Mit scharfer Zunge und viel Lippenstift
Wer Matthias Tretter in Bad Wörishofen nicht gesehen hat, hat etwas verpasst
Bad Wörishofen Das kurze graumelierte Haar verwegen in die Stirn gekämmt, dunkle Hornbrille, Dreitagebart, dazu leuchtend roter Lippenstift: So betrat Kabarettist Mathias Tretter die Bühne im Kurtheater von Bad Wörishofen. Als Requisiten standen lediglich ein Stuhl und ein Stehtisch bereit, ihn bei seinen imaginären Gesprächen etwa mit dem „schwulen Ansgar“zu stützen. Bei seinen Unterhaltungen über „Gott und die Welt“drehte Tretter lediglich den Kopf in die jeweils andere Richtung, verstellte die Stimme, hielt eine nicht vorhandene Zigarette in der Hand und ließ die Zuhörer im Saal aufhorchen. Tretter hatte viel zu sagen, intelligent, hu- und schonungslos. Er nannte die Begebenheiten, ganz nach seinem Befinden, vor allem der Politik, beim Namen. „PoP“, sein aktuelles Programm, hatte nichts mit der Musikrichtung des „Pop“zu tun. Seine Abkürzung des Programms steht für „Politkomik ohne Predigt“, und das von einem „Profi oraler Präsenz“, wie er selbst es ausdrückte. Oder für „Partei ohne Partei“. Die neuesten Wahlen zweier Präsidenten zeige das deutlich. Donald Trump war vor seiner Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Immobilienmakler und der französische Präsident Emmanuelle Macron hatte eine neue Partei gegründet. Warum sollte es ihm, dem Ka- barettisten Tretter nicht auch gelingen, gehört und anerkannt zu werden – ohne Parteizugehörigkeit? Das Publikum jedenfalls hörte gespannt zu, spendete spontanen Zwischenapplaus und hatte auch immer wieder zustimmendes Lachen für ihn und seine Aussagen. Tretter zeigte, wie unterhaltsam und herrlich komisch ein Kleinkunstabend sein kann, mit seinen erhellenden Einblicken vor allem in die aktuelle Politik.
Tretter sprach aber auch über Casting-Shows ebenso wie über Menschen mit ihrem Smartphone, die diese wie „Brechschalen“vor sich hertrügen und die Passanten bei den Gesprächen jetzt ganze Gesprämorvoll che mithören müssten. Tretter zeigte eindrucksvoll die Reihe vom Bildungsbürger, dann Wutbürger zum Hetzbürger auf.
Man schaue nur auf die Aussagen in den sozialen Netzwerken, kritisierte Tretter. Die Nutzer hätten zwar keine Allgemeinbildung, wüssten es trotzdem am besten.
Mathias Tretter beendete den Abend mit einer glühenden „Wahlrede“, in der er die Atheisten lobte und ließ schließlich die Kosaken den kyrillischen Choral „Halleluja“singen. Wer nicht zu diesem Abend, der von der Kleinkunstbühne Profil organisiert wurde, gekommen war, hat einen hochkarätigen Kabarettabend versäumt.