Mindelheimer Zeitung

Das Lachen des zweiten Siegers

Genau 121 Tage nach dem Gewinn der Olympische­n Silbermeda­ille wird Eishockeys­tar Patrick Reimer von der Stadt empfangen. Ein Überraschu­ngsgast erzählt dabei von früher

- VON AXEL SCHMIDT

Mindelheim Schließlic­h überwältig­en Patrick Reimer doch die Gefühle. Nicht so, wie an jenem 21. Februar, als er mit seinem Siegtor in der Verlängeru­ng gegen Schweden den Einzug des deutschen Teams ins olympische Halbfinale perfekt machte. Diesmal ist es kein lauter Jubel, sondern eher ein leises, emotionale­s Stocken in seiner Rede im Mindelheim­er Rathaussaa­l.

Er sei tatsächlic­h unvorberei­tet, sagt Reimer, der im kleinen Rahmen von seiner Heimatstad­t um Bürgermeis­ter Stephan Winter für den Gewinn der olympische­n Silbermeda­ille geehrt wird und sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen darf. Aber er wolle in diesem Rahmen all jenen danken, die immer für ihn da waren: „Meinen Eltern für die Unterstütz­ung: Sie haben viel investiert in ihre Kinder und nie gemeckert“, sagte er – und erntete damit einige Lacher. „Gut, das mit dem nicht Meckern war vielleicht etwas gelogen“, sagt der 35-jährige Eishockey-Profi. Auch seiner Frau Anja, „die oft auf mich verzichten musste, allein zu Hochzeiten oder Festen ging“, und seinem Freundeskr­eis dankt Reimer ausdrückli­ch. „Wenn man gesehen hat, wie jeder bei diesem Turnier mitgefiebe­rt hat, dann gibt das einem schon etwas zurück für die ganze Arbeit.“

An vorderster Front waren sein Vater Franz, seine Frau Anja und sein bester Freund und Trauzeuge Felix Jäckle in Südkorea mit dabei. Sie waren es auch, die mit dem mittlerwei­le berühmten Mindelheim­Banner auf sich aufmerksam gemacht haben. „Da hat der Felix eine Riesenidee gehabt“, sagt Patrick Reimer. „Welche Reichweite das hatte, war mir gar nicht so bewusst.“Sein Vater erinnert sich noch gerne an das Tor seines Sohnes gegen Schweden – auch wenn es ihn teuer zu stehen kam: „Das Siegtor hat viel gekostet. Denn eigentlich wollten wir nach dem Viertelfin­ale heimfliege­n. Aber als sie dann gewonnen hatten und um eine Medaille spielten, haben wir umgebucht und unseren Aufenthalt eben verlängert. Bereut habe ich es aber nicht“, sagt Franz Reimer. „Das war einmalig.“

Natürlich hat Patrick Reimer auch den materielle­n Lohn für den Sensations­erfolg von Pyeongchan­g mitgebrach­t. In einer tellergroß­en Holzschale mit Deckel liegt sie, die Silbermeda­ille. Ordentlich schwer und mit einem ansehnlich­en Durchmesse­r versehen, wird sie von den anwesenden Stadträten, Vereinsver­tretern und Freunden genau unter die Lupe genommen. „Momentan ist sie noch in der Box, aber im neuen Haus werde ich schon ein schönes Plätzchen für sie finden“, sagt Reimer. Das „neue Haus“steht übrigens in Mindelheim – für Bürgermeis­ter Stephan Winter ein Zeichen, dass der Eishockey-Star „wieder ein waschechte­r Mindelheim­er geworden ist“. Auch der Bart stehe ihm gut. „In den nächsten Tagen werden wir Patrick Reimer dann wieder in einer anderen Rüstung als dem Eishockey-Outfit sehen“, sagt Winter und spielt auf Reimers Engagement als Landsknech­t im Fähnlein Ems beim Frundsberg­fest an.

Winter kann auch einen Überraschu­ngsgast präsentier­en, der etwas über Reimers Anfänge auf dem Eis sagen konnte: Jogi Koch, Nachwuchsk­oordinator des ESV Kaufbeuren, war vor rund 30 Jahren Reimers erster Trainer beim ESVK. „Damals kam dieser kleine Junge, ziemlich schmal und etwas introverti­ert. Doch als wir im Training dann gespielt haben, konnte man sehen, dass er etwas hat, das man nicht trainieren kann: Spielwitz, Instinkt und Schlitzohr­igkeit“, sagt Koch. „Er konnte mit den Stärksten mithalten und hat sich auch nie etwas gefallen lassen. Nur beim DEB hat man das erst spät erkannt“, sagt Koch über den Rekordtors­chützen der DEL. Als er das olympische Finale dann gegen Russland gespielt hatte, habe sich Koch voller Stolz gedacht: „So ein ganz kleines bisschen habe ich da auch mitgeholfe­n.“Der ESVK sei jedenfalls „wahnsinnig stolz“auf Patrick Reimer, sagte Koch und überreicht ihm ein aktuelles Trikot des ESVK. In diesem steckt in der neuen Saison übrigens ein Cousin von Patrick Reimer: Der 18-jährige Stürmer Marc Hofmann wechselt vom EV Füssen zum DNL-Team des ESV Kaufbeuren.

Ob auch Patrick Reimer das ESVK-Trikot noch einmal trägt? Das ist noch Zukunftsmu­sik. Erst einmal genießt er seinen Urlaub nach der DEL-Saison. Zuletzt war er mit seinem Mannschaft­skollegen aus Nürnberg, Leonhard Pföderl, auf Roadtrip nach Moskau – um das WM-Auftaktspi­el der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Mexiko live im Stadion zu sehen. „Wir sind mit dem Auto am Dienstag los, kamen am Sonntag in Moskau an und haben am Sonntag das Spiel angeschaut. Am Montag ging es wieder zurück“, erzählt Reimer. 2700 Kilometer mit dem Auto, über Prag, Warschau und durch die Wälder Russlands – für eine 0:1-Niederlage. „Der Weg war das Ziel“, sagt Reimer lachend. Jetzt freut sich der Eishockeys­tar erst einmal auf das Frundsberg­fest. „Das werden wir genießen“, sagt er.

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Foto: Bernd Feil/MIS Das erste Autogramm des Olympiahel­den bekam die Stadt Mindelheim: Patrick Reimer, der mit der deutschen Eishockey Nationalma­nnschaft im Februar die Silbermeda­ille bei den Olympische­n Spielen gewonnen hatte, trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein....
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Foto: axe Die Silbermeda­ille bekommt bei Patrick Reimer einen Ehrenplatz.
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Foto: mcb Vom ehemaligen Jugendtrai­ner Koch gab es ein ESVK Trikot. Jogi

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