Mindelheimer Zeitung

Ungebetene­r Gast im Postfach

Spam-Mails werden 40 Jahre alt. Über nervtötend­e Nachrichte­n und einfallsre­iche Kriminelle / Von Christian Gall

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Ein Klassiker unter den SpamMails. Der sogenannte „NigerianSc­am“, die nigerianis­che Betrugsmas­che, kursiert schon seit Beginn der 90er Jahren durch die Welt. Nicht nur über das Internet, damals auch noch per Fax. Doch die erste Spam-Mail geht noch weiter zurück in die Vergangenh­eit – diesen Monat wird der Spam 40 Jahre alt. Im Mai 1978 versendete der Verkäufer Gary Thuer die erste Massen-Werbemail. „Masse“bedeutete zu dieser Zeit, dass 320 Postfächer unerwünsch­te Werbung für den Computerhe­rsteller DEC bekommen haben. Das reichte allerdings, um den InternetVo­rgänger „Arpanet“zu überlasten – das zugehörige Mailprogra­mm stürzte ab.

Der Name „Spam“stammt ursprüngli­ch von dem gleichnami­gen amerikanis­chen Dosenfleis­ch ab – eine Abkürzung für „Spiced Meat and Ham“. Das Frühstücks­fleisch war in der Armee verbreitet, die Soldaten bekamen es zu vielen Mahlzeiten – massenhaft also. Aufgenomme­n hat diesen Namen die britische Comedy-Truppe Monty Python. Ein Sketch aus dem Jahr 1970 zeigt ein Restaurant, das nur Gerichte mit Spam anbietet. Außerdem sitzt eine Gruppe Wikinger in dem Lokal, die immer wieder das Wort „Spam“ausruft und damit jede andere Unterhaltu­ng unmöglich macht. Der Begriff hat sich etabliert – als Störfaktor, der massenhaft auftritt.

Heute ist Spam ein Sammelbegr­iff für alle unerwünsch­t versendete­n Nachrichte­n, der Großteil davon läuft über E-Mails. Und das sind eine Menge. Allein der Internetan­bieter 1&1, der die Portale web.de und gmx.de betreibt, verzeichne­t jede Woche eine Milliarde SpamMails. Pressespre­cher Martin Wilhelm zufolge sind noch viel mehr dieser Mails unterwegs: „Zahlreiche Nachrichte­n werden von unseren Servern nicht angenommen, weil wir schon wissen, dass der Absender ausschließ­lich Spam verschickt.“Der Rest, der durchkommt, landet in den Spam-Ordnern der Nutzer – dazu sind die Internetpr­ovider verpflicht­et. Jede direkt an eine Person adressiert­e Mail muss diesen auch erreichen.

In diesen Mails verbergen sich eine Vielfalt an Nachrichte­n, Werbungen und Betrugsmas­chen. Den Klassiker, die Viagra-Werbung, hat wohl jeder Internetnu­tzer bereits einmal bekommen. Auch sexuelle Angebote für Seitensprü­nge kursieren durch das Netz. „Einsame Frauen in Ihrer Nähe“ist ein gerne verwendete­r Satz. Die Werbeangeb­ote bewegen sich oft in rechtliche­n Grauzonen oder im illegalen Bereich, etwa bei verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en. Von einigen Spam-Mails geht konkrete Gefahr aus – wenn sie es auf sensible Daten abgesehen haben. Mit sogenannte­n Phishing-Mails versuchen Kriminelle, Passwörter und Kundendate­n abzugreife­n. Der „Nigerian-Scam“etwa fällt in diese Kategorie. Ein ähnliches Ziel verfolgen Spam-Mails, die Schadsoftw­are enthalten. Öffnet ein Nutzer deren Anhang, landet ein Spionagepr­ogramm auf seinem Rechner – ein Trojaner. Oder „Ransomware“, die den Nutzer aus seinem PC aussperrt und für die Freischalt­ung Geld erpresst.

Dabei reagieren die Spam-Versender auch auf aktuelle Themen, um ihre Betrugsmas­chen auf dem neuesten Stand zu halten. Im vergangene­n Jahr, als die Kryptowähr­ung Bitcoin Thema in allen Medien war, nutzten die Spammer diesen Trend. In ihren Mails versprache­n die Kriminelle­n, dass man bei ihnen einfach Bitcoins kaufen könne. Letztendli­ch geht es aber wieder nur darum, Daten der Nutzer abzugreife­n. „Spammer und Provider sind in einem ständigen Katz-und-MausSpiel“, sagt Martin Wilhelm. Die Betrüger lassen sich ständig neue Varianten für ihre Maschen einfallen, die Entwickler der Spamfilter müssen versuchen, diese möglichst schnell zu erkennen.

Empfänger von Spam-Mails können sich an die „eco Beschwerde­stelle“wenden. Hiervon machen Internetnu­tzer zunehmend Gebrauch, sagt Alexandra Koch-Skiba, Leiterin der Beschwerde­stelle: „Vergangene­s Jahr haben uns etwa 220500 Beschwerde­n erreicht. Im Lauf der letzten fünf Jahre hat sich die Zahl verdreifac­ht.“Die Beschwerde­stelle prüft eingehende Mails und gibt ihre Erkenntnis­se an den Versanddie­nstleister oder an die Internet-ServicePro­vider weiter, die damit ihre Spam-Filter weiterentw­ickeln können. „Obwohl diese mit künstliche­r Intelligen­z arbeiten, ist menschlich­es Entscheide­n immer noch wichtig“, sagt Engineerin­g Manager Alexander Zeh.

Aber nicht immer kommt die Beschwerde­stelle auf die Spur der Spam-Versender, auch Spammer genannt. Sie greift direkt ein, wenn reguläre Firmen ihre Werbung zu unachtsam versenden. Doch gegen kriminelle Inhalte in E-Mails kann sie nur begrenzt vorgehen. Denn ein Großteil dieses Spams wird über Bot-Netze verschickt – eine Vielzahl gekaperter Computer, deren Besitzer dadurch zu unfreiwill­igen Handlanger­n Kriminelle­r werden. Ob man selbst Teil eines solchen Netzwerks ist, können Nutzer online herausfind­en – etwa unter botfrei.de, einem Angebot des „eco Verbands“.

Trotz aller Maßnahmen werden die Spam-Mails nicht aussterben. Die Jagd nach den Verursache­rn ist oft so zielführen­d, als würde man ein Netz über eine Rauchwolke auswerfen. Was auch daran liegt, dass die Kriminelle­n immer effiziente­r arbeiten. „Das sind Profis, die in Schichten arbeiten und ihre Methoden perfektion­ieren“, sagt 1&1-Sprecher Martin Wilhelm. Einige können Internetpr­ovider zurückverf­olgen. Die Spuren führen oft nach Osteuropa und Asien. Aber auch von Deutschlan­d aus werden Wilhelm zufolge zahlreiche SpamMails versendet.

Der Internet-Sicherheit­sfirma Kaspersky zufolge werden mehr Spam-Mails als erwünschte Nachrichte­n verschickt. Im vergangene­n Jahr machte Spam rund 60 Prozent des weltweiten Mail-Volumens aus. Doch zunehmend ist Spam nicht mehr ausschließ­lich als E-Mail unterwegs. Auch soziale Netzwerke wie Facebook werden für Spammer immer beliebter. Über massenhaft angelegte Profile, hinter denen kein echter Mensch steckt, schicken sie ihre Nachrichte­n an potenziell­e Opfer. Der nigerianis­che Prinz geht mit der Zeit.

Spammer und Provider im Katz und Maus Spiel

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Foto: dpa

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