Wandern in Luxemburg? Echt jetzt?
Der höchste Berg des kleinen Landes ist 560 Meter hoch. Trotzdem wird es anstrengend. Aber es lohnt sich. Unterwegs im Norden auf dem Weg „Escarpardenne“
des. In der Nebensaison begegnet man kaum Menschen, auch nicht in den kleinen, modernen Orten unterwegs: Die Vorgärten „tipptopp“(das sagen die Luxemburger gerne), schöne Blumen vor den Fenstern.
Bauernhöfe gibt es wenige, Gasthäuser ebenfalls. Wer einfach loslaufen will, sollte zumindest einen Schlafsack dabeihaben. Damit steht einer Übernachtung in einem „Pod“auf einem Campingplatz nichts im Weg: Pods sind kleine runde Holzhäuser, die großen Fässern ähneln. Innen stehen zwei Betten, es gibt einen Lichtschalter und eine Steckdose. Mit der kleinen Terrasse samt Tisch und Stühlen davor lässt es sich schon aushalten Die Übernachtung für ein bis zwei Personen kostet 39,50 Euro. Alternativ werden neben Stellplätzen auch Safarihäuser angeboten. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den wohnwagenbegeisterten Campern aus den Niederlanden wissen die Luxemburger, was gefällt. Und seit der Wanderweg vor drei Jahren zum ersten Mal zertifiziert worden ist, hat Kevin in’ Groen vom Campingplatz in Kautenbach auch immer mehr Gäste, die zu Fuß und mit Rucksack kommen und Etappenstempel sammeln. Als Mittelding zwischen Pods und Häusern soll es bald Chalets geben.
Alternativ gibt es auch einige kleine, exklusive oder einfache Hotels. Am Ende jeder Etappe muss eine Unterkunft stehen. Das ist nur eines der Kriterien für das europäische Zertifikat. Am einfachsten ist es, eine komplette Tour mit Übernachtung und Gepäcktransport zu buchen. Gerade im Sommer sollte man sich frühzeitig um die Übernachtung kümmern.
Alternativ kann man von der Hauptstadt aus starten: Öffentliche Verkehrsmittel fahren oft und regelmäßig. Das Haltestellennetz ist weit verzweigt. Das Tagesticket für Bus und Zug kostet vier Euro. Und die Distanzen sind überschaubar: Luxemburg ist insgesamt 80 Kilometer lang und 55 Kilometer breit. Wer also früh aufsteht, kann eine große Etappe schaffen. Außerdem fährt man so dem Stau, und den gibt es jeden Tag, immer entgegen. Denn morgens schieben sich die Autos in die Hauptstadt, quellen Bus und Zug schier über. Abends wollen alle wieder heim aufs Land – es staut sich in die andere Richtung.
Die Städte im Norden haben ihren ganz eigenen Charme. Groß sind sie nicht, etwa Ettelbruck, der Startpunkt des Escapardenne, oder Clervaux. Auf der Burg dort ist die großartige Ausstellung „Family of men“zu sehen, Unesco-Weltdoku- mentenerbe. Der ehemalige Direktor der fotografischen Abteilung des New Yorker Museum of Modern Art, Edward Steichen aus Luxemburg, hatte sie in den 1950er Jahren konzipiert. Knapp 500 SchwarzWeiß-Fotos von Menschen aus der ganzen Welt sollen zeigen, dass wir alle eine große Familie sind. Ohne Rücksicht auf Aussehen, Alter, Religion oder Herkunftsland. Zehn Jahre lang war die Ausstellung damals auf Tournee. Teils gab es Kritik, doch vor allem zogen die Fotos Millionen von Menschen an. Seit 1994 haben sie ihre Heimat in Clervaux. Die Burg ist so groß, dass sogar das Rathaus und zwei weitere Dauerausstellungen Platz haben, eine über die Ardennenoffensive im Zweiten Weltkrieg und eine über die Burgen des Landes – in Form von Miniaturen.
Auch auf Burg Vianden, 30 Kilometer südlich, kann man Stunden verbringen. Der feudale Schlosspalast in der gleichnamigen Stadt thront nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt über dem Fluss Our. Über zwei Stunden dauert die Führung durch den gewaltigen Bau, der seit 40 Jahren saniert wird. Ein Mittelalterfest im Sommer, das Nussfest im Oktober oder Halloween-Partys für Kinder im Burgkeller locken Menschen nach Vianden. Schon Victor Hugo hatte der kleinsten aller zwölf Luxemburger Städte eine große touristische Zukunft vorhergesagt.
Immerhin saß schon Mick Jagger in dem Sessellift, der die Besucher von der Stadt aus hinauf zur Burg bringt. Noch ein kleiner Spaziergang auf einem schattigen Weg, schon steht man vor dem Burgtor. Von dort aus entdeckt man ein weiteres Kleinod: Ebenfalls über der Stadt liegt das, was die Luxemburger als „schönstes Freibad Westeuropas“bezeichnen. Wer in der Sommerhitze im Burghof steht und zwischen den Mauern das tiefe Blau aus den großen Becken des Viandener Freibads herüberglitzern sieht, gibt ihnen recht. Wer dort im Wasser liegt, sieht um sich herum nichts außer Himmel, Bäume und die Burg – die die Luxemburger „Schloos“nennen.
Überhaupt die Sprache: Luxemburger sprechen alle Deutsch und Englisch. Untereinander aber sprechen sie „Lëtzebuergesch“. Das klingt wie ein französisches Niederländisch. Der Saarländer versteht manches. Der Bayer nichts. Aber beide haben auf der Tour gelernt, dass man in Luxemburg nicht nur günstig tanken kann. Und dass man die Hügel nicht unterschätzen sollte.