Quo vadis, Nahverkehr?
Der Kreisausschuss beschließt den aktualisierten Nahverkehrsplan für die Region. Auch Schwachstellen wurden dabei thematisiert
Unterallgäu Der Kreisausschuss hat sich mit dem aktualisierten Nahverkehrsplan befasst – doch einer fehlte: Detlef Woiwode vom Planungsbüro für Verkehr Bornkessel & Markgraf aus Berlin. „Er ist auf dem Weg zu uns mit der Bahn gescheitert“, hieß es als Entschuldigung: Der Zug des Planers war liegen geblieben, er hätte Mindelheim nur mit mehrstündiger Verspätung und vermutlich erst nach Ende der Ausschusssitzung erreicht. Doch Claudia Bohner-Degrell von der RheinMain-Verkehrsverbund Servicegesellschaft, die ebenfalls an der Aktualisierung des Plans beteiligt war, war sich sicher: „Wir schaffen das.“
Und so stellte die Diplom-Ingenieurin die Erkenntnisse zahlreicher Fragebögen und Sitzungen dem Kreisausschuss öffentlich vor. Seit 1993 bilden der Landkreis Unterallgäu und die Stadt Memmingen einen gemeinsamen regionalen Nahverkehrsraum. Der entsprechende Plan dazu wurde 1996 im Kreistag beschlossen und wird seitdem regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Die letzte Fassung wurde 2005 verabschiedet. Nun war es wieder so weit: 2015 wurde der Auftrag vergeben, die Planer machten sich ans Werk.
Es ging um den aktuellen Zustand des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in der Region, inklusive Schwachstellen und Barrierefreiheit. Auch voraussichtliche Entwicklungen wie neue Siedlungen oder Verkehrsprognosen sind darin enthalten. Der Nahverkehrsplan enthält Maßnahmen und den nötigen Rahmen. „Es ist ein Strategiepapier für die nächsten Jahre“, sagte Bohner-Degrell. „Ein Rahmen, anhand dessen gesteuert werden soll.“
Für ihren Vortrag griff sie einige wichtige Unterpunkte des Plans heraus. Um die Schwachstellen des Nahverkehrs zu analysieren, wurden unter anderem Elternbeiräte und Bürger befragt – eine „sehr gute Grundlage, die nur wenige andere in dieser Form haben“, erläuterte die Verkehrsexpertin. Die Mängel wurden kategorisiert und können so nun im Detail angegangen werden. Während das Liniennetz in der Region gut ausgebaut sei und man permanent Haltestellen nach Bedarf entwickle, schneide die Region bei den Kapazitäten eher schlechter ab: Es gebe teils lange Wartezeiten für die Schüler und volle Busse. Langfristig gesehen soll es ein E-Ticket geben, das Bus und Bahn vereint und elektronisch gebucht werden kann. Verbesserungspotenzial gebe es im Bereich Marketing und Fahrgastinformation, wozu beispielsweise elektronische Anzeigen gehören.
Ein weiteres Schlaglicht warf Bohner-Degrell auf das Thema Barrierefreiheit. Ziel sei es, eine Strategie zu entwickeln, wie Barrieren beseitigt werden können. Wie sie betonte, gehe es dabei nicht nur um Blinde oder Gehbehinderte, sondern auch Menschen mit geistigen Einschränkungen. Um eine Barrierefreiheit strategisch angehen zu können, wurden die Haltestellen in drei Kategorien eingeteilt: Oberste Priorität beim barrierefreien Umbau haben Haltestellen an Kreuzungspunkten zu anderen Linien oder zur Bahn sowie dort, wo viele alte oder behinderte Menschen sie nutzen, also an Altersheimen, Krankenhäusern, aber auch Rathäusern. In die zweite und größte Kategorie fallen zentrale Haltestellen in Ortschaften, in die dritte Gruppe die einfachen Zu- und Ausstiegsstellen. Zudem wurden Ausnahmen definiert, an denen eine Barrierefreiheit nicht möglich ist, beispielsweise wegen einer Hanglage oder weil die Haltestellen nur vorübergehend sind. „Das ist nicht fix, das ist ein flexibles System“, betonte die Diplom-Ingenieurin. Ein weiteres Kapitel im Nahverkehrsplan widmet sich der Rahmenkonzeption. Die Buslinien wurden unterteilt in ein Haupt- und Nebennetz sowie in ein Schülerergänzungsnetz. So lassen sich Standards wie eine bestimmte Taktung leichter festlegen und überprüfen.
Eine „gute Grundlage für den ÖPNV im Unterallgäu“sei der fortgeschrieben Nahverkehrsplan, fasste Claudia Bohner-Degrell zusammen. Entstanden ist er in Zusammenarbeit mit vielen: der Verwaltung, den Verkehrsunternehmen, den Behindertenbeauftragten, den ÖPNV-Räten des Landkreises und der Stadt sowie den Städten, Gemeinden und der Regierung von Schwaben. Es sei eine „sehr umfangreiche Arbeit über zwei Jahre“gewesen, erklärte Kreisrätin Ingrid Fickler (CSU). Kritik übte sie an den Wartezeiten für die Schüler vor und nach dem Unterricht. Positiv sei aber das jährliche Treffen mit Schulleitern, das nun auch im Nahverkehrsplan festgeschrieben sei. Landrat Hans-Joachim Weirather blickte auch in Richtung Memmingen und Buchloe. „Wir können ohne Partner nicht handeln“, sagte er. „Eine Zusammenarbeit ist hier angesagt.“
Wie der für den Nahverkehr zuständige Landratsamtsmitarbeiter Gerhard Sommer erklärte, seien vor allem die Busse am Nachmittag für die Schüler mit späterem Schulschluss verbessert worden. „Da wo wir es nicht gemacht haben, konnten wir es nicht machen“, sagte er. Schnell wurde deutlich: Dreht man im Nahverkehr an dem einen Rädchen, hat das Einfluss auf viele weitere. „Es tut sich was und das ist gut“, sagte SPD-Kreisrat Michael Helfert zum Busverkehr im Landkreis. Sein Sorgenkind sei jedoch die Mittelschwabenbahn, die aufgrund der derzeitigen langen Wartezeiten in Pfaffenhausen und Krumbach und der damit einhergehenden „künstlichen Verlängerung der Fahrzeit“zunehmend an Attraktivität verliere. Er bat darum, dem nachzugehen. Wie Sommer sagte, gebe es bereits neue Fahrpläne, die dem Landratsamt vorlägen.
Einstimmig begrüßte der Kreisausschuss die Fortführung des Nahverkehrsplans und dessen Umsetzung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten und empfahl dem Kreistag, diese zu beschließen.
Es wird in verschiedene Netze unterteilt