Mutter sein ist ein Knochenjob Eine Tiefseekraken Mutter bewacht ihr Gelege mehr als vier Jahre lang
In freier Wildbahn ist es schwer, den Nachwuchs durchzubringen. Das leisten Tier-Mamas dafür
So eine Tiermutter hat es auch nicht immer leicht. Mama Blauwal bringt immerhin ein Baby von zwei bis drei Tonnen Gewicht zur Welt. Doch damit nicht genug: Das etwa sieben Meter lange Neugeborene hat mächtig Durst. Bis zu 200 Liter Milch trinkt der kleine Racker, pro Tag wohlgemerkt, und das sieben Monate lang. Dafür legt er aber auch gut zu, mehr als drei Kilogramm in der Stunde. Das Ganze funktioniert nur so gut, weil die Milch eines Blauwals etwa zehnmal so viel Fett und Eiweiß enthält wie die eines Menschen. Andere Tiermütter machen es sich da leichter, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die Eier, die Mutti Mondfisch legt, sind gerade einmal so groß wie ein Stecknadelkopf und wiegen fast gar nichts. Für einen über drei Meter langen Fisch mit mehr als zwei Tonnen Körpergewicht ist das eine leichte Übung, könnte man meinen, nur leider muss Mutti Mondfisch ganze 300 Millionen Stück davon pro Laichvorgang legen. Das schlaucht dann wohl doch ganz schön.
Auf dem Festland ist es Mutter Kiwi, die sich beim Eierlegen wohl am meisten abmüht. Das Ei, das sie legt, ist bis zu 13 Zentimeter lang und hat ein Gewicht von bis zu 500 Gramm. Der Nördliche Streifenkiwi ist aber gerade einmal so groß wie Huhn und belässt es bei einem Körpergewicht von etwa zwei bis drei Kilogramm. Mit anderen Worten: Das Ei, das Mutter Kiwi legt und anschließend rund 80 Tage lang bebrütet, ist im Verhältnis zur Körpergröße gigantisch und kann durchaus ein Drittel des gesamten Körpergewichts des Muttertieres ausmachen. Nun ist es in Neuseeland, der Heimat der kleinen Kiwis, zumindest schön warm, sodass Mutter Kiwi nicht frieren muss.
Bei Mama Kaiserpinguin sieht das ganz anders aus, denn sie brütet im antarktischen Winter bei minus vierzig Grad Celsius. Die Sturmböen, die hier mit 180 Stundenkilometern über das Eis fegen, erleichtern das Ganze auch nicht gerade. Das Ei, das Mama Kaiserpinguin schließlich legt, muss Papa Pinguin unablässig auf seinen Füßen balancieren und mit seinem Körper wärmen, damit es nicht auf das Eis fällt und gefriert – und zwar ganze 64 Tage lang, bis das Küken aus dem Ei schlüpft. Wenn es soweit ist, wechseln sich beide Partner darin ab, nun das Küken auf den Füßen zu balancieren und zu füttern. Aber das ist eine andere Geschichte.
Dass es gar nicht so einfach ist, die lieben Kleinen groß zu kriegen, wissen schließlich auch andere Tiermuttis. Im Tierreich hat nämlich so manch einer den Nachwuchs zum Fressen gern. Oftmals sind es die Väter oder auch beide Elternteile, die dafür sorgen, dass es nicht soweit kommt, aber längst nicht bei allen Spezies ist das der Fall. Hier muss dann die Mutti wieder einmal einspringen und auch noch die Bewachung übernehmen und Security spielen. Besonders genau nimmt anscheinend Mama Tiefseekrake diesen Job, zumindest dasjenige Weibchen der Art Graneledone boreopacifica, das US-amerikanische Forscher mit ihrem Tauchroboter in 1397 Meter Wassertiefe beobachteten. Ganze 53 Monate lang, also fast viereinhalb Jahre, bewachte Mama Tiefseekrake ihr Gelege. „In der Zeit, in der wir sie beobachteten, ließ sie das Gelege nicht ein einziges Mal unbeobachtet“, berichtete der Biologe Bruce Robison vom Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) erstaunt im Jahr 2014.
Etwas entspannter lassen sich die lieben Kleinen unter Kontrolle halten, wenn man sie ganz einfach mit sich herumträgt. Aber auch das kann mühsam sein, wie Mutti Ohrwurm weiß, die sich ganz liebevoll um ihre Nachkommenschaft kümmert, was bei Insekten eigentlich eher die Ausnahme ist. Die gut 50 Eier, die sie legt, werden geputzt und gewendet, damit sich der Nachwuchs im Inneren auch wirklich optimal entwickeln kann. Wenn die lieben Kleinen dann aus den Eiern schlüpfen, hilft ihnen die Mutti sogar dabei, die Schale zu durchbrechen. Ja, selbst gemeinsame Ausflüge in die Botanik stehen auf dem Programm. Kommt einer aus der Rasselbande dabei mal zu weit vom Weg ab, kommt Mutti Ohrwurm herbeigeeilt und sammelt den kleinen Racker wieder ein.
Bei den Gliederfüßern ist Mutterliebe übrigens ein alter Hut. Im besonders feinen Schiefer der kanadischen Burgess-Shale-Formation fanden Wissenschaftler 2015 mehrere Fossilien des 508 Millionen Jahre alten krebsartigen Gliederfüßers Waptia fieldensis, der bis zu 24 Eier geschützt bei sich trug. „Bei fünf der aufgefundenen Tiere entdeckten wir Gruppierungen eiförmiger Objekte“, resümiert Jean-Bernard Caron von der Universität von Toronto, „die am vorderen Drittel des Körpers gut geschützt unter dem Panzer lagen. Sie liefern uns einen der ältesten Belege für ein Lebewesen, das sich um seinen Nachwuchs sorgt.“Vor 508 Millionen Jahren haben sich die Tiermütter bereits ganz schön mit ihrem Nachwuchs abgeplagt. Einigen Tiermüttern schlagen die lieben Kleinen aber auf den Magen – im wahrsten Sinne des Wortes. Zumindest war das einmal so, bevor die Magenbrüterfrösche vor einigen Jahren ausgestorben sind. Mutti Magenbrüterfrosch verschluckte ihr Gelege nämlich kurzerhand und brütete die Fröschlein im eigenen Magen aus. Damit dieser die gesamte Nachkommenschaft nicht gleich wieder in ihre Bestandteile auflöste, produzierten jene im Magen der Mutter das Hormon Prostaglandin E2, das die Produktion von Magensäure hemmte.
Dass man den Mund in Sachen Mutterliebe gar nicht voll genug nehmen kann, wissen einige Maulbrüter nur zu genau. So nennt sich ein Gruppe von Fischen, die ihre Nachkommenschaft im Maul ausbrütet oder auch die schon geschlüpften Jungfische ins Maul nimmt, um sie zu beschützen. Eine ganze Reihe von Buntbarschen aus dem afrikanischen Malawisee und auch aus dem Tanganjikasee zählen dazu. Der Vorteil liegt auf der Hand, um nicht zu sagen: im Maul. Vor Gefahren aller Art ist die ganze Rasselbande dort nämlich ganz gut geschützt. Allerdings darf sich die Mutti dann auch nicht vor Schreck verschlucken. Es gibt aber noch einen weiteren Nachteil: Wer seine Babys im eigenen Maul ausbrütet, der kann in der Zeit auch nichts essen. So können durchaus ein paar Wochen ins Land gehen, in denen Mutti Buntbarsch Kohldampf schieben muss. Was tut man nicht alles für die Kleinen.