Mindelheimer Zeitung

Notwendige Konfrontat­ion mit der dunklen Seite der Geschichte

In Mindelheim und Umgebung besuchen relativ viele Schüler das ehemalige Konzentrat­ionslager Dachau und andere Gedenkorte

- VON JONAS BAYER Foto: Bayer

Unterallgä­u Nur 40 Prozent der bayerische­n Schüler, kritisiert­e der sozialdemo­kratische Bildungsex­perte Martin Güll kürzlich im Bayerische­n Landtag, würden im Lauf ihrer Schulkarri­ere eine Stätte des Gedenkens an die Opfer des Nationalso­zialismus besuchen.

In Mindelheim und Umgebung scheint die Situation hingegen besser zu sein. Auf Anfrage bestätigte­n die Schulleite­r des Gymnasiums Türkheim, der Mittelschu­len Mindelheim und Pfaffenhau­sen sowie der Realschule und des Gymnasiums am Maristenko­lleg jährliche Klassenfah­rten der neunten Jahrgangss­tufe nach Dachau; an der Mittelschu­le Türkheim fahren bereits die Achtklässl­er. Jeder Schüler, fasst die Rektorin der Realschule am Maristenko­lleg, Maria Schmölz, den allgemeine­n Tenor zusammen, solle bis zum Abschluss einmal in Dachau gewesen sein.

Dort erinnert eine Gedenkstät­te an das ehemalige Konzentrat­ionslager, wo die Nationalso­zialisten ab 1933 politische Gegner, später auch Angehörige anderer verfolgter Gruppen interniert­en, misshandel­ten und häufig ermordeten.

Neben diesen fest institutio­nalisierte­n Exkursione­n nach Dachau werden auch noch weitere Gedenkstät­ten besucht. Etwa ist es üblich, dass ein Teil der Oberstufe des Gymnasiums am Maristenko­lleg im Rahmen einer freiwillig­en Studienrei­se nach Auschwitz fährt, wo – anders als in Dachau – jene industriel­l organisier­te Menschenve­rnichtung stattfand, die die Verbrechen des Nationalso­zialismus bis heute einzigarti­g macht. Jüngere Klassen, erklärt die stellvertr­etende Leiterin Brigitte Luther, fahren gelegentli­ch zum Dokumentat­ionszentru­m Reichspart­eitagsgelä­nde in Nürnberg, einem Museum über den Nationalso­zialismus. Und Schüler des Gymnasiums Türkheim besuchen in der sechsten oder siebten Klasse den KZ-Friedhof vor Ort, ein ehemaliges Dachau-Nebenlager.

2015 lehnte die CSU im Landtag einen Antrag der Freien Wähler ab, der den Besuch einer NS-Gedenkstät­te für alle Schüler festgeschr­ieben hätte. Insbesonde­re Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­s der Juden, hatte sich dafür eingesetzt. Stattdesse­n wurde der Besuch

Besuche werden vom Landtag empfohlen

einer Gedenkstät­te nur empfohlen. Mit einem neuen SPD-Antrag, der keinen festgeschr­iebenen Besuch für jeden Schüler, wohl aber deutliche Investitio­nen in die mit dem Andrang überforder­ten Gedenkstät­ten vorsieht, ist die Debatte nun wieder aufgeflamm­t. Josef Reif etwa, Schulleite­r am Joseph-Bernhart-Gymnasium Türkheim, sieht die Sache anders als die Landtagsme­hrheit damals. Ob mindestens ein Besuch einer NS-Gedenkstät­te zur Pflichtver­anstaltung werden sollte? „Das hielte ich für sehr sinnvoll; wir handhaben es ohnehin so.“

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Eine Exkursion zum KZ Friedhof bei Türkheim steht für viele Schüler im Unterallgä­u auf dem Stundenpla­n.

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