebnis der Ermittlung­en abwarten und dann über mögliche Konsequenz­en entscheide­n“, sagte eine Sprecherin der Bahn auf Nachfrage unserer Zeitung. Der von den Ermittlern in den Fokus genommene Fahrplan in Aichach sei derweil „keine Besonderhe­it“. Dass Regionalzü­ge auf unterschie­dlichen Gleisen durch einen Bahnhof fahren, sei vielerorts der Fall und der Komplexitä­t des Fahrplans geschuldet. Für einen Fahrdienst­leiter sei eine derartige Regelung „ganz normales Tagesgesch­äft“. Eichstätt Für Beobachter war es nur eine Frage der Zeit: Nachdem unsere Zeitung am Mittwoch berichtet hatte, dass der Finanzskan­dal im Bistum Eichstätt für die Kirche weniger gravierend­e Folgen als angenommen haben könnte, ist jetzt einer der beiden Beschuldig­ten aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden. Der Haftbefehl gegen den früheren stellvertr­etenden Finanzdire­ktor des Bistums sei gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft München II am Freitag. Der zweite Beschuldig­te, ein „Projektent­wickler im Immobilien­bereich“, bleibe in U-Haft.

Die Entlassung des Mannes, auch wegen seines Gesundheit­szustandes, war abzusehen gewesen – unter anderem, weil die Ermittler „derzeit nur noch von einem gesicherte­n Vermögenss­chaden von mindestens rund einer Million US-Dollar“ausgehen. Das hatte eine Behördensp­recherin unserer Zeitung mitgeteilt. Im Februar war der mögliche Schaden von Bistum und Staatsanwa­ltschaft dagegen mit 60 Millionen US-Dollar (48,2 Millionen Euro) angegeben worden. In der Höhe seien Darlehen „vermögensg­efährdend und ohne Absicherun­g gewährt“worden.

Wegen der „zwischenze­itlich gewonnenen Erkenntnis­se sowie nicht zuletzt aufgrund der inzwischen tatsächlic­h erfolgten Darlehensr­ückzahlung­en“sei diese „sehr negative Bewertung ... erheblich in Frage gestellt“, erklärte die Behörde dann in unserer Mittwochau­sgabe. Ihr geht es um den strafrecht­lich relevanten, anklagbare­n Schaden. Wie viel Geld das Bistum, das sich durch fragwürde Immobilen-Deals in den USA betrogen fühlt, tatsächlic­h verlieren wird, ist noch unklar.

Im Aufenthalt­sraum nebenan wartete ein Lokführer

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