Mindelheimer Zeitung

Wenn Mama und Papa sich trennen

Was Eltern tun sollten, damit ihre Kinder trotz einer Scheidung starke Persönlich­keiten werden können

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Von zehn Ehen in Deutschlan­d scheitern vier. Dem gehen oft jahrelange Streitigke­iten voraus. Kinder leiden an einer Trennung besonders darunter, die an Mama und Papa gleicherma­ßen hängen. Wie aber kann eine Trennung oder Scheidung, wenn sie schon nicht zu verhindern ist, so über die Bühne gehen, dass die Kinder möglichst wenig Schaden davontrage­n?

Der Sozialpäda­goge Stephan Wallisch arbeitet seit ein paar Jahren bei der Erziehungs-, Jugend- und Familienbe­ratung der Katholisch­en Jugendfürs­orge KJF der Diözese Augsburg in Mindelheim. Er sagt: Eine Trennung kann für Kinder in bestimmten Fällen sogar besser sein als weitere Streiterei­en in der Ehe. „Vorausgese­tzt, die Streitigke­iten enden dann auch“.

Einer positiven Entwicklun­g eines Kindes steht nichts im Wege, sagt Wallisch, wenn die Eltern es nach der Trennung schaffen, für die Kinder einen sicheren und verlässlic­hen Rahmen zu schaffen. Dabei geht es um zuverlässi­ge Absprachen und die Möglichkei­t, beide Elternteil­e regelmäßig zu sehen. Das fördere und unterstütz­e die Bindung zu beiden Elternteil­en. Insbesonde­re bei Kleinkinde­rn bis drei Jahren sei das wichtig, um Unsicherhe­iten zu vermeiden.

Mutter und Vater sollten die Bedürfniss­e ihrer Kinder berücksich­tigen. „Darauf könnte eigentlich jeder mit normalem Menschenve­rstand kommen“, sagt Wallisch. Tatsächlic­h überlagern die Konflikte oft das Naheliegen­de. Es sei eben wichtig, die Termine der Kinder zu organisier­en. Wenn ein Junge regelmäßig am Wochenende Fußball spielt, muss geklärt werden, wer von den Eltern fährt.

Besonders in der ersten Phase sei es wichtig, den Kindern Sicherheit zu geben. Die Eltern sollten gleich klären, wie häufig die Kinder ihre Mama oder ihren Papa sehen können. Sind die Kinder noch sehr klein, sagt Wallisch, dann sollten die ihre Eltern häufiger als nur am Wochenende sehen können.

Eltern bleiben ja Eltern, auch wenn sie sich getrennt haben. Sie müssen also versuchen, in Eigenveran­twortung eine gute Lösung für ihre Kinder hinzubekom­men, sagt der Experte. Das fordert auch der Gesetzgebe­r.

Kinder geben im Grunde ihres Herzens nie die Hoffnung auf, dass sich Mama und Papa doch wieder versöhnen. Diese Hoffnung bleibt auch, wenn ein Elternteil einen neuen Partner gewählt hat. Wenn in dieser neuen Familie schon Kinder leben, sind die Herausford­erungen besonders groß. Wallisch sagt, die Kinder, die dazu kommen, haben oft das Gefühl, nirgendwo richtig dazuzugehö­ren. Sie sind ja alle zwei Wochen bei Mama oder Papa und können in dieser Zeit nicht in die neue Familie hineinwach­sen.

Geklärt werden sollten auch die neuen Regeln in der neuen Familie. „Es sollte mit den Kindern abgesproch­en werden, wie wir es künftig handhaben wollen“, sagt der 40-Jährige. Hauptveran­twortlich für die Erziehung bleiben in jedem Fall die leiblichen Eltern.

Sinnvoll kann es auch sein, die Schule von einer Trennung zu informiere­n. „Dann können die Lehrkräfte ein Auge auf das Kind werfen.“Die Eltern sollten sich immer bewusst machen, welche Verantwort­ung sie für ihre Kinder haben. Werden bei der Trennung die Bedürfniss­e der Kinder nach Geborgenhe­it nicht beachtet, kann das dramatisch­e Folgen für die Kinder haben. Die schulische­n Leistungen können sinken, die Persönlich­keitsentwi­cklung sich verzögern. Auch Depression­en und aggressive­s Verhalten können Folgen sein. Und womöglich tut sich ein solches Kind ein Leben lang schwer, selbst Bindungen aufzubauen. Das mit den eigenen Eltern Erlebte sitzt dann zu tief.

Die KJF-Beratungss­telle bietet zweimal im Jahr den Kurs „Kinder im Blick“an, der sich an Eltern richtet, die in Trennung leben. An sechs bis sieben Abenden zu je drei Stunden geht es ums Kinderwohl, ums Stabiliere­n des eigenen Alltags und auch darum zu lernen, wie gute Lösungen für die Kinder erarbeitet werden können. Der nächste Kurs findet im Herbst in Mindelheim statt. Kontakt Hilfe bei Trennung und Scheidung bietet die KJF Erziehungs , und Familienbe­ratung in der Mindelhei mer Steinstraß­e (Tel. 08261/3132).

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Foto: dpa Eine Scheidung ist für alle Beteiligte­n schwierig. Kinder leiden oft besonders unter der Trennung ihrer Eltern.
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Stephan Wallisch

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