Mit Winckelmanns Augen
Münchens Antikensammlungen erinnern an den großen Vermittler der Antike
München Sein Ende war dramatisch und lässt bis heute Raum für die wildesten Spekulationen. Vor 250 Jahren, am 8. Juni 1768, wurde in Triest Johann Joachim Winckelmann ermordet, mutmaßlich infolge einer homoerotischen Affäre. Der deutsche Antikenforscher, 1717 in Stendal geboren, war eine europaweit geachtete Berühmtheit, mit seinen Ansichten zur Kunst und insbesondere zur Antike war er der Begründer der modernen Archäologie und Kunstwissenschaft. Nicht nur Goethe und Lessing waren beeindruckt von der Begeisterung und Präzision, mit der Winckelmann die Kunst der alten Griechen beschrieb (genau genommen die römischen Kopien, die er damals noch für Originale halten musste). Sein Satz von der „edlen Einfalt und stillen Größe“, die den griechischen Werken innewohne, machte Epoche.
Was aber hatte dieser große Kenner der Antike, der 1755 nach Rom geholt und dort später zum obersten Denkmalpfleger bestellt worden war, konkret vor Augen? Wer ließ sich von ihm inspirieren? Und wie hat Johann Joachim Winckelmann auf eine ganze Kunstepoche – den Klassizismus – und darüber hinaus gewirkt? Diese keineswegs einfachen Fragen werden in einer fabelhaften Studioausstellung der Staatlichen Antikensammlungen in München mit vielsagenden Objekten beantwortet.
In der Landeshauptstadt kann man aus dem Vollen schöpfen. Das liegt vor allem an der Antikenbegeisterung des bayerischen Kronprinzen und späteren Königs Ludwig I., der sich an Winckelmanns Schriften orientierte – etwa bei der Planung der Glyptothek durch Leo von Klenze. Und dann hat Ludwig nicht lange gefackelt, als die hochkarätige Kollektion des römischen Kardinals Albani zum Verkauf stand. Auf diese Weise sind der Winckelmann’sche Faun oder der Knabe mit der Siegerbinde nach Bayern gelangt.
Dass sich Ludwig in jungen Jahren von der erfolgreichen Angelika Kauffmann porträtieren ließ, schafft schließlich eine weitere Verbindung zu Winckelmann. Auch der saß einst vor der Staffelei der Malerin und blieb bis zu seinem Tod vor 250 Jahren mit ihr befreundet. Wobei Kauffmann intensiv von der antiken Literatur inspiriert wurde und mit einem durchaus weiblichen Blick neue Erzähltypen erfunden hat. Auch das zeigt die von der Archäologin Astrid Fendt kuratierte Schau „Tod in Triest“.
Am Ende, das ist das i-Tüpfelchen, darf man eintauchen in die Folgen von Winckelmanns Wirken. Dank der Münchner Privatsammlung „Arcadia ca. 1800“entsteht ein feinsinnig klassizistisches Wohnambiente zwischen Möbeln, von antiken Öllampen inspirierten Tintenfässern oder Teekannen und einem hinreißenden kleinen WedgwoodRelief mit typisch vergissmeinnichtblauem Fond. Ausstellung „Tod in Triest“läuft bis zum 9. Dezember in den Antiken sammlungen am Königsplatz in München, geöffnet Di. bis So. 10 – 17 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.