Nur am Anfang fremdelten sie noch etwas
Warum sich Nassenbeuren und Oberauerbach als Teil von Mindelheim wohl fühlen
Nassenbeuren/Oberauerbach Konnte diese Ehe gut gehen? Eine Liebesheirat war das nicht vor 40 Jahren. Auf der einen Seite zwei selbstbewusste Dörfer, die plötzlich ihre Eigenständigkeit aufgeben mussten: Oberauerbach mit seinen heute 370 Einwohnern und Nassenbeuren, das 830 Bewohner zählt. Auf der anderen Seite eine aufstrebende Kreisstadt mit viel Gewerbe, Industrie, Einkaufsmöglichkeiten und Verwaltung mit gut 10 000 Einwohnern, die das Zentrum für den damals noch jungen Flächenlandkreis Unterallgäu bildete.
Die Anfänge des Zusammenschlusses mit Mindelheim waren nicht ganz einfach, wie die beiden Ortssprecher Manfred Salger (Oberauerbach) und Wolfgang Streitel (Nassenbeuren) im Redaktionsgespräch mit der MZ einräumen. Dass geheiratet werden musste, war klar. Die Gebietsreform forderte der Übervater ein, der Freistaat Bayern. Geheiratet werden musste, da führte kein Weg vorbei.
Die Oberauerbacher liebäugelten lange mit Stetten. Auch Kammlach war eine mögliche Braut. Salger war 1978 acht Jahre jung, und er kann sich noch gut an die Debatten am heimischen Esstisch erinnern. Wegen Wasserrechten „war mit Stetten dann nichts mehr gegangen“. Beide hatten sich auseinandergelebt. Weil Oberauerbach aber schon dem Mindelheim angehörte und auch das Mindelheimer Standesamt zuständig war und sogar die Wasserversorgung über die Kreisstadt lief, war die Mitgift der Mindelheimer einfach größer.
In Nassenbeuren war die Gefühlslage 1978 ähnlich. Ein Zusammengehen mit Westernach war eine Option. Diskutiert wurde auch eine Verwaltungsgemeinschaft mit all den umliegenden Orten, die heute zu Mindelheim gehören. Am Ende kamen alle zur Kreisstadt.
Die Sorge anfangs sei groß gewesen, dass die Ortsteile unter die Räder kommen könnten, dass sich niemand um die Belange der Menschen in Oberauerbach und Nassenbeuren kümmern werde. Anfangs hatten die Neu-Mindelheimer tatsächlich das Gefühl, mit ihren Anliegen eher eine Nebenrolle zu spielen, sagt Salger.
Vor allem unter dem amtierenden Bürgermeister Stephan Winter habe sich das massiv verbessert. „Die Ortssprecher wurden früher noch nicht so gehört wie heute“, sagt Salger, der wie sein Kollege Streitel gewählter Stadtrat ist und die Rolle des Ortssprechers zusätzlich ausfüllt. In Ortsteilen, die keinen Stadtrat haben, kann die Bevölkerung einen solchen Ortssprecher wählen. Der darf dann an allen Sitzungen teilnehmen und hat im Stadtrat auch Rederecht.
Im Bauausschuss zum Beispiel ist es üblich, dass bei einem Bauvorha- ben etwa in Nassenbeuren die Einschätzung des Ortssprechers eingeholt wird. „Für mich sind die Ortssprecher wesentliches Bindeglied zur Stadt“, sagt Streitel. Ihre wichtige Rolle ist ausdrücklich im Einigungsvertrag hervorgehoben.
Da muss auch nicht immer das große Rad gedreht werden. Wenn sich ein Bürger über nicht geräumte Wege beklagt, rufen Streitel und Salger schon mal direkt im Bauhof an. Dort treffen sie auf große Hilfsbereitschaft, betonen beide. Dieser kleine Dienstweg hat sich inzwischen eingespielt.
Oft sind es gerade diese vermeintGrundschulverband lichen Kleinigkeiten, die die Leute bewegen. Ein nicht gemähter Wiesenstreifen neben dem Gehweg stört eben so manchen. Und wenn dann rasch Abhilfe kommt, dann fühlen sich die Menschen ernst genommen.
Auch die Vereinsförderung finden beiden Ortssprecher besonders wichtig. Auf den Dörfern ist oft die Hälfte der Bevölkerung in den Vereinen aktiv. Das honoriert die Stadt Mindelheim, sagt Salger. Da werde viel Geld bereitgestellt, sagt Streitel. Der 42-jährige Streitel ist in Mindelheim aufgewachsen. Über den Weizen-Club, der sportliche Aktivitäten und Freizeitgestaltung organisiert, ist Streitel in Nassenbeuren angekommen. Heute ist er in fast allen der 13 Vereine in Nassenbeuren Mitglied.
Bei Manfred Salger ist das nicht anders, allerdings gibt es im deutlich kleineren Oberauerbach nur vier Vereine.
Dass es in Nassenbeuren mit der Stadt gelungen ist, ein kleines Neubaugebiet auszuweisen, hebt Streitel hervor. Alle fünf, sechs Jahre sollten Flächen bereitgestellt werden, damit vor allem die Einheimischen die Chance haben, in ihrem Ort zu bauen. Bauen auf der grünen Wiese ist aber nur die zweitbeste Lösung. „Wir dürfen die Ortskerne nicht aussterben lassen“, sagt Streitel. In Nassenbeuren und Oberauerbach gibt es zwar einige schöne Beispiele von sanierten Häusern. Aber die beiden Ortssprecher wünschen sich, dass der Staat Hausbesitzer stärker unterstützt, die im Dorf bauen wollen. „Die Staatsregierung sollte hier ein Programm auflegen“, regt Streitel an.
Beide üben ihr Ehrenamt seit ein paar Jahren mit großem Zeitaufwand, aber auch mit großer Begeisterung aus. Um so mehr freuen sie sich auf die kommenden Wochenenden.
In Oberauerbach wird die Eingemeindung zuerst gefeiert, in Nassenbeuren eine Woche später (siehe Kasten). Die Partner sind in die Jahre gekommen. Es ist eine stabile Beziehung.