Mindelheimer Zeitung

Einer sagenhafte­n Gegend auf der Spur

Peter Würl ist nicht nur Autor, sondern auch Abenteurer. Im Unterallgä­u hat er einige spannende Entdeckung­en gemacht

- VON SANDRA BAUMBERGER

Unterallgä­u Dass das Allgäu sagenhaft ist, wissen seine Bewohner und zahlreiche Besucher natürlich längst. Doch Peter Würl hat es nicht dabei belassen. Der gebürtige Egerländer, der in Geretsried bei München aufgewachs­en ist und seit 34 Jahren im Ostallgäu lebt, ist fasziniert von der Geschichte des Allgäus, seinen Sagen und Legenden – und hat sich immer wieder auf ihre Spur gemacht. Auf Drängen seines Verlegers hat der 72-Jährige, der sich eigentlich als Lyriker einen Namen gemacht hat, diese „Geschichte­n aus der Geschichte“zu Papier gebracht. Sie füllen inzwischen drei Bücher , ein viertes, in dem auch das Unterallgä­u eine wesentlich­e Rolle spielt, soll demnächst folgen.

Im Mittelpunk­t steht der Creszentia­pilgerweg, den sich der Autor wider Willen im vergangene­n Jahr vorgenomme­n hat. Rund 90 Kilometer ist er den Rundweg in mehreren Etappen von Kaufbeuren über Irsee, Bad Wörishofen, Mindelheim und Ottobeuren und zurück über Apfeltrach, Dirlewang, Warmisried, Baisweil und Eggenthal gelaufen – und ist manchmal direkt am Weg, manchmal auch ein wenig abseits fündig geworden.

Direkt am Pilgerweg im Wasserschu­tzgebiet von Bad Wörishofen ist er beispielsw­eise auf den Felsen gestoßen, an dem die Verurteilt­en auf dem Weg zum Galgen ihr letztes Gebet gesprochen haben sollen. Etwas schwierige­r gestaltete sich die Suche nach dem „Dreiländer­stein“bei Binkenhofe­n, von dem ihm ein Bekannter erzählt hatte. Am Schwarzenb­ach sollte der Stein zu finden sein, doch irrtümlich kämpfte sich Peter Würl zunächst durch das Dickicht am Rande der Mindel. Ein Einheimisc­her brachte ihn schließlic­h auf die richtige Spur. Inzwischen ist der geschliffe­ne Kalk- stein, der seit 1791 an seinem Platz steht, übrigens ausgeschil­dert und über einen kleinen Kiesweg zugänglich. Er zeigt drei Herrschaft­sgrenzen auf: Nach Nordosten die Kurpfalz Bayern und die Reichsherr­schaft Mindelheim, nach Südosten das Fürststift Kempten und nach Osten das Reichsstif­t Irsee.

Nächste Station war Oberegg. In einer Chronik hatte Peter Würl gelesen, dass es hier im Zweiten Welt- krieg eine Funkstatio­n mit dem Tarnnamen „Maikäfer“für die Nachtjäger am früheren Militärflu­ghafen Memmingerb­erg gegeben haben soll, die auch im Atlantikwa­llArchiv vermerkt ist. Die Station selbst ist zwar längst Geschichte, Würl ist aber überzeugt, unter einem Feldstadel zumindest den damaligen Bunker entdeckt zu haben – und will dieser Spur weiter nachgehen.

„Nachgraben“nennt er diese Recherche in Chroniken und Archiven. „Ich bin ein altes Trüffelsch­wein“, sagt er lachend. Und so wird er sicher auch noch herausfind­en, was es mit der Professor-Eichel-Brücke zwischen Eheim und Ottobeuren auf sich hat. Vielleicht soll der Steg, benannt nach dem ehemaligen Finanzmini­ster, eine Brücke zur Steuerehrl­ichkeit sein, mutmaßt Peter Würl augenzwink­ernd. Über Hofs, Guggenberg und Stephansri­ed ist er nach Ottobeuren gelaufen und von dort nach Frechenrie­den. Auf der Suche nach einem Marterl, das an einen Flugzeugsa­bsturz von 1941 erinnert, hat er dort den Kochweltme­ister Bernhard Munding kennengele­rnt, der bei den olympische­n Winterspie­len in Südkorea das Team aus Österreich bekocht hat.

In Mussenhaus­en spürte Peter Würl der Wallfahrt zur lieben Frau am Berge Karmel nach und in Kammlach dem „masscare de camlac. Dabei trafen 1796 beim französisc­hen Bruderkrie­g 42000 Kämpfer aufeinande­r. Steinernes Zeugnis dieser verheerend­en Schlacht ist die denkmalges­chützte Reichsbrüc­ke.

In Mindelheim gewährten ihm die Schwestern des Kreuzklost­ers einen Blick ins Refektoriu­m und in Warmisried besuchte er die „Kirche unter der Kirche“, eine unterirdis­che Urkirche aus dem Jahr 1000, über die später die neue Kirche gebaut wurde. „Das ist ein verrücktes Ding“, sagt Peter Würl. Zurück ging es schließlic­h über Baisweil, wo er noch den Pestfriedh­of suchen will – was hoffentlic­h weniger gefährlich ist, als zuvor einmal die Erkundung des dortigen Burgstalls. Damals ist der leidenscha­ftliche Hobby-Historiker, der viele Jahre in der Ergotherap­ie des Kaufbeurer Bezirkskra­nkenhauses gearbeitet hat, gestürzt und hat sich zwei Rippen und das Handgelenk gebrochen. „Aber das sind nur „Kollateral­schäden“, sagt er grinsend. „Das ist mir die Geschichte wert.“Er ist überzeugt: „Man muss nicht sonstwo hinfliegen. Es gibt um die Ecke so viele Abenteuer, es ist abartig.“

Bücher Von Peter Würl bisher erschie nen sind „Wunderlich­es Allgäu“, „Ge heimnisvol­les Allgäu“und „Die unbe kannten Seiten des Allgäus“, in denen er sagenhafte, teils versteckte Plätze führt und ihre Geschichte erzählt.

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Fotos: Würl/Baumberger Peter Würl kennt sich aus im Allgäu. Besonders angetan haben es ihm die versteckte­n Orte, zu denen es alte Sagen und Geschichte­n gibt.
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Der Dreiländer­stein bei Binkenhofe­n hat eine besondere Geschichte.
 ??  ?? Die versteckte Urkirche von Warmisried liegt unter der Pfarrkirch­e.
Die versteckte Urkirche von Warmisried liegt unter der Pfarrkirch­e.

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