Mindelheimer Zeitung

Die Eltern tot, die Geschwiste­r verscholle­n

Als unbegleite­ter Flüchtling kam Mahamed aus Somalia ins Unterallgä­u. Wie der junge Mann versucht, Fuß zu fassen und was ihm besonders helfen würde

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Mindelheim Mit entsichert­en Gewehren und Pistolen waren die Täter angerückt. Die fremden Männer forderten die Herausgabe des Bauernhofe­s, auf dem Kamele, Ziegen und Kühe gehalten wurden. Weil sich die Besitzer wehrten, wurden sie vor den Augen ihrer drei Kinder erschossen. Mahamed Abdi war beim Tod seiner Mutter und seines Vaters 14 Jahre alt.

Der Junge stand unter schwerem Schock und erwachte erst nach einer Stunde wieder aus seiner Ohnmacht. Die „bösen Männer“, wie er sie nennt, waren verschwund­en. Von seinem Bruder und seiner Schwester, fünf und acht Jahre jung, fehlte jede Spur. Die beiden Kinder sind seither verscholle­n.

Fünf Jahre sind seit diesen schrecklic­hen Ereignisse­n vergangen. Mahamed hat das Erlebte schwer traumatisi­ert. Der Junge, der nie eine Schule besucht hatte und daheim als Ziegenhirt­e gearbeitet hat, flüchtete aus Angst vor Terror und Willkür aus seiner Heimat. Nur seine Eltern konnte er gemeinsam mit Bekannten noch begraben, dann machte er sich auf Weg über die Grenze nach Kenia. Einem Nachbarn verkaufte er noch ein Stück Garten für 6000 Euro. Damit hoffte er, die Reise bis nach Europa zu schaffen.

Über Kenia und den Süd-Sudan ging es in Etappen bis in die Sahara. Weil Schlepper ihm das Geld abknöpften, hing Mahamed mit anderen vier Monate lang in einem gebirgigen Teil der Sahara fest. Das bisschen Essen, was er bekam, verdingte er sich als Wasserträg­er.

Dann schaffte er es weiter durch die Wüste bis Libyen. Dort endete die Flucht abrupt in einem Gefängnis, weil der Jugendlich­e keinen Pass besaß. Ein Jahr lang musste der inzwischen 15-Jährige diese Hölle ertragen. Er bekam kaum etwas zu essen. Regelmäßig wurde er geschlagen. Mehrere Häftlinge überlebten diese Torturen nicht.

Plötzlich gingen die Gefängnist­ore auf. Alle wurden entlassen. Offenbar wurde der Platz für andere Häftlinge benötigt. Mahamed schaffte es auf ein Schlauchbo­ot mit 88 Leuten. Kaum abgelegt, geriet der Seelenfäng­er in Seenot. 25 Flüchtling­e starben bei dem Unglück.

Die Überlebend­en, darunter Mahamed, wurden von einem italienisc­hen Boot aufgenomme­n und nach Neapel gebracht. Die dortigen Behörden setzen die Afrikaner in Busse und weiter ging es über Mailand, Österreich bis nach Rosenheim.

Für Mahamed wurde Halbergmoo­s bei Freising für ein halbes Jahr Zwischenst­ation. Als minderjähr­iger Unbegleite­ter besucht er zum ersten Mal in seinem Leben eine Schule. Danach wurde er nach Dorschhaus­en verlegt, wo er bis zu seinem 18. Geburtstag bleiben konnte. Die pensionier­ten Lehrerinne­n Isolde Stein und Gisela Birnstiel haben sich seiner angenommen und mit ihm Deutsch geübt. Isolde Stein versucht, ihm ein bisschen Familienan­schluss zu geben. Ein Mindelheim­er mit großem Herzen, der vom Schicksal des Jungen erfahren hat, hat den Sportbegei­sterten ein paar mal mit zum Eishockey genommen, damit er auf andere Gedanke kommt. Noch lieber als Eishockey mag Mahamed Fußball. Sein Lieblingsv­erein ist übrigens der FC Bayern.

Seit einem Jahr lebt der Junge in Bad Wörishofen. Mahamed ist 19 Jahre alt. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Derzeit läuft ein Antrag, dass sein Aufenthalt­sstatus aus humanitäre­n Gründen verlängert wird. Immerhin darf er einen Minijob annehmen. Am liebsten würde er Gartenarbe­it verrichten. Oder ehrenamtli­ch helfen, damit er etwas zu tun hat und die schlimmen Bilder aus dem Kopf bekommt.

Ein Jahr in libyschem Gefängnis festgehalt­en

Wer kann helfen? Wer kann Maha med einen Minijob geben – in Bäckerei, in Küche, im Garten oder in der Landwirt schaft? Wir stellen gerne den Kontakt her. Wenden Sie sich bitte per Mail an re daktion@mindelheim­er zeitung.de

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Mahamed Abdi

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