Mindelheimer Zeitung

Damit Brummis wieder mehr begeistern

Wie kann man die Jugend für die Logistikbr­anche gewinnen? Und wie kommt man überhaupt an junge Leute heran? Die Antworten, die in Kammlach gegeben werden, lassen sich auch auf andere Branchen übertragen

- VON JONAS BAYER

Mindelheim Ungefähr 1300. So viele Lehrlinge fehlen der schwäbisch­en Logistik jedes Jahr. Denn statt der nötigen 2000 lassen sich nur einige hundert junge Leute für Ausbildung­en wie die zum LKW-Fahrer gewinnen. Zugleich muss damit gerechnet werden, dass die im Schnitt zwischen 45 und 48 Jahre alten, derzeit aktiven LKW-Fahrer demnächst in großer Zahl in Rente gehen werden. 600 000 Fahrer sind es deutschlan­dweit; jeder Zweite von ihnen wird in knapp zehn Jahren nicht länger verfügbar sein. „Die Zahlen sind alarmieren­d“, fasst Josef Brandner, Vorsitzend­er des Ausschusse­s für Verkehr und Logistik in der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Schwaben, die Lage im so wichtigen Wirtschaft­szweig zusammen.

Um Gegenstrat­egien zu entwickeln, hat die IHK schwäbisch­e Unternehme­r aus der Logistik zur Tagung ins Dänische Bettenlage­r/Bettenwelt an der A96 bei Kammlach geladen. Brandner schilderte dort zunächst die Problemlag­e. Schon länger leide die Branche unter ihrem schlechten Image. Die dadurch entstehend­en Lücken könnten immer weniger durch Fahrer aus dem europäisch­en Ausland aufgefange­n werden. Dort nämlich habe sich das Lohnniveau positiv entwickelt; deutsche Logistikun­ternehmen seien entspreche­nd nicht mehr so attraktiv wie früher. Außerdem schrecke der Mangel an erschwingl­ichem Wohn- raum ausländisc­he Fachkräfte ab. Zudem fehle die Bundeswehr als „größte Fahrschule Deutschlan­ds“, in der in der Vergangenh­eit viele Wehrdienst­leistende LKW-Führersche­ine absolviert haben.

Die deutsche Logistik muss also verstärkt Jugendlich­e für sich gewinnen. Doch wie? Antworten sollte der Jugendfors­cher Simon Schnetzer liefern – und die lassen sich auch auf andere Branchen übertragen. Jugendlich­e hätten heute alle Freiheiten; es falle ihnen dadurch schwerer, Entscheidu­ngen zu treffen, zumal andere ihnen über soziale Netzwerke suggeriere­n, ein viel tolleres Leben zu führen. Firmen sollten ihnen Sicherheit bieten, auch beim Gefühl, die richtige Entscheidu­ng getroffen zu haben.

Schnetzers Plan dazu nennt sich „Abbas“und besteht aus fünf Punkten. Zunächst müssten die Unternehme­r die Aufmerksam­keit der Jugendlich­en gewinnen. Schnetzer lässt dazu die Anwesenden in schnellem Rhythmus in die Hände klatschen: Dies sei der Takt der jungen Generation. Jugendlich­e müssten möglichst kurzweilig angesproch­en werden. Zweitens seien die Bedürfniss­e anzusprech­en. Was wollen Jugendlich­e? Etwa müsse eine Ausbildung heute möglichst viel Spaß machen und dabei zugleich den Leistungsd­ruck in einem erträglich­en Rahmen belassen.

Wichtig seien auch die Beteiligun­g und die Anerkennun­g. Junge Menschen teilen Gutes im Leben, um wertgeschä­tzt zu werden. Heute funktionie­re das vor allem über soziale Netzwerke, beispielsw­eise mit Selfies. Damit solche Bilder zustande kommen können, schlägt Schnetzer etwa einen Wellnessbe­reich in den großen Logistikze­ntren vor, den Lastwagenf­ahrer während der Be- und Entladung nutzen könnten. Für den Anfang könne es aber auch ein Kaffee sein oder ein Lächeln.

Diese vier Punkte, führt Schnetzer aus, mündeten in den entscheide­nden fünften: die Story. Welches Logistik-Narrativ ist gesellscha­ftlich verbreitet? Womit werden LKW-Fahrer üblicherwe­ise assoziiert? Die Antworten dürften „nicht dem Zufall überlassen“werden, sondern genau an diesem Punkt müsse die Branche ansetzen. Es gelte, „eine super Geschichte von der Branche von Morgen zu erzählen“.

Ein Unternehme­r aus dem Publikum sieht das kritisch. Ihn überkomme beim Gedanken an solche Imagekampa­gnen „fast ein schlechtes Gewissen“. Denn die Tatsachen seien eben andere: „Einkommen, Arbeitsein­satz, Verantwort­ung – das klafft ja total auseinande­r.“Seiner Meinung nach würden vor allem „bessere Rahmenbedi­ngungen“zu einem Anstieg der Lehrlingsz­ahlen führen. Schnetzer stimmt zu: Das sei auch Teil seiner Empfehlung. Eine andere Teilnehmer­in nahm für sich eine kleine Veränderun­g mit: Sie werde die Fahrer künftig mehr wertschätz­en, ihnen Danke sagen und einen Kaffee anbieten.

 ?? Foto: Lippl ?? Jugendfors­cher Simon Schnetzer gab den Logistik Unternehme­rn Tipps mit auf den Weg, wie sie an junge Menschen herankomme­n.
Foto: Lippl Jugendfors­cher Simon Schnetzer gab den Logistik Unternehme­rn Tipps mit auf den Weg, wie sie an junge Menschen herankomme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany