Wie Theresa May den Brexit plant
Die Premierministerin schwört ihre Minister auf eine gemeinsame Linie für den EU-Austritt ein. Doch unter den Hardlinern in ihrer Partei formiert sich schon Widerstand
London Es war ein Tag des Wartens. Während die Minister auf dem Landsitz von Premierministerin Theresa May abgeschirmt und ohne Handy-Zugang – sie mussten ihr Smartphone am Eingang abgeben – über den Brexit-Kurs diskutierten, standen draußen die Journalisten und beäugten jedes Gefährt, das sich näherte. Es war im Vorfeld durchgesickert, dass, sollte es zu Rücktritten kommen, jene ehemaligen Minister sofort ihre Dienstwagen verlieren würden. Und dann mit dem Taxi zurückfahren müssten von der Klausursitzung im rund eine Stunde von London entfernten Chequers.
Doch so weit kam es nicht und nicht wenige Beobachter zeigten sich darüber genauso überrascht wie über das Ergebnis am vergangenen Freitag: Die Regierungschefin konnte ihr tief zerstrittenes Kabi- während der Marathonsitzung auf eine gemeinsame Linie einschwören und am späten Abend so etwas wie Eintracht demonstrieren. Der Ausgang gilt als großer Erfolg für May. Vorerst. Denn nun muss sie den Kompromiss auch den Hinterbänklern ihrer konservativen Partei verkaufen und bereits am Wochenende formierte sich Widerstand unter den Anti-EU-Hardlinern, die von „Verrat“sprachen.
So strebt das Königreich nach dem EU-Austritt am 29. März 2019 und einer Ende 2020 auslaufenden Übergangsfrist ein Freihandelsabkommen für Güter und Agrarprodukte an, für die die EU-Regeln und Standards weiter gelten würden. Industrieunternehmen und Landwirte hätten weiterhin freien Zugang zum Kontinent, ihre Produkte würden barriere- und zollfrei den Kanal überqueren können. Eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland wäre auf diese Weise vermieden – es ist einer der Hauptknackpunkte in den Verhandlungen.
In Brüssel wurden die Vorschläge zurückhaltend bewertet. Chefunterhändler Michel Barnier twitterte, man werde nun prüfen, ob sie für die EU „durchführbar und realistisch“seien. Seit Jahren betont Brüssel die Bedeutung der Prinzipien zum Binnenmarkt. Die vier Grundfreiheiten für Güter, Kapital, Menschen und Dienstleistungen seien nicht einzeln verhandelbar. „Sie aufzubrechen wäre der Anfang vom Ende der EU“, hieß es unter Brüsseler Experten. Lässt sich die EU dennoch auf Londons Wünsche ein?
Premierministerin Theresa May forderte die EU-Unterhändler auf, ihre „unbeugsame Einstellung“zu verwerfen und anzufangen, die Vorschläge „ernst zu nehmen“. Gleichzeitig wandte sich die Premierminisnett terin an die Europa-Skeptiker: Die Pläne würden das Versprechen erfüllen, „die Kontrolle über Großbritanniens Grenzen, Gesetze und Geld zurückzugewinnen“.
Doch etliche Kritiker, auch in den Reihen der Tories, meinen, durch die Unterwerfung unter EUStandards drohe das Königreich zu einem „Vasallenstaat“degradiert zu werden. Außenminister Boris Johnson, einer der lautstärksten BrexitAnhänger, lehnte Mays Vorschläge zunächst ab, machte dann aber einen Rückzieher und unterstützte die Regierungsposition.
Der Ball liegt nun in Brüssel. Dort dürfte man zumindest froh sein, dass mehr als zwei Jahre nach dem Referendum endlich ein Plan darüber vorliegt, wie sich das Königreich den EU-Austritt genau vorstellt. Die Zeit drängt. Bereits in drei Monaten soll ein Verhandlungsergebnis vorliegen.