Koalition schnürt Milliarden Paket für die Familien
Kindergeld und Kinderfreibetrag steigen. Wäre noch mehr Entlastung möglich?
Berlin Und sie regieren doch. Zwar hält der Streit zwischen CDU und CSU um die Zurückweisungen an der Grenze unvermindert an – in der Nacht zum Mittwoch allerdings hat sich der Koalitionsausschuss zumindest auf einen Kompromiss beim Baukindergeld geeinigt – auf die zeitweise aus finanziellen Gründen vorgesehene Begrenzung der Quadratmeterzahl wird verzichtet. Und am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett, Familien und die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen im kommenden und im übernächsten Jahr um insgesamt 9,8 Milliarden Euro zu entlasten. Ziel der Koalition sei „eine spürbare Stärkung der verfügbaren Einkommen von Familien“, betonte Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
Das sogenannte Familienentlastungsgesetz sieht im Einzelnen folgende Maßnahmen vor:
● Kindergeld und freibetrag: Das Kindergeld soll zum 1. Juli kommenden Jahres um zehn Euro pro Kind und Monat steigen. Für das erste und zweite Kind gibt es dann 204 Euro, für das dritte Kind 210 Euro und für jedes weitere Kind jeweils 235 Euro. Gleichzeitig wird der Kinderfreibetrag zur Sicherung des Existenzminimums ab 1. Januar 2019 von bisher 7428 Euro pro Kind auf 7620 und ein Jahr später dann auf 7812 Euro angehoben.
● Grundfreibetrag Der steuerliche Grundfreibetrag, der für Erwachsene das Existenzminimum absichert, steigt im nächsten Jahr von 9000 auf 9168 Euro und im Januar 2020 weiter auf 9408 Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern ist danach im Jahr 2020 ein Bruttojahreseinkommen bis zu 34 440 Euro steuerfrei. Im gleichen Umfang steigt auch der Höchstbetrag für die Absetzbarkeit von Unterhaltsleistungen.
● Kalte Progression Durch eine geringfügige Verschiebung des Steuertarifs sollen die Steuerzahler 2019 um 2,2 Milliarden Euro und 2020 um weitere 2,1 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden.
Nach Berechnungen des Finanzministeriums wird ein verheiratetes Paar mit zwei Kindern und einem Jahresbrutto von 42000 Euro im nächsten Jahr um 461 und 2020 um 707 Euro entlastet, bei einem Bruttoeinkommen von 66 000 Euro sind es 594 und 887 Euro. Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern und einem Einkommen von 31000 Euro muss 2019 288 Euro und 2020 431 Euro weniger Steuern bezahlen, bei einem Einkommen von 40000 Euro sind es 348 und 509 Euro.
Gleichwohl übten Sozialverbände und auch Vertreter des Wirtschaftsflügels der Union Kritik an den Plänen. Der katholische Caritasverband und die evangelische Diakonie etwa bemängelten, dass Familien, die Hartz IV beziehen, von der Erhöhung des Kindergeldes ausgeschlossen sind. Eine „Umsteuerung bei den Familienleistungen“sei nötig, um die wachsende Kinderarmut
In der Union regt sich Kritik
zu bekämpfen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Carsten Linnemann, begrüßte gegenüber unserer Zeitung dagegen die geplanten Entlastungen, „schließlich sind wir bei Steuern und Abgaben unrühmlicher Vizeweltmeister hinter Belgien“. Angesichts der anhaltend hohen Steuereinnahmen forderte er allerdings mehr Ehrgeiz, da gerade kleine und mittlere Einkommen in Deutschland noch immer zu viel Steuern bezahlen müssten. „Wir brauchen weitreichende Reformen bei der Abflachung des Mittelstandsbauches und beim Soli. Er gehört endlich abgeschafft. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. “
Mit der Steuerentlastung beschäftigt sich auch der Kommentar. Wie der Kompromiss beim Baukindergeld aussieht, lesen Sie in der
Um das im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD beschlossene Baukindergeld gab es zuletzt große Verwirrung. Jetzt hat sich der Koalitionsausschuss verständigt. Wie sieht die Lösung aus? Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte befürchtet, dass die für das Baukindergeld vorgesehenen Mittel von rund zwei Milliarden Euro bis 2021 nicht ausreichen. Deshalb hatte er sich zwischenzeitlich mit dem fürs Bauen zuständigen Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf eine Begrenzung der förderfähigen Wohnfläche auf 120 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie verständigt. Politiker aus CDU und CSU hatten das allerdings massiv kritisiert. Sie befürchteten die Benachteiligung von Familien im ländlichen Raum, wo die Wohneinheiten in der Regel größer sind als in der Stadt. Der Koalitionsausschuss verständigte sich am Dienstagabend darauf, dass es die „Flächenobergrenze“doch nicht geben wird. “
Und wie bekommt die Regierung dann ihr Finanzierungsproblem in den Griff?
Statt der Flächengrenze gilt jetzt eine zeitliche Begrenzung für das Baukindergeld. Es kann nur innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren beantragt werden: Rückwirkend ab Anfang 2018 bis Ende 2020. Ob die Maßnahme danach weiterläuft, bleibt unklar. Es ist nicht auszuschließen, dass es das Baukindergeld nach 2020 gar nicht mehr gibt. Wie kam es zu der Einigung in der Großen Koalition? Das Baukindergeld hatte die Union gegen den erklärten Willen der SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Zur Bekämpfung der Wohnungsnot setzt die SPD vor allem auf mehr sozialen Wohnungsbau. Im Gegenzug hatten die Sozialdemokraten eine halbe Milliarde Euro dafür mehr herausgeholt – sodass nun für die Le- gislaturperiode insgesamt 2,5 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Wie sieht die Förderung in Zahlen aus? Familien, die das Baukindergeld bewilligt bekommen, erhalten zehn Jahre lang 100 Euro pro Kind und Monat als Zuschuss für den Kauf oder den Bau einer Wohnung oder eines Hauses. Die Kinder müssen unter 18 Jahre alt sein und zu Hause wohnen. Mit einer Meldebestätigung muss man nachweisen, dass man die Immobilie selbst bewohnt. Eine Familie mit drei Kindern erhält also insgesamt 36 000 Euro – was in manchen Gegenden durchaus etwa zehn Prozent des Preises für ein Einfamilienhaus entspricht.
Welche Einkommensgrenzen gelten?
Baukindergeld erhalten Familien mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von bis zu 75000 Euro zuzüglich eines Freibetrags von 15000 Euro pro Kind. Das heißt: Bei einer Familie mit drei Kindern darf das Haushaltseinkommen bis zu 120 000 Euro betragen. Ab wann können sich Familien für das Baukindergeld bewerben und wo?
Nach der Einigung dürfte das fertige Gesetz bis zum Herbst vorliegen. Die Anträge laufen über die staatliche Förderbank KfW.
Was spricht für die Fördermaßnahme?
Junge Familien mit mittlerem Einkommen in Zeiten steigender Immobilienpreise zu entlasten – das ist in Kurzform die Idee hinter dem Baukindergeld, einem Wunschprojekt von CDU und CSU. Geschätzt 200000 Familien, die ein Eigenheim kaufen oder bauen, sollen davon profitieren.
Und welche Kritik gibt es?
Die SPD kritisiert vor allem, dass Arbeitnehmer, die selbst zur Miete wohnen und sich selbst mit Förderung keine eigenen vier Wände leisten können, das Baukindergeld über ihre Steuern mitzahlen. Der Bundesrechnungshof warnt, dass die Maßnahme – wie die frühere Eigenheimzulage – zu „erheblichen Mitnahmeeffekten und Immobilienpreissteigerungen“führen könne. In der Diskussion ist oft zu hören, dass eine Senkung der Grunderwerbsteuer zu einer gerechteren Entlastung von Immobilienkäufern führen würde.