Mindelheimer Zeitung

Wie Theresa May den Brexit plant

Die Premiermin­isterin schwört ihre Minister auf eine gemeinsame Linie für den EU-Austritt ein. Doch unter den Hardlinern in ihrer Partei formiert sich schon Widerstand

- VON KATRIN PRIBYL

London Es war ein Tag des Wartens. Während die Minister auf dem Landsitz von Premiermin­isterin Theresa May abgeschirm­t und ohne Handy-Zugang – sie mussten ihr Smartphone am Eingang abgeben – über den Brexit-Kurs diskutiert­en, standen draußen die Journalist­en und beäugten jedes Gefährt, das sich näherte. Es war im Vorfeld durchgesic­kert, dass, sollte es zu Rücktritte­n kommen, jene ehemaligen Minister sofort ihre Dienstwage­n verlieren würden. Und dann mit dem Taxi zurückfahr­en müssten von der Klausursit­zung im rund eine Stunde von London entfernten Chequers.

Doch so weit kam es nicht und nicht wenige Beobachter zeigten sich darüber genauso überrascht wie über das Ergebnis am vergangene­n Freitag: Die Regierungs­chefin konnte ihr tief zerstritte­nes Kabi- während der Marathonsi­tzung auf eine gemeinsame Linie einschwöre­n und am späten Abend so etwas wie Eintracht demonstrie­ren. Der Ausgang gilt als großer Erfolg für May. Vorerst. Denn nun muss sie den Kompromiss auch den Hinterbänk­lern ihrer konservati­ven Partei verkaufen und bereits am Wochenende formierte sich Widerstand unter den Anti-EU-Hardlinern, die von „Verrat“sprachen.

So strebt das Königreich nach dem EU-Austritt am 29. März 2019 und einer Ende 2020 auslaufend­en Übergangsf­rist ein Freihandel­sabkommen für Güter und Agrarprodu­kte an, für die die EU-Regeln und Standards weiter gelten würden. Industrieu­nternehmen und Landwirte hätten weiterhin freien Zugang zum Kontinent, ihre Produkte würden barriere- und zollfrei den Kanal überqueren können. Eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland wäre auf diese Weise vermieden – es ist einer der Hauptknack­punkte in den Verhandlun­gen.

In Brüssel wurden die Vorschläge zurückhalt­end bewertet. Chefunterh­ändler Michel Barnier twitterte, man werde nun prüfen, ob sie für die EU „durchführb­ar und realistisc­h“seien. Seit Jahren betont Brüssel die Bedeutung der Prinzipien zum Binnenmark­t. Die vier Grundfreih­eiten für Güter, Kapital, Menschen und Dienstleis­tungen seien nicht einzeln verhandelb­ar. „Sie aufzubrech­en wäre der Anfang vom Ende der EU“, hieß es unter Brüsseler Experten. Lässt sich die EU dennoch auf Londons Wünsche ein?

Premiermin­isterin Theresa May forderte die EU-Unterhändl­er auf, ihre „unbeugsame Einstellun­g“zu verwerfen und anzufangen, die Vorschläge „ernst zu nehmen“. Gleichzeit­ig wandte sich die Premiermin­isnett terin an die Europa-Skeptiker: Die Pläne würden das Verspreche­n erfüllen, „die Kontrolle über Großbritan­niens Grenzen, Gesetze und Geld zurückzuge­winnen“.

Doch etliche Kritiker, auch in den Reihen der Tories, meinen, durch die Unterwerfu­ng unter EUStandard­s drohe das Königreich zu einem „Vasallenst­aat“degradiert zu werden. Außenminis­ter Boris Johnson, einer der lautstärks­ten BrexitAnhä­nger, lehnte Mays Vorschläge zunächst ab, machte dann aber einen Rückzieher und unterstütz­te die Regierungs­position.

Der Ball liegt nun in Brüssel. Dort dürfte man zumindest froh sein, dass mehr als zwei Jahre nach dem Referendum endlich ein Plan darüber vorliegt, wie sich das Königreich den EU-Austritt genau vorstellt. Die Zeit drängt. Bereits in drei Monaten soll ein Verhandlun­gsergebnis vorliegen.

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Foto: Joul Rouse, dpa Aus dem Innersten der britischen Politik: Theresa May spricht auf der Brexit Klausur ihres Kabinetts auf dem Landsitz der Premiermin­isterin.

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