Eine etwas andere Superheldin
Die zweite Staffel der US-Serie „Jessica Jones“ist da
Mindelheim Die Protagonistin der Marvel Comics und US-Serie „Jessica Jones“ist zu Beginn der zweiten Staffel meist wütend. Und betrunken. Eine Kombination, die oft fatale Konsequenzen für ihre Umwelt hat. Dabei könnte sie sich nach den Ereignissen ihrer Vergangenheit zurücklehnen und als Heldin feiern lassen – das aber will sie nicht sein. Zu tief sitzen ihre Dämonen. Woher diese unbändige Wut stammt und was es mit ihren übermenschlichen Fähigkeiten auf sich hat, damit beschäftigt sich die jüngste Staffel der US-Serie.
Worum geht’s? Nachdem Jessica dem Schurken Kilgrave kurzerhand den Hals umgedreht hat, widmet sie sich wieder ihrem Brotberuf – sie ist Privatdetektivin. Durch ihre Arbeit gerät sie bald mit dem erfolgreichen Privatermittler Pryce Cheng aneinander. Der beauftragt schließlich die Anwältin Hogarth, Jessica das Handwerk zu legen. Denn Cheng hält sie für eine Bedrohung der Allgemeinheit. Währenddessen verrennt sich Jessicas beste Freundin und Adoptivschwester Trish Walker weiter in die Story um den Konzern IGH – die Firma, die verantwortlich für Jessicas Superkräfte ist. Und wohl auch für die einiger anderer, wie sich im Verlauf der Staffel herausstellen wird. Trish entpuppt sich als Karrierefrau, der an Familie wenig liegt. Schnell ist klar: Das kann nicht für alle gut enden.
Jessica Jones ist eine Superheldin wider Willen. Krysten Ritter spielt sie grandios. Die beiden Nebendarstellerinnen Rachael Taylor (Trish Walker) und Carrie-Anne Moss (Ho- garth) müssen sich mit ihrem Schauspiel dabei nicht verstecken. Sie bilden mit Ritter ein starkes Frauentrio als Fundament der Serie. Jones’ direkte Art, ihre eigenwillige Attitüde verkörpert Ritter mit jeder Faser ihres Schauspiels. Doch die große Kunst ist, dass der Zuschauer jederzeit ahnt, welche Abgründe sich unter dem harten Mantel verbergen müssen, den Ritter ihrer Figur übergestülpt hat. Und wenn die Geschichte in der zweiten Hälfte an Fahrt aufnimmt, ist die Wandlung der Jessica Jones nicht nur glaubwürdig – sie geht unter die Haut.
Das Comic-Genre emanzipiert sich mit dieser Staffel endgültig von seinen Wurzeln im Actionbereich und zeigt, dass große, auch feministische Charakterstudien gerade in der zerrissenen Welt zweifelnder Übermenschen ihren Platz haben müssen. Dazu braucht es keinen Erzschurken, der droht, die Welt in den Abgrund zu stürzen. Schatten aus der Vergangenheit und der Ballast des alltäglichen Lebens können auch den stärksten Menschen schaffen.