Eltern kritisieren künftige Betreuungskosten
Türkheims Marktrat hält an den Erhöhungen von bis zu 43 Prozent fest. Ratsmitglied Roswitha Siegert nennt diese „unsozial“. Auch Eltern kritisieren den Umfang der Steigerung, die bis zu 1300 Euro jährlich ausmacht
Türkheim Die vom Gemeinderat beschlossene Erhöhung der Kindergartengebühren um bis zu 43 Prozent sorgt in der Marktgemeinde weiter für Unmut. „Die Gesamterhöhung hat uns sehr überrascht“, teilt der Elternbeirat von St. Elisabeth mit. Die Elternbeiräte baten die Markträte deshalb, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, nachzubessern und vor allem Familien mit zwei und mehr Kindern entgegenzukommen. Während Bürgermeister Christian Kähler versicherte: „Wir liegen mit unseren Gebühren im Mittelfeld“, sehen die von der Erhöhung Betroffenen den Markt inzwischen als „Spitzenreiter“mit den teuersten Kindergartenplätzen mit Angeboten über neun Stunden im Unterallgäu.
Dabei äußerten die Elternbeiräte durchaus Verständnis dafür, dass der Gemeinderat an der Gebührenschraube gedreht hat, wie die Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer in der jüngsten Sitzung des Gremiums betonte. Doch die Bitte, bei den Gebühren zurückzurudern, wurde nicht erfüllt. Die Markträte hielten an ihrem Beschluss fest. „Wenn wir jetzt wieder anfangen, etwas zu ändern, machen wir ein Fass ohne Boden auf“, warnte Annemarie Huber. Um Verständnis für die Anhebung der Gebühren warb Jens Gaiser. Auch er hielt an dem Beschluss fest. Keinen Anlass, diesen zurückzunehmen, sah auch Irmgard Schäffler. Auch Josef Vogel hält höhere Gebühren für gerechtfertigt. Er sprach von einem „Tropfen auf dem heißen Stein“, da nach seiner Meinung nur 20 Familien von der finanziellen Mehrbelastung betroffen seien. Auch Gudrun Kissinger-Schneider will an dem Beschluss festhalten. Sie wies auf die steigenden Aushaben der Gemeinde hin. Man habe jahrelang nicht vorausschauend gehandelt. Dafür müssten jetzt die Eltern geradestehen, kritisierte sie allerdings.
Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer unterstütze die Bitte der Elternbeiräte für eine Reduzierung der Gebühren. Sie plädierte dafür, auf die Verschlechterungen bei der Geschwisterermäßigung ganz zu verzichten. „Familien mit mehreren Kindern, die gleichzeitig eine Einrichtung besuchen, sind von der Gebührenerhöhung besonders betroffen“, argumentierte sie. Ähnlich sah dies auch Roswitha Siegert. Für Siegert ist die Gebührenerhö- „unlogisch, ungerecht und unsozial. Sie muss neu überdacht werden“, forderte sie. Besonders entsetzt zeigte sich Siegert über die Berechnung der Nachmittagsbetreuung. „Das ist soziale Härte“, urteilte Siegert, die mit ihrer Meinung allerdings auf verlorenem Posten stand.
Die Markträtin rechnete dem Gremium vor: Für zwei Kinder wurden bisher jährlich 1320 Euro bezahlt, nach der neuen Gebührenordnung sind es 2100 Euro, also 780 Euro mehr. Sieben Stunden kosteten bisher 1425 Euro pro Jahr, ab September müssen 2520 Euro bezahlt werden. Mehrkosten: 1095 Euro pro Kind. Und noch eine Erhöhung die ins Geld geht: Bei sieben Stunden mussten für ein Kind in der Krippe bisher 1787,50 Euro entrichtet werden, künftig sind es 3105 Euro, was einer Verteuerung von 1317,50 Euro entspricht.
Insgesamt kommen auf die Eltern Mehrkosten in Höhe von mindestens 34 Prozent zu. Manche zahlen gar bis zu 43 Prozent mehr. Und ab 2019 schlägt zudem die Erhöhung des Geschwisterbeitrags zu Buche. In ihrer Stellungnahme an den Marktgemeinderat äußern die Elterbeiräte durchaus Verständnis für ein Drehen an der Gebührenschraube, nur mit der Höhe wollen sie sich nicht abfinden. Martina Kerle und Aleksandar Georgiev kritisieren die Erhöhung als „viel zu abrupt“und sehen in ihr einen „gravierenden Eingriff in die Haushaltskasse vieler Familien“. Zudem „waren wir über einen Vorschlag, nach dem die Nachmittagsstunden extra verteuert werden sollten, genauso wenig informiert wie über die geplante Einzelfallabstimmung“, kritisieren die Eltern. „So hatten wir im Vorfeld keine Möglichkeit zur Stellungnahhung me.“Solche Pläne „wurden uns gegenüber nie kommuniziert und alle mit uns gemeinsam erarbeiteten Vorschläge wurden abgelehnt.“
Stattdessen habe „für uns überraschend die Kindergartenreferentin Frau Neugebauer einen vierten Vorschlag ins Spiel gebracht, der eine zusätzliche Erhöhung für die Nachmittagsbetreuung vorsieht.“Dieser wurde vom Gemeinderat beschlossen. Aus Sicht des Elternbeirats werden durch die neuen Gebühren „Eltern, die ihr Kind ganztags betreuen lassen, benachteiligt.“Man empfehle stattdessen „einen linearen Anstieg, wie es auch vom Landratsamt Unterallgäu empfohlen wurde.“
Das Landratsamt teilt auf Anfrage nur mit, man habe die Gebührenerhöhung in Türkheim geprüft. „Rechtsaufsichtlich sind die Gebühren nicht zu beanstanden und stehen auch den Empfehlungen des Sozialministeriums nicht entgegen.“
Marion Gehlert, die Pressesprecherin des Ministeriums, sagt: „Hinsichtlich der Elternbeiträge gibt es keine staatlichen Vorgaben.“Der Staat würde aber für Familien mit geringem Einkommen sorgen. „Sie können beantragen, dass ihre Beiträge ganz oder teilweise von der wirtschaftlichen Jugendhilfe übernommen werden“.
Im letzten Jahr habe der Freistaat Bayern Familien mit Kindern vor der Einschulung mit 100 Euro monatlich von der Beitragszahlung entlastet.
Und was sagt Michael Helfert, der Leiter des Kindergartens St. Elisabeth zu den höheren Gebühren? „Meine Aufgabe ist es, Beschlüsse des Gemeinderates umzusetzen und sie weder zu kommentieren noch zu torpedieren“.