„Die sind ja fast eingeschlafen“
Für die Bambini des TSV Mindelheim ist es die erste WM, die sie bewusst miterleben. Dann verabschieden sich Neuer, Kroos und Co. nach der Vorrunde. Eine ehrliche Analyse
Mindelheim Sie geben es unumwunden zu: „Ich hab’ schon geweint“, sagt Lionel. Und sein Kindergartenund Mannschaftskollege Yusuf setzt sogar noch einen drauf: „Ich bin echt ausgerastet!“Zustimmendes Nicken kommt von den anderen in der kleinen Diskussionsrunde im Christoph-Scheiner-Kindergarten in Mindelheim. Kein Wunder, schließlich haben sich die Fünf- und Sechsjährigen ihre erste FußballWeltmeisterschaft ganz anders vorgestellt, als dass die deutsche Mannschaft als Weltmeister in der Vorrunde rausfliegt.
Schließlich sind es allesamt nicht nur Fußballfans, sondern spielen auch in einer Mannschaft: bei den Bambini des TSV Mindelheim. Entsprechend kennen sie sich auch aus. „Die sind ja fast eingeschlafen beim Spiel“, sagt Maximilian. „Als ob die gar nicht trainiert gewesen wären.“Und Anna fügt hinzu: „Dass Neuer den Ball am Schluss verloren hat, war sch...“, sagt Luca. „Aber da war es schon egal. Die hätten ja noch Tore schießen müssen“, springt Peter seinem großen Vorbild Manuel Neuer zur Seite. Das niedrige Spieltempo jedenfalls ist das eine, was die jungen Mindelheimer Kicker am deutschen Spiel gegen Südkorea nicht nachvollziehen können. Doch es gibt in ihren Augen auch andere Gründe: „Der Boateng hat schon gefehlt“, analysiert etwa Peter, der bei den Bambini im Tor steht. „Ja, das war der, der mit der Brille auf der Tribüne gesessen ist“, fügt Luca hinzu. Sie kennen die Spieler der deutschen Elf – und sie hätten als Bundestrainer durchaus etwas anders gemacht. „Der hätte den Brandt bringen sollen“, sagt Luca in Richtung Bundestrainer.
Ach ja, überhaupt der Bundestrainer: Was soll er nun nach der historischen Pleite machen? Da sind sich die sieben Kinder uneins. Wäh- rend Peter, Yusuf, Luca und Daniel dafür plädieren, dass Jogi Löw seinen Stuhl räumen sollte, stehen Lionel, Maximilian und Anna weiter hinter dem Weltmeistertrainer. Allerdings sei auch klar, dass er dafür sorgen müsse, „dass die wieder besser zusammenspielen müssen“, sagt Anna. Sie hat die Partie gegen Südkorea bei ihrer Oma und ihrem Opa angeschaut. Die anderen saßen meist mit ihren Vätern vor dem Fernseher, einzig Lionel war beim Public Viewing im Biergarten. „Da war die Stimmung danach schon traurig“, sagt er.
Wie auch am morgen nach dem Spiel im Kindergarten. Man habe schon gemerkt, dass da am Vortag etwas schief gelaufen ist, bestätigt eine Erzieherin. „Wir haben heute nicht so viel geredet“, sagt Maximilian. Er ist am Mittwoch nach dem Spiel die Enttäuschung auf seine eigene Art umgegangen: Fußballschuhe an, Ball unter den Arm und zusammen mit dem Freund auf den Bolzplatz. „Wir haben gleich Fußball gespielt.“Der WM, die sie von Beginn an dank der kinderfreundlizwei chen Übertragungszeiten bislang regelmäßig verfolgt haben, werden sie auch weiter treu bleiben. Und wenn sie nicht der deutschen Mannschaft die Daumen drücken, dann jetzt eben einem anderen Team: So traut Lionel Russland den Titel zu – obwohl sein Lieblingsspieler doch Cristiano Ronaldo ist. Ronaldos großer Konkurrent Lionel Messi ist derweil der Lieblingsspieler von Daniel – also Argentinien. Für Maximilian, Luca und Peter sind die Spanier nun Favorit auf den Titel, Yusuf hält es mit Frankreich und Anna setzt auf Portugal.
„Mein Bruder hat bisher alle WM-Spiele gesehen – und ich gucke auch ganz viel“, unterstreicht Anna ihren Tipp. Am kommenden Dienstag wird sie das Achtelfinale aber ausfallen lassen. Nicht etwa, weil statt der DFB-Elf nun Schweden ums Weiterkommen spielt, sondern weil dann am Nachmittag wieder Fußballtraining ansteht. Schließlich steht bald wieder ein Nachwuchsturnier an. Und da wollen die kleinen Kicker die Vorrundengruppe auf jeden Fall überstehen.
„Die Stimmung im Biergarten war traurig.“