Mindelheimer Zeitung

Bitte Balkon nicht betreten!

- VON DANIELA HUNGBAUR huda@augsburger allgemeine.de

Wir brauchen zwei Balkone! Nicht, weil mein Mann und ich uns nicht vertragen. Nicht, weil wir Luxusleute sind und so viel Platz beanspruch­en. Nicht, weil wir unzählige Pflanzen haben. Nein, einen Balkon dürfen wir einfach nicht betreten. Das war nicht immer so. Früher stellten wir gerne unsere Klappstühl­e auf, legten die Beine hoch, plauderten auf unserem kleinen Balkon. Doch die Zeiten sind vorbei. Wir sind nicht mehr erwünscht, wurden vertrieben von unserem eigenen kleinen Balkon. Schuld aber sind wir selbst. Genauer gesagt unsere Liebe. Amsel, Meise, Spatz liegen uns am Herzen. Sehr sogar. Also füttern wir. Auch jetzt im Sommer. Dem Rat von Vogelexper­ten folgend.

Mit einem Meisenknöd­el fing alles an. Mittlerwei­le kaufen wir sie kübelweise. Längst mit Insekten und Früchten. 100 Stück. Kein Problem. Aus einer Futterstat­ion wurden drei. Aus einem winzigen Balkon eine Begegnungs­stätte für begnadete Flugkünstl­er. Denn längst interessie­ren sich nicht mehr nur Meisen, Spatzen und ab und zu ein Rotkehlche­n für unseren Imbiss, auch ein Buntspecht kommt regelmäßig zu Besuch.

Bloß wir brauchen uns auf unserem Balkon nicht mehr blicken zu lassen. Bilden wir es uns ein oder treffen uns beleidigte Blicke, falls wir es wirklich mal wagen? Wohl gemerkt vor allem, um Knödel nachzufüll­en oder das Wasser auszutausc­hen. Aufgeregte­s Auseinande­rgeflatter lösen wir jedes Mal aus. Fluchtarti­g werden die nächsten Bäume angesteuer­t. Abgewartet. Kaum, dass wir weg sind, sind sie wieder da. Zum Glück!

Denn das Gefühl, nicht gern gesehen zu sein, gleichen die gefiederte­n Gesellen großartig aus. Längst beobachten wir sie von innen. Bewegen uns bedächtig. Leise. Dann darf die Balkontür auch offen bleiben. Stundenlan­g könnte man sitzen und schauen. Berührt von so viel Schönheit, beruhigt von so viel zartem Gezwitsche­r.

Genießen dürfen wir die bunte Gesellscha­ft aber nur im Sommer. Im Winter verirrt sich kaum einer zu uns. Warum auch immer. Obwohl bei Minustempe­raturen natürlich unser Vogelresta­urant auch geöffnet hat. Dann dürften wir wieder raus. Bei Kälte. Doch Sommer auf dem Balkon – das klappt bei uns eben nur mit zwei Balkonen.

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Foto: dpa Mit einem Meisenknöd­el fing alles an, schreibt unsere Autorin.

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