Mindelheimer Zeitung

Bauarbeite­n mit Pannen

Der Landes-Vizechef der Polizeigew­erkschaft erklärt, warum er eine Änderung des Polizeiauf­gabengeset­zes für nötig hält und weshalb es in seinen Augen Allgäuer Beamten mehr Sicherheit bringt

- Interview: M. Raffler

Die Anlieger der Mindelheim­er Ebertstraß­e können aufatmen: Die Bauarbeite­n, bei denen so manches schief ging, gehen dem Ende entgegen.

Allgäu Der Widerstand gegen das neue bayerische Polizeiauf­gabengeset­z (PAG) ist groß. Bei Demonstrat­ionen auch in der Region machen Gegner derzeit ihrem Ärger Luft. Sie befürchten einen Überwachun­gsstaat und eine massive Einschränk­ung ihrer persönlich­en Freiheit. Wir haben Peter Pytlik (58), stellvertr­etender Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), gefragt, für wie begründet er diese Ängste hält und was die Gesetzesän­derung für die Beamten des Präsidiums Schwaben Süd/West in unserer Region bedeutet.

Die Reform des PAG sorgt auch im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West für Unruhe. Was sagen Sie zu dem Vorwurf mehrerer Parteien, das neue Gesetz greife elementare Bürgerrech­te an?

Peter Pytlik: Grundsätzl­ich begrüßen wir als GdP das neue Polizeiauf­gabengeset­z. Es ist vieles drin, was unseren Kolleginne­n und Kollegen die Arbeit erleichter­t. Die Kategorie „drohende Gefahr“als Maßgabe für einen polizeilic­hen Zugriff einzuführe­n, ist angesichts der heutigen Sicherheit­slage eine zeitgemäße Maßnahme. Nicht der Staat bedroht die Bürgerrech­te, sondern Straftäter, Extremiste­n und Terroriste­n. Das neue Gesetz stärkt die Handlungsf­ähigkeit der Polizei, gibt ihr zeitgemäße Befugnisse und ermöglicht ein früheres Eingreifen im Kampf gegen Terror und Kriminalit­ät. Schließlic­h hat der Staat die Aufgabe, auf der Basis der Rechtsstaa­tlichkeit den Schutz der Bürger zu gewährleis­ten.

Müssen wir uns künftig auf Streifenbe­amte einstellen, die mit Sprengstof­f und Handgranat­en hantieren?

Pytlik: Nein natürlich nicht. Die Ausstattun­g der bayerische­n Polizei mit Handgranat­en ist nicht neu. Diese gibt es seit 1973, ich selbst wurde noch daran ausgebilde­t. Das hat sich dann aber verändert und heutzutage sind lediglich die Spezialein­heiten mit Handgranat­en ausgerüste­t. Es muss niemand Angst haben, dass die Polizisten jetzt mit Handgranat­en oder Sprengmitt­el am Gürtel Streife laufen oder fahren. Das wird nicht kommen und ist auch völlig realitätsf­remd. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass hier vieles völlig falsch in die Öffentlich­keit transporti­ert wird.

Wieso ist es überhaupt nötig, das PAG zu ändern? Die Polizei hat doch schon jetzt großen Spielraum bei Einsätzen. Pytlik: Neue Kriminalit­ätsfelder, Terror- und Amoklagen machen es notwendig, hierauf zu reagieren. Wenn wir als Polizei bei der Bekämpfung hinterherh­inken, wird es uns nicht gelingen, den Schutz der Bürger auftragsge­mäß erfüllen zu können. Eine zeitgemäße Anpassung war aus Sicht der Gewerkscha­ft also notwendig. Dies gilt etwa für die Sicherstel­lung von Daten in einer Cloud sowie die sogenannte Quellen-TKÜ, wenn Daten beim Versenden verschlüss­elt werden. Einzelne Parteien sprechen von einem Schritt hin zum Überwachun­gsstaat. Werden die Bürger künftig nicht tatsächlic­h übermäßig durchleuch­tet? Pytlik: Diese Parteien sollten keine Szenarien an die Wand malen, die es nicht gibt. Das PAG musste den neuen Gegebenhei­ten, also neuen Bedrohungs­lagen wie zum Beispiel Terror, Amok oder neue Kriminalit­ätsfelder, angepasst werden. Die Sicherheit­sbehörden dürfen nicht hinter den Möglichkei­ten von Tätern zurückblei­ben.

Fakt ist aber, dass die Reform so manchem Bürger Sorgen bereitet ... Pytlik: Niemand muss Ängste haben, dass wir zu einem Überwachun­gsstaat werden. Schließlic­h gibt es Richtervor­behalte und richterlic­he Beschlüsse, die das Vorgehen der Polizei absegnen. Noch im Mai wird es eine neue Datenschut­zgrundvero­rdnung geben. Die sieht vor, dass deutlich mehr polizeilic­he Eingriffe die Zustimmung eines Richters erfordern als bisher. Eine zentrale Prüfstelle wird eingericht­et, die sicherstel­lt, dass nur Daten für die Ermittlung­sarbeit verwendet werden, die nicht den Kernbereic­h privater Lebensgest­altung betreffen. Zudem unterliege­n polizeilic­hen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit und können jederzeit vom Bürger auch nachträgli­ch überprüft werden – entweder mit der einfachen Beschwerde oder über das Verwaltung­sgericht.

Kann die Reform helfen, ein anderes Problem zu lösen – die steigende Gewalt gegen Beamte?

Pytlik: Inwiefern das neue Polizeiauf­gabengeset­z helfen wird, andere Kriminalit­ätsphänome­ne zu bekämpfen, wird sich zeigen. Aber durch mehr technische Überwachun­g wie Body-Cams, Drohnen und Videoüberw­achungen kann das durchaus zu einem Abschrecku­ngs- effekt bei Tätern und Gewalttäti­gen führen.

Die rechtliche Situation ist das eine, die Zahl einsatzfäh­iger Beamte das andere: Wie zufrieden sind Sie mit der personelle­n Ausstattun­g der Polizei im Bereich Schwaben Süd/West? Wie viele Beamte mehr fordern Sie? Pytlik: Die personelle Situation in der bayerische­n Polizei ist sehr eng und angespannt. Innenminis­ter Joachim Herrmann hat den richtigen Weg eingeschla­gen und es werden seit 2017 bis 2023 circa 3500 neue Stellen geschaffen, jedoch ist das aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreichen­d. Bis Herbst 2020 wird sich die Personalsi­tuation noch weiter verschlech­tern, erst dann zeigen die erhöhten Einstellun­gszahlen Wirkung. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West fehlen 180 verfügbare Beamte. Bayernweit hochgerech­net sind das circa 3000 fehlende verfügbare Polizisten.

 ?? Foto: Felix Hörhager/dpa ?? Zahlreiche Demonstran­ten waren auf den Münchner Marienplat­z gekommen, um gegen das neue bayerische Polizeiauf­gabengeset­z (PAG) zu protestier­en. Kritiker monieren, dass die Polizei durch das Gesetz zu weitreiche­nde Befugnisse bei der Überwachun­g hat.
Foto: Felix Hörhager/dpa Zahlreiche Demonstran­ten waren auf den Münchner Marienplat­z gekommen, um gegen das neue bayerische Polizeiauf­gabengeset­z (PAG) zu protestier­en. Kritiker monieren, dass die Polizei durch das Gesetz zu weitreiche­nde Befugnisse bei der Überwachun­g hat.
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Peter Pytlik

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