Mindelheim feiert sich
Der Haushaltsplan der Stadt Bad Wörishofen für 2018 wurde jetzt von der Rechtsaufsicht zwar genehmigt. Doch es gibt einen dringenden Appell. Wieder geht es um die Gewerbesteuer
Zehn Jahre dauerte die Sanierung der Mindelheimer Altstadt. Den Abschluss feierten die Mindelheimer mit einem Fest – und einer Überraschung.
Bad Wörishofen Einmal im Jahr ist Weihnachten, einmal im Jahr ist Geburtstag – und einmal im Jahr bekommt die Stadt Bad Wörishofen einen geharnischten „Blauen Brief“von der zuständigen Rechtsaufsicht am Landratsamt Unterallgäu: Auch in diesem Jahr gab es eine kräftige Watschn, weil sich der Bad Wörishofer Stadtrat seit Jahren standhaft weigert, gemäß der Empfehlung des Landratsamtes die Gewerbesteuer kräftig zu erhöhen und damit das Loch in der Stadtkasse zu stopfen. Dennoch stimmte die Aufsichtsbehörde dem Haushaltsplan der Stadt für das laufende Jahr unter Auflagen wieder einmal zu – das Zähneknirschen liest sich aber in dem sechsseitigen Schreiben in nahezu jeder Zeile deutlich heraus.
Und – wie jedes Jahr – macht Abteilungsleiterin Doris Back unmissverständlich deutlich, dass die Stadt Bad Wörishofen selber daran schuld ist, wenn sie die Schulden so sehr drücken, dass der städtische Haushalt nur unter Klimmzügen genehmigt werden kann: „Eine Erhöhung der Einnahmen ist im Bereich der und Abgaben unumgänglich“, heißt es in dem Schreiben, das Bürgermeister Paul Gruschka (FW) dem Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung vorlegte. Wie mehrfach berichtet, fordert auch Gruschka eine Erhöhung der Gewerbesteuer, die Ratsmehrheit sieht dies jedoch anders und hält eine Erhöhung für kontraproduktiv.
Back schränkte auch gleich ein, dass der eindringlich geforderte Dreh an der Steuerschraube aber auch nicht vom Landratsamt vorgeschrieben werden könne: „Das Selbstverwaltungsrecht der Stadt garantiert, dass diese selbst zu entscheiden hat, wie die Finanzsituation zu verbessern ist“.
Was die Rechtsaufsicht aber davon hält, wie sich der Stadtrat entschieden hat – nämlich die Gewerbesteuer auf einem weit unterdurchschnittlichen Niveau zu belassen, um so neue Unternehmen in die Kneippstadt zu locken – machte Back auch ganz deutlich: Gar nichts.
„Die Stadt verzichtet hierdurch auf erhebliche Steuereinnahmen“. Und dies könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass „Anreize zur Ansiedelung von Betrieben“ werden sollen, ist Back überzeugt: „Das geht fehl, da insgesamt durch niedrigere oder keine Gewerbesteuereinnahmen landesweit ein Steuerausfall entsteht, der über den Finanzausgleich zu Nachteilen für die Allgemeinheit führt“. Zwar könne für die Standortentscheidung von Firmen unter anderem ein günstigerer Steuersatz von Bedeutung sein, für die Kommune selbst ergeben sich laut Back aber „durch einen so niedrigen Hebesatz erhebliche Nachteile“. Insbesondere durch den Nivellierungshebesatz von 310 Prozent bei der Gewerbesteuer ergeben sich laut Rechtsaufsicht „weitreichende Folgen“und Nachteile im Finanzausgleich sowohl bei den Schlüsselzuweisungen wie auch bei der Kreis- und Gewerbesteueranlage.
Im Klartext heißt das: Das Landratsamt ist sicher, dass sich Bad Wörishofen durch seine niedrige Gewerbesteuer letztlich ins eigene Fleisch schneidet und letztlich sogar auf dem Rücken der Allgemeinheit handelt.
Und für die Zukunft malt die Aufsichtsbehörde ein sehr düsteres Bild: Angesichts des überdurchSteuern schnittlich hohen Schuldenstandes drohe der Stadt vor allem durch die geplanten (und bereits beschlossenen) Investitionen in die Infrastruktur eine Überschuldung. Schon jetzt sei der städtische Schuldenberg so hoch, dass er „die finanzielle Bewegungsfreiheit der Stadt erheblich einschränkt“, so Doris Back. In den Jahren 2019 bis 2021 habe die Stadt Bad Wörishofen weitere Investitionen von knapp 15 Millionen Euro und Tilgungen in Höhe von zwei Millionen Euro eingeplant. Laut Back werden dann „voraussichtlich Kreditaufnahmen von rund 8,6 Millionen Euro benötigt“.
Und ob das Landratsamt dann immer noch ein Auge zudrücken und den Haushalt genehmigen könne, ließ die Abteilungsleiterin offen: „Die Stadt Bad Wörishofen ist gehalten, weiterhin Anstrengungen hinsichtlich der Haushaltsdisziplin zu unternehmen“. Im Klartext: Bad Wörishofen muss entweder den Rotstift knallhart ansetzen und – vor allem – die Gewerbesteuer erhöhen – oder sie laufe Gefahr, die Pflichtaufgaben nicht mehr finanzieren zu können.
Es bestehen aus Sicht des Landgeschaffen ratsamtes nur dann keine Bedenken, wenn die Stadt sich an die Auflagen der Rechtsaufsicht halte. Zwar stelle sich der aktuelle Haushalt „ein wenig besser“dar als in den Vorjahren, doch dies dürfe nicht dazu führen, dass vom „eingeschlagenen Weg einer moderaten Konsolidierung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewichen wird“.
Einfach formuliert heißt das: Das Landratsamt fordert die Stadt Bad Wörishofen einmal mehr eindringlich dazu auf, die Gewerbesteuer zu erhöhen, um sich dadurch aus eigener Kraft und auf absehbare Zeit finanziell zu sanieren.
Die Reaktionen am Ratstisch ließen allerdings keineswegs vermuten, dass dieser Appell diesmal auch gehört und umgesetzt werden könnte. Zwar gab es keine ausufernde Diskussion – es handelte sich nur um eine Bekanntgabe, da sind Diskussionen nicht erlaubt – aber das Gegrummel am Ratstisch war unüberhörbar: „Das ist lediglich eine Einzelmeinung und kein verbindliches Gutachten. Ich lehne das ab“, fasste FDP-Stadtrat Claus Thiessen seine Meinung und die Stimmung der Ratsmehrheit zusammen.