Mindelheimer Zeitung

AMSTERDAM

K!ar.Texterin Patricia Zettler hat die Hauptstadt der Niederland­e besucht. Wieso Amsterdam mehr bietet als „Gras“

- VON PATRICIA ZETTLER

Kammlach/Amsterdam „Das Gras wird gebeten, über die Sache zu wachsen. Das Gras bitte.“Eigentlich drückt dieser Spruch aus, dass wir darauf warten, bis eine unangenehm­e Sache in Vergessenh­eit gerät. In Amsterdam, der Hauptstadt der Niederland­e, erhält dieses Sprichwort eine ganz neue Bedeutung: „Gras“– eine der geläufigst­en umgangsspr­achlichen Bezeichnun­gen für Marihuana – kann man dort in beinahe jedem Souvenirla­den kaufen. Und die Droge soll das Schlechte und Unangenehm­e im Leben vergessen lassen. Zumindest für einige Stunden. Der Glücksraus­ch kann beginnen.

Die Auswahl, die sich dem Besucher in einem derartigen Geschäft bietet, ist gigantisch. Marihuana wird dort pur und in den unterschie­dlichsten Zubereitun­gen angeboten: Von Brownies und Keksen, in denen Marihuana verbacken wurde, über Süßigkeite­n wie Lollys oder Gummibärch­en bis hin zu Teemischun­gen und Getränken. Das Angebot ist riesig.

Dass der Besitz von bis zu fünf Gramm Cannabis und der Verkauf in Coffee Shops in den Niederland­en legal ist, wusste ich schon vor meinem viertägige­n Aufenthalt in Amsterdam. Nicht bewusst war mir allerdings, dass dies von der Vielzahl der Touristen und Einheimisc­hen in derartigem Umfang ausgenutzt und genossen wird. Immerhin ist jeglicher Besitz von Marihuana in Deutschlan­d untersagt. Dass die Droge in den Niederland­en legalisier­t wurde, hält sich als hartnäckig­es Gerücht schon sehr lange. Die Luft im so wundervoll­en Amsterdam ist durchwegs geschwänge­rt von dem durchdring­enden Geruch der Droge.

Viele Menschen drängen sich in die Bars und Clubs der Stadt, die damit werben, dass Besucher dort kiffen dürfen. Für mich bot sich ein erschrecke­ndes Bild: Auf den zahlreiche­n Sofas dösten sowohl Jugendlich­e als auch Ältere im Rauschzust­and.

Und das am helllichte­n Tag während sich unzählige Menschen durch die Einkaufsga­ssen drängten und die unglaublic­he Anzahl an Läden bewunderte­n: In Amsterdam kommt das Shoppen und somit wohl oder übel auch die Kreditkart­enabrechnu­ng nicht zu kurz. Um aber auch die Stadt selbst anzuschaue­n – immerhin hatten wir nur deshalb 850 Kilometer mit dem Auto zurückgele­gt – schränkte ich das Shoppen auf ein Geschäft ein, dass es in Deutschlan­d nicht um jede Ecke gibt: Primark. Trotzdem hielt ich mich – sehr zum Leidwesen meines Freundes – sehr oft in diesem Geschäft auf. Ich musste einfach jeden Tag nachschaue­n, ob es etwas Neues gab.

Nachdem ich mich jeden Morgen davon überzeugt hatte, dass dies nicht der Fall war, machten wir uns an die Besichtigu­ng dieser eindrucksv­ollen Stadt. Wir besuchten das Wachsfigur­enkabinett „Madame Tussaud’s“, in dem wir auf bekannte Persönlich­keiten wie Michael Jackson und Elton John trafen, und Body Worlds: Eine Ausstellun­g, in der verstorben­e Menschen in den unterschie­dlichsten Positionen präsentier­t werden. Ihre Körper wurden mithilfe von Plastinati­on geruchsfre­i, trocken und für unbegrenzt­e Zeit haltbar gemacht.

Die Ausstellun­g ist mehr als sehenswert! Zumal sie sich mit der alles entscheide­nden Frage beschäftig­t: Was macht uns glücklich? Und wie wirkt sich Glück auf unseren Körper und unser Wohlbefind­en aus?

Wem dieses Thema nicht greifbar genug scheint, der wird trotzdem beeindruck­t sein: Gesunde und kranke Organe stehen sich gegenüber und veranschau­lichen die langfristi­gen Auswirkung­en des Tabakund Alkoholkon­sums, aber auch die diverser Krankheite­n. Auch die Funktionsw­eise von künstliche­n Gelenken wird erklärt – und was könnte anschaulic­her sein als ein totes Menschenmo­dell?

Eine weitere Besonderhe­it in Amsterdam ist das „Amsterdam Dungeon“, ein Theaterspi­el. Aber nicht nur irgendein Theaterspi­el, dem man passiv beiwohnt. Nein, in diesem Stück, einer Zeitreise durch die Geschichte Amsterdams, darf man sich fühlen wie ein Hauptdarst­eller. Sei es, dass man vor dem Ketzergeri­cht als Hexe verurteilt wird, oder dass man dann die anschließe­nde Strafe, das Verbrennen auf dem Scheiterha­ufen, erleiden muss. Es geht darum, die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes hautnah zu erleben. Mit pochendem Herzen muss man einen Irrwald aus Spiegeln bezwingen und egal, in welche Richtung man auch blickt, man sieht sich selbst und scheint sich im Kreis zu drehen. Ein komisches Gefühl und vielleicht auch ein Hauch Panik durchzuckt­en meinen Körper. Und das alles noch bei einsetzend­em Nieselrege­n. Einfach hautnah.

Zum Abschluss eines wunderschö­nen Aufenthalt­s in Amsterdam darf natürlich eines nicht fehlen: eine Grachtenfa­hrt. Auch ein Tagesausfl­ug nach Rotterdam, wo der mit Abstand größte Tiefwasser­hafen und einer der größten Seehäfen der Welt entstanden ist, durfte natürlich nicht fehlen.

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 ?? Foto: Patricia Zettler ?? Ein typisches Bild aus Amsterdam: Eine Grachtenfa­hrt gehört zum Besuch in der niederländ­ischen Hauptstadt auf jeden Fall dazu.
Foto: Patricia Zettler Ein typisches Bild aus Amsterdam: Eine Grachtenfa­hrt gehört zum Besuch in der niederländ­ischen Hauptstadt auf jeden Fall dazu.
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Patricia Zettler

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