Damit Brummis wieder mehr begeistern
Wie kann man die Jugend für die Logistikbranche gewinnen? Und wie kommt man überhaupt an junge Leute heran? Die Antworten, die in Kammlach gegeben werden, lassen sich auch auf andere Branchen übertragen
Mindelheim Ungefähr 1300. So viele Lehrlinge fehlen der schwäbischen Logistik jedes Jahr. Denn statt der nötigen 2000 lassen sich nur einige hundert junge Leute für Ausbildungen wie die zum LKW-Fahrer gewinnen. Zugleich muss damit gerechnet werden, dass die im Schnitt zwischen 45 und 48 Jahre alten, derzeit aktiven LKW-Fahrer demnächst in großer Zahl in Rente gehen werden. 600 000 Fahrer sind es deutschlandweit; jeder Zweite von ihnen wird in knapp zehn Jahren nicht länger verfügbar sein. „Die Zahlen sind alarmierend“, fasst Josef Brandner, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Logistik in der Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben, die Lage im so wichtigen Wirtschaftszweig zusammen.
Um Gegenstrategien zu entwickeln, hat die IHK schwäbische Unternehmer aus der Logistik zur Tagung ins Dänische Bettenlager/Bettenwelt an der A96 bei Kammlach geladen. Brandner schilderte dort zunächst die Problemlage. Schon länger leide die Branche unter ihrem schlechten Image. Die dadurch entstehenden Lücken könnten immer weniger durch Fahrer aus dem europäischen Ausland aufgefangen werden. Dort nämlich habe sich das Lohnniveau positiv entwickelt; deutsche Logistikunternehmen seien entsprechend nicht mehr so attraktiv wie früher. Außerdem schrecke der Mangel an erschwinglichem Wohn- raum ausländische Fachkräfte ab. Zudem fehle die Bundeswehr als „größte Fahrschule Deutschlands“, in der in der Vergangenheit viele Wehrdienstleistende LKW-Führerscheine absolviert haben.
Die deutsche Logistik muss also verstärkt Jugendliche für sich gewinnen. Doch wie? Antworten sollte der Jugendforscher Simon Schnetzer liefern – und die lassen sich auch auf andere Branchen übertragen. Jugendliche hätten heute alle Freiheiten; es falle ihnen dadurch schwerer, Entscheidungen zu treffen, zumal andere ihnen über soziale Netzwerke suggerieren, ein viel tolleres Leben zu führen. Firmen sollten ihnen Sicherheit bieten, auch beim Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Schnetzers Plan dazu nennt sich „Abbas“und besteht aus fünf Punkten. Zunächst müssten die Unternehmer die Aufmerksamkeit der Jugendlichen gewinnen. Schnetzer lässt dazu die Anwesenden in schnellem Rhythmus in die Hände klatschen: Dies sei der Takt der jungen Generation. Jugendliche müssten möglichst kurzweilig angesprochen werden. Zweitens seien die Bedürfnisse anzusprechen. Was wollen Jugendliche? Etwa müsse eine Ausbildung heute möglichst viel Spaß machen und dabei zugleich den Leistungsdruck in einem erträglichen Rahmen belassen.
Wichtig seien auch die Beteiligung und die Anerkennung. Junge Menschen teilen Gutes im Leben, um wertgeschätzt zu werden. Heute funktioniere das vor allem über soziale Netzwerke, beispielsweise mit Selfies. Damit solche Bilder zustande kommen können, schlägt Schnetzer etwa einen Wellnessbereich in den großen Logistikzentren vor, den Lastwagenfahrer während der Be- und Entladung nutzen könnten. Für den Anfang könne es aber auch ein Kaffee sein oder ein Lächeln.
Diese vier Punkte, führt Schnetzer aus, mündeten in den entscheidenden fünften: die Story. Welches Logistik-Narrativ ist gesellschaftlich verbreitet? Womit werden LKW-Fahrer üblicherweise assoziiert? Die Antworten dürften „nicht dem Zufall überlassen“werden, sondern genau an diesem Punkt müsse die Branche ansetzen. Es gelte, „eine super Geschichte von der Branche von Morgen zu erzählen“.
Ein Unternehmer aus dem Publikum sieht das kritisch. Ihn überkomme beim Gedanken an solche Imagekampagnen „fast ein schlechtes Gewissen“. Denn die Tatsachen seien eben andere: „Einkommen, Arbeitseinsatz, Verantwortung – das klafft ja total auseinander.“Seiner Meinung nach würden vor allem „bessere Rahmenbedingungen“zu einem Anstieg der Lehrlingszahlen führen. Schnetzer stimmt zu: Das sei auch Teil seiner Empfehlung. Eine andere Teilnehmerin nahm für sich eine kleine Veränderung mit: Sie werde die Fahrer künftig mehr wertschätzen, ihnen Danke sagen und einen Kaffee anbieten.