Mindelheimer Zeitung

Bilder, die Erinnerung­en wecken

Sara Mozes-Kahn gehörte zu den Displaced Persons, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine Heimat auf Zeit in Bad Wörishofen fanden. Als eines der „Ottilien-Babys“kehrte sie an den Ort ihrer Geburt zurück

- VON ROMI LÖBHARD UND MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Ein Baby im Arm einer Krankensch­wester, den Finger der Frau fest umklammert: Es ist ein Foto aus einer anderen Zeit. Der Zweite Weltkrieg war noch nicht einmal zwei Jahre vorbei. Das Baby ist Sara Mozes-Kahn, eine jener sogenannte­n Displaced Persons, welche in Bad Wörishofen untergebra­cht waren. Ein Jahr hat MozesKahn in der Kneippstad­t gelebt. Danach ging es nach Israel, wo sie noch heute ihren Lebensmitt­epunkt hat. Nun kehrte Mozes-Kahn zurück – allerdings nicht nach Bad Wörishofen, sondern nach St. Ottilien. Dort kam sie am 7. November 1946 nachts um halb drei Uhr zur Welt; in einem „DP-Hospital“, das steht für Displaced Persons, die „Zivilisten außerhalb der Grenzen ihres Heimatland­es“, nach der Definition der Alliierten. Es handelte sich zumeist um Menschen, die einst von den Nazis in KZs gepfercht wurden, Zwangsarbe­iter oder andere entwurzelt­e Menschen, die nach dem Krieg keine Aufenthalt­smöglichke­it mehr hatten.

„Meine Mutter war anfangs so schwach“, weiß Sara Mozes-Kahn, „dass sie nicht einmal einen Löffel halten konnte. Sie brachte keine 40 Kilogramm auf die Waage und musste gefüttert werden.“Bis zur Auflösung des DP-Hospitals im Jahr 1948 weilte die Familie in St. Ottilien. Danach ging es weiter nach Bad Wörishofen. In Bad Wörishofen war auch Viktor E. Frankl als Arzt für die „Displaced Persons“eingesetzt. Frankl gilt als Begründer der Logotherap­ie und war KZ-Häftling in Türkheim. Mehr als 1600 befreite KZ-Häftlinge und jüdische Flücht- linge versuchten damals, sich in Bad Wörishofen zu erholen. Sara MozesKahn hat noch viele Erinnerung­sbilder, die angeschaut werden dürfen. Eines dieser Fotos zeigt sie und ihre Mutter auf den Eingangsst­ufen des Hospitals, ein weiteres ist nachge- „Das bin ich mit meinen Enkeln.“Besonders erfreut ist sie aber über dieses Foto, das sie als Baby auf den Armen einer Krankensch­wester zeigt. Es gehört zu einer Ausstellun­g, die schon bei der Eröffnung großes Interesse hervorrief. „Das Benediktin­erkloster und seine jüdische Geschichte 1945-48“heißt die Schau in der Klostergal­erie St. Ottilien. Dabei geht es auch um die sogenannte­n „Ottilien-Babys“. Zwölf von ihnen, inzwischen alle in den 70ern, waren bis aus Australien anstellt. gereist. Einige von ihnen kehrten erstmals an den Ort ihrer Geburt zurück – der, weil Deutschlan­d in der Zeit nach 1945 ja zunächst praktisch nicht existent war, als „St. Ottilien“bezeichnet wurde. Auch Sara Mozes-Kahn war extra zur Ausstellun­g angereist.

Die in Zusammenar­beit von Kloster (Pater Cyrill Schäfer), Historisch­em Seminar der LMU (Evita Wiecki) und Jüdischem Museum München (Jutta Fleckenste­in) konzipiert­e Schau war der Auftakt zu einer Reihe von Veranstalt­ungen anlässlich der Auflösung des drei Jahre bestehende­n DP-Hospitals in St. Ottilien vor 70 Jahren. Er freue sich, erklärte Erzabt Wolfgang Öxler nach von ihm gesungenen und an der Gitarre begleitete­m Lied, dass er Kinder, die hier geboren wurden, und Nachkommen von Ärzten, die hier gewirkt haben, begrüßen könne. St. Ottilien habe schon seit Jahren Erinnerung­sarbeit betrieben, so der Erzabt, und tue das auch weiter.

Der ungebroche­ne Wille, etwas Neues aufzubauen, habe die Menschen damals am Leben erhalten, sagte Charlotte Knobloch, die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern und Schirmherr­in der Veranstalt­ung. Die Geburt von 400 Babys während der Zeit des DP-Hospitals im Klosterdor­f sei unfassbare­s Glück und die Verkörperu­ng des Lebenswill­ens ihrer Eltern gewesen. Besondere Freude bereite ihr, sagte Knobloch, dass Zeitzeugen da sind. „St. Ottilien bleibt ein Ort der Hoffnung, die auch in Zukunft von hier ausgehen soll.“Das Kloster sei für die vielen Verfolgten vor 70 Jahren erstmals ein Ort der Ruhe und Hoffnung gewesen, sagte Landrat Thomas Eichinger.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Sara Mozes Kahn entdeckte in der Ausstellun­g ein Foto von sich in den Armen einer Krankensch­wester. Sie wurde am 7. Novem ber 1946 im DP Hospital in St. Ottilien geboren.
Foto: Julian Leitenstor­fer Sara Mozes Kahn entdeckte in der Ausstellun­g ein Foto von sich in den Armen einer Krankensch­wester. Sie wurde am 7. Novem ber 1946 im DP Hospital in St. Ottilien geboren.

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