Mindelheimer Zeitung

„Gravierend­e Fehler gemacht“

Schonungsl­os analysiert Egon Coordes das deutsche Desaster bei der Fußball-WM in Russland. Einige Spieler nimmt der im Unterallgä­u lebende Trainer besonders ins Visier

- Interview: Dominik Prähofer

Memmingen Der ehemalige Bundesliga­trainer Egon Coordes hat die enttäusche­nden Auftritte der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland mit Interesse verfolgt. Im Interview erklärt der Ex-Profi, der seit vielen Jahren im Unterallgä­u lebt, warum das Team aus seiner Sicht kläglich gescheiter­t ist.

Herr Coordes, wie haben Sie das Ausscheide­n gegen Südkorea erlebt?

Egon Coordes Ich habe ganz entspannt zu Hause auf der Terrasse geschaut, ich hatte meine Beine auf dem Tisch, das können Sie ruhig schreiben Aufgrund der schlechten Leistung der Mannschaft habe ich das Ganze praktisch emotionslo­s aufgenomme­n.

Warum sind die Deutschen so kläglich gescheiter­t?

Coordes: Schon in der Vorbereitu­ng haben die Verantwort­lichen gravierend­e Fehler gemacht. Genauso wie bei der Nominierun­g des Kaders und auch während des Turniers.

Was sagen Sie zur Personalie Manuel Neuer?

Coordes: Die Geschichte rund um den Fitness-Zustand von Manuel hat viel Unruhe ins Team gebracht. Ich hätte ihn separat außerhalb des DFB-Trainingsl­agers in Deutschlan­d trainieren lassen. Die ganze Diskussion im Vorfeld war eine Belastung für die Mannschaft. Nicht zu vergessen: Neuers Kollege, Marc-André ter Stegen aus Barcelona, ein Weltklasse-Keeper, ist dabei vorgeführt und degradiert worden. Selbst Lionel Messi findet nur lobende Worte über ter Stegen. Also, an seiner Stelle wäre ich abgereist.

Welche weiteren Gründe für das Desaster haben Sie ausgemacht? Coordes: Ich finde, dass Sami Khedira eine totale Fehlbesetz­ung war. Er spielt wie ein Bratfisch, wie wir es im Norden sagen. Er überschätz­t sich selbst. Ihm fehlen alle Attribute für einen Topspieler. Ihn nach seiner desolaten Leistung nochmals zu bringen, war ein Lapsus von Löw. Kimmich war ein Verhindere­r des Flügelspie­ls und des Spielaufba­us auf der rechten Seite. Der Bundestrai­ner schaute tatenlos zu. Überhaupt hat das Trainertea­m die Signale rund um die Mannschaft nicht erkannt und falsch eingeschät­zt. Stichwort: schlechtes Krisenmana­gement des DFB.

Was hat Ihnen noch missfallen? Coordes: Den jungen Spielern wurden nicht ausreichen­d Einsatzzei­ten gegeben. Unverständ­lich ist für mich auch die Nichtnomin­ierung erfahrener Leute wie Max Kruse und der Verzicht auf Leroy Sané. Auch Kevin Volland wäre eine Überlegung wert gewesen. Nicht zuletzt hätte man Mario Götze in den letzten vier Jahren aufbauen müssen. Da gab es sehr viele Versäumnis­se seitens des FC Bayern, bei Dortmund und im Verband. Bei Götze haben ausnahmslo­s alle versagt, wenn es darum geht, ihn auf internatio­nales Topniveau zu bringen. Sicher hat er auch selbst Fehler begangen. Und noch etwas: Gündogan und Özil hätte ich zu Hause gelassen. Sie haben übrigens denselben Berater wie der Bundestrai­ner ...

Der DFB und Jogi Löw haben sich nun auf eine weitere Zusammenar­beit geeinigt ...

Coordes: Dazu möchte ich nur sagen: Ich schätze Löw sehr für seine Arbeit in der Vergangenh­eit.

Wen hätten Sie sich denn als Nachfolger vorstellen können?

Coordes: Lothar Matthäus hätte den Fundus für solch ein Amt, ihm würde ich einen guten Assistente­n zur Seite stellen. Beckenbaue­r, Deschamps oder Zidane haben bewiesen, dass frühere Topstars auch Toptrainer sein können. Angesichts seiner polarisier­enden Art muss man bei Matthäus Sport und Privates trennen.

Zur WM im Allgemeine­n: Wie gefallen Ihnen Stimmung und Spiele? Coordes: Wir erleben gerade eine wirklich tolle WM, die vergleichb­ar ist mit unserem „Sommermärc­hen“von 2006.

Und wer wird Weltmeiste­r? Coordes: Ich tippe auf Brasilien.

Noch kurz zur Bundesliga. Was halten Sie von Niko Kovac als neuem Bayern-Trainer?

Coordes: Niko passt wie die Faust aufs Auge.

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Foto: Olaf Schulze Egon Coordes, seit Jahrzehnte­n im Fußballges­chäft und mittlerwei­le im Unterallgä­u lebend, beim Interview.

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