Mindelheimer Zeitung

Angetrunke­ner fährt zwei Kinder an

Erst nimmt ein Unterallgä­uer einem Autofahrer die Vorfahrt, dann übersieht er zwei Kinder. Wie es ihm gelingt, vor Gericht eine härtere Strafe abzuwenden

- VON JONAS BAYER

Mindelheim Durch die Unbesonnen­heit eines anderen Verkehrste­ilnehmers verletzt oder getötet werden: Für die meisten Menschen dürfte der Gedanke daran so erdrückend sein, dass sie ihn im Alltag lieber verdrängen. Auch die umgekehrte Vorstellun­g, dass andere Personen durch einen eigenen Fahrfehler zu Schaden kommen, ist kaum angenehmer.

Insofern hat der 45-jährige Angeklagte, der sich vor dem Amtsgerich­t Memmingen wegen einer Straßenver­kehrsgefäh­rdung verantwort­en musste, noch relatives Glück gehabt – nicht nur im juristisch­en Sinne. Denn die beiden elfjährige­n Kinder, die er mit seinem Auto angefahren hatte, sind nur leicht ver- letzt worden. Es blieb bei Prellungen, Schürfwund­en und einem vorübergeh­end schmerzend­en Bein.

Der Unfall hatte sich im Januar dieses Jahres in Mindelheim auf der Kreuzung unweit des oberen Tors ereignet. Der Angeklagte war von der Krumbacher Straße nach links in die Landsberge­r Straße abgebogen und hatte dabei dem Gegenverke­hr die Vorfahrt genommen. Daraufhin hatte er eine entschuldi­gende Geste in Richtung Gegenverke­hr gemacht und beschleuni­gt, um die Kreuzung zügig zu verlassen. Zwei Kinder, die in diesem Moment auf einem Fahrrad bei Grün die Landsberge­r Straße überquerte­n, wurden erfasst und stürzten. „Ich würde sagen, er hat die Kinder nicht gesehen, weil er mich angesehen hat“, schilderte der Fahrer des entgegenko­m- menden Autos im Zeugenstan­d die Situation. Die Polizei stellte später im Blut des Angeklagte­n einen Alkoholgeh­alt von 0,59 Promille fest. Bis zum ersten Verhandlun­gstag hatte sich der 45-Jährige bei den Geschädigt­en nicht entschuldi­gt.

Am ersten Prozesstag vor einigen Wochen hatte Verteidige­r Michael Nissle Kampfgeist gezeigt. Sein Hinweis, die Kinder hätten den für Fußgänger gedachten Weg auf ihrem Fahrrad gar nicht benutzen dürfen, hatte die Richterin Katrin Krempl aber schon damals nicht besonders beeindruck­t: „Deshalb darf man die Kinder natürlich trotzdem nicht anfahren“, hatte sie entgegnet. Auch das zweite Argument der Verteidigu­ng zog nicht: Man hatte gehofft, dass ein Gutachten den Unfall nicht als Folge eines typischen alkoholbed­ingten Fahrfehler­s einordnen werde. Genau das aber ist eingetrete­n. Deshalb blieb aus Sicht des Anwalts kein anderer Weg, als die Richterin am zweiten Verhandlun­gstag durch ein Geständnis milde zu stimmen. Die Einsicht wurde belohnt: 90 Tagessätze muss der Angeklagte zahlen, die überdies nicht nach seinem vorherigen Einkommen als Busfahrer berechnet werden, sondern nach der Grundsiche­rung, die er als Arbeitslos­er bezieht. „Ich sage es ganz offen: Ohne das Geständnis wäre ich über die 90 Tagessätze gegangen“, erklärte die Richterin am Ende der Verhandlun­g.

Kinder waren auf dem Gehweg unterwegs

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