Betrüger vor Gericht
Ein Unterallgäuer entlockt Bankkunden mit getürkten E-Mails ihre Geheimnummern und bringt sie so um ihr Erspartes. Warum dieser Betrug den 31-Jährigen noch viele Jahre verfolgen wird
Ein Unterallgäuer hat mit falschen Mails Bankkunden ihre Geheimnummern entlockt und sie so um ihr Erspartes gebracht. Jetzt stand der 31-Jährige vor Gericht.
Memmingerberg Die Geschichte beginnt im Darknet, der dunklen Seite des Internets. Mehrere junge Männer lernen sich dort kennen, laden erst nur Filme herunter, chatten miteinander. „Und dann ist man immer tiefer reingesunken“, versucht der 31-jährige Unterallgäuer vor dem Schöffengericht das zu erklären, was sich eigentlich keiner so recht erklären kann: Wie nur sind sie vor vier Jahren auf die Idee gekommen, sich im Darknet E-MailAdressen zu besorgen und den Besitzern täuschend echte E-Mails ihrer jeweiligen Bank zu schicken? Wie auf die Geschichte von der Sicherheitsüberprüfung, mit der sie ihre Opfer auf eine ebenfalls fingierte Homepage der Bank lotsten? Dort mussten sie ihre Pin für das TelefonBanking eingeben – andernfalls wurde mit einem Verwarnungsgeld zwischen 6,99 und 14,99 Euro gedroht. Mit der Pin haben die jungen Männer dann von den Konten ihrer Opfer Geld abgehoben und es an mehrere Finanzagenten überwiesen, um ihre Spuren zu verwischen.
Wie in der Verhandlung deutlich wird, war die ohnehin schwer zu verfolgen: Die jungen Männer benutzen Decknamen, einige halten sich im Ausland auf. Auch auf die Spur des Unterallgäuers kamen die Ermittler nur aufgrund eines Zufalls: Als sie das Handy eines anderen Verdächtigen untersuchen, entdecken sie auf Fotos das Auto des jungen Mannes, der als gelernter Fachinformatiker für die PhisingMails und die falschen Homepages zuständig war. Ein anderer übernahm das Telefon-Banking, ein Vierter akquirierte die sogenannten Finanzagenten, die das Geld auf ihren Konten entgegennahmen, abhoben und dem Quartett teils bar auszahlten oder es in Form der Kryptowährung Bitcoin weiterüberwiesen. Die Beute wurde hierarchisch aufgeteilt.
Aus Sicht des Unterallgäuers besonders bitter: Er erhielt zwar nur zehn Prozent der mehr als 61000 Euro, um die die Bande ihre Opfer innerhalb weniger Monate insgesamt gebracht hat, muss nun aber – da die anderen Täter nicht greifbar sind oder es bei ihnen nichts zu holen gibt – allein für den entstandenen Schaden aufkommen. Er hat bereits einen Kredit über 40000 Euro aufgenommen und mehr als 12600 Euro an einige der Opfer zurückbezahlt. Außerdem hat er ein umfassendes Geständnis abgelegt, dabei mehr zugegeben, als ihm nachzuweisen gewesen wäre, dem Gericht so eine umfangreiche und schwierige Beweisaufnahme erspart und außerdem glaubhaft Reue gezeigt. Das werden später sowohl die Staatsanwältin als auch der vorsitzende Richter Nicolai Braun und die beiden Schöffen honorieren. Im Rahmen einer Verständigung haben sie dem jungen Mann, der vorher nie straffällig geworden ist, bereits eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren in Aussicht gestellt. In der Verhandlung wiederholt Verteidiger Werner Hamm deshalb das Geständnis seines Mandanten, mit dem er erheblich zur Aufklärung der insgesamt 19 Betrugsfälle beigetragen habe. Er fordert eine maximale Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung, denn schließlich habe sein Mandant „nach hinten aufgeräumt und die Zukunft schaut gut aus“.
Die Staatsanwältin sah das zwar ähnlich, forderte aber aufgrund der Vielzahl der Taten, der Schadenssumme und vor allem der „extremen kriminellen Energie“der jungen Männer eine um drei Monate längere Haftstrafe. Außerdem sollte der junge Mann neben dem Restschaden als Bewährungsauflage weitere 5000 Euro zahlen.
Nach Ansicht von Richter Nicolai Braun ist letzteres jedoch unnötig. Die Begleichung des Rest-Schadens in Höhe von 4 6 600 Euro werde den Vater zweier kleiner Kinder noch viele Jahre belasten und an die Tat erinnern. Auch er spricht davon, dass sie von „erheblicher krimineller Energie“gekennzeichnet sei, hält dem Angeklagten aber zugute, dass er sich seit damals nichts mehr hat zuschulden kommen lassen und er in geordneten Verhältnissen lebt. Er verurteilt ihn zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. „Das war der schlimmste Fehler in meinem Leben“, hat der Angeklagte zuvor gesagt, es tue im sehr leid, was er getan habe. „Ich habe mein Leben komplett verändert.“
Über 12 000 Euro hat er schon zurückgezahlt