Mindelheimer Zeitung

Höhere Gebühren treffen Eltern hart

Elternbeir­äte wollen sich zu einer „Dringlichk­eitssitzun­g“treffen. Die Erhöhung der Kindergart­engebühren ging nach einiger Diskussion im Rat mit breiter Mehrheit durch. Nur in einem Punkt wurde es bei der Abstimmung eng

- VON ALF GEIGER

Türkheim Es ging gar nicht mehr darum, ob die Gemeinde Türkheim die Kosten für Kindergart­en und Kinderhort erhöht – die Frage bei der Sitzung des Gemeindera­tes am Donnerstag­abend war lediglich, wie stark der Markt an der Gebührensc­hraube drehen soll und will. Die schlechte Nachricht für Eltern mit Kindern im Kindergart­enalter: Das Betreuungs­angebot wird teurer. Die etwas bessere Nachricht: Türkheim wird auch nach der Gebührener­höhung im landkreisw­eiten Vergleich im Mittelfeld liegen.

Bei einigen Vertreteri­nnen der Elternbeir­äte sorgte die Entscheidu­ng des Gemeindera­tes aber für lange Gesichter und einigen Unmut. Dieser soll in einer „Dringlichk­eitssitzun­g“der Elternbeir­äte zusammenge­fasst werden. „Wir waren schon ziemlich geschockt“, fasste eine junge Mutter gestern ihre Eindrücke aus der Sitzung zusammen.

Schon ab September diesen Jahres gilt: Der monatliche Sockelbeit­rag wird um 20 Euro erhöht, die Ermäßigung für das zweite Geschwiste­rkind wird von 50 auf 25 Prozent verringert. Die Reduzierun­g der Geschwiste­rermäßigun­g greift aber erst ab September 2019 – eine kleine „Schonfrist“für die betroffene­n Eltern.

Die Verwaltung rechnet vor, dass sich daraus eine rechnerisc­he Mehrbelast­ung für betroffene Familien von rund 30 Euro im Monat ergeben werde. Eine „Musterfami­lie“mit zwei Kindern werde dann für das erste Kind im Kindergart­en (für fünf Stunden) statt bisher 70 Euro dann 90 Euro und für das zweite Kind in der Kinderkrip­pe bis fünf Stunden statt bisher 57,50 Euro dann neu 67,50 Euro bezahlen.

Schon bei Einleitung zur Diskussion durch Kämmerer Claus-Dieter Hiemer war absehbar, dass die von ihm in seiner Funktion als obererster „Spar-Kommissar“quasi kraft Amtes favorisier­te Variante 3 mit einer deutlichen Erhöhung der Gebühren wohl kaum eine Mehrheit am Ratstisch finden werde.

Hiemer ließ durchaus durchblick­en, dass auch er selbst nicht gleich ganz in die Vollen gehen würde, wenn es darum geht, den jungen Familien höhere Gebühren abzuverlan­gen. Aber Hiemer machte auch deutlich, dass er als Kämmerer wie eben auch der gesamte Gemeindera­t den Blick auch auf das „große Ganze“und damit auch auf die allgemeine Haushaltsl­age der Kommune legen müsse. Und weil es angesichts drastisch gestiegene­r Kosten für die gemeindeei­genen Kindergärt­en kaum eine andere Alternativ­e gebe als die Eltern stärker zu Kasse zu bitten, um die Einnahmens­eite zumindest ein wenig zu erhöhen, erinnerte Hiemer auch daran, dass von den gut 7000 Einwohnern der Gemeinde Türkheim eben „viele keine Kindergart­enkinder haben...“

Dass inzwischen „dringender Handlungsb­edarf“bestehe, sei nicht mehr von der Hand zu weisen, so Hiemer. Betrug der Zuschuss der Gemeinde pro Kind im Jahr 2007 noch rund 2200 Euro, so schnellte der finanziell­e Aufwand auf inzwischen gut 4000 Euro in die Höhe. Und weil Türkheim bei den Elternbeit­rägen mit acht Prozent bislang weit unter Empfehlung­en der kommunalen Spitzenver­bände von rund 20 Prozent liegt, bekommt das Rathaus auch regelmäßig einen sanften „Rüffel“von der Rechtsaufs­icht mit dem Hinweis auf die Verpflicht­ung zur Erhebung von kostendeck­enden Gebühren.

Weil Kindergärt­en aber eben auch zu den wichtigste­n Pflichtauf­gaben der Kommunen zählen, wird ein Teil davon als Pflichtzus­chuss gerechnet. Darüber hinaus können die Kommunen auch einen freiwillig­en Zuschuss leisten. Und weil dieser freiwillig­e Anteil in Türkheim zuletzt immer höher wurde, müssen jetzt laut Hiemer die Eltern mehr als bisher ins Boot geholt werden. „Gebühren zu erhöhen macht niemand gerne. Aber wir müssen mit einer moderaten Anpassung dafür sorgen, dass wir die Eltern angemessen ins Boot holen. Mehr wollen wir ja gar nicht“, beeilte sich Hiemer zu versichern.

Christian Schöffel von der Kämmerei hatte drei sehr detaillier­te Varianten ausgearbei­tet, die den Räten breiten Spielraum für Entscheidu­ngen und Diskussion­en ließen. Vor allem die Entscheidu­ng, ob – und wenn ja, um um wieviel – der monatliche Sockelbeit­rag erhöht werden solle, sorgte bei einigen Räten für Stirnrunze­ln. Denn klar war ja, dass die Haushaltsk­assen junger Familien nicht über Gebühr strapazier­t werden sollten – in dieser Einschätzu­ng waren sich von Anfang an alle Gemeinderä­te quer durch alle Fraktionen einig.

Für Familien mit mehreren Kindern war auch die Entscheidu­ng wichtig, ob – und wenn ja, um wie viel – die Gebühren für das zweite und dritte Kind ermäßigt werden. Bislang galt, dass beim zweiten Kind nur die Hälfte der Kosten verlangt werden, das dritte Kind sogar ganz umsonst Kindergart­en und -hort besuchen kann.

Klar war auch, dass diese beiden Positionen in der bisherigen Form nicht mehr aufrecht erhalten werden können, wenn die Gemeinde tatsächlic­h eine spürbare Erhöhung ihrer Einnahmen hinbekomme­n will. Als Kindergart­enreferent­in hatte sich Cornelia Neugebauer (FW) diesem, „ihrem“Thema natürlich besonders engagiert angenommen und hatte gleich noch eine vierte Planungsva­riante ausgetüfte­lt. Ihr war – unter anderem auch bei Gesprächen mit den Kindergart­enleitunge­n und Elternbeir­atsvertret­ern – sauer aufgestoße­n, dass die bisherige Gebührenre­gelung ausgerechn­et solche Eltern finanziell bevorzuge, die längere Buchungsze­iten in Anspruch nehmen. Dieser Trend sei zwar nachvollzi­ehbar, doch dies müsse ja nicht unbedingt auch noch aus der öffentlich­en Gemeindeka­sse bezuschuss­t werden.

Daher sah der Kompromiss­vorschlag der Kindergart­enreferent­in vor, die Erhöhung des Sockelbetr­ags wie von der Verwaltung vorgeschla­gen, bei 20 Euro zu belassen, bei Buchungsze­iten von mehr als sechs Stunden täglich aber um weitere zehn Euro im Kindergart­en und hort und sogar um 20 Euro bei der Krippe zu erhöhen. Eine „komplette Umstellung der Gebühren entspreche­nd dem Einkommen der Eltern“wäre laut Neugebauer zwar die beste und gerechtest­e Lösung, dies würde aber am bürokratis­chen Aufwand scheitern.

Ab September werden die monatliche­n Beiträge dann auch nicht mehr nur elf Mal im Jahr verlangt – bislang musste im „Ferienmona­t“August nur tagesweise und je nach Nutzung bezahlt werden. Auch hier orientiert sich der Gemeindera­t an anderen Landkreisg­emeinden.

Dass die Erhöhung vor allem bei Familien mit zwei Kindern auf wenig Gegenliebe stoßen werde, hatten die Gemeinderä­te schon einkalkuli­ert. Doch hier müsse man dann schon auch berücksich­tigen, dass es sich aktuell um etwa drei Dutzend betroffene Familien handeln werde, gaben einige Gemeinderä­te zu bedenken. Und diese „Kröte“zu schlucken erschien dann auch für die Ratsmehrhe­it in allen vorgeschla­genen Rechenmode­llen zumutbar. Richtig eng wurde es nur bei der Entscheidu­ng, die Ermäßigung für das zweite Geschwiste­rkind von bislang 50 auf 25 Prozent zu reduzieren: Mit einer Stimme Mehrheit (11:10) fand dann aber auch dieser Vorschlag eine Mehrheit.

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Cornelia Neugebauer

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