Angetrunkener fährt zwei Kinder an
Erst nimmt ein Unterallgäuer einem Autofahrer die Vorfahrt, dann übersieht er zwei Kinder. Wie es ihm gelingt, vor Gericht eine härtere Strafe abzuwenden
Mindelheim Durch die Unbesonnenheit eines anderen Verkehrsteilnehmers verletzt oder getötet werden: Für die meisten Menschen dürfte der Gedanke daran so erdrückend sein, dass sie ihn im Alltag lieber verdrängen. Auch die umgekehrte Vorstellung, dass andere Personen durch einen eigenen Fahrfehler zu Schaden kommen, ist kaum angenehmer.
Insofern hat der 45-jährige Angeklagte, der sich vor dem Amtsgericht Memmingen wegen einer Straßenverkehrsgefährdung verantworten musste, noch relatives Glück gehabt – nicht nur im juristischen Sinne. Denn die beiden elfjährigen Kinder, die er mit seinem Auto angefahren hatte, sind nur leicht ver- letzt worden. Es blieb bei Prellungen, Schürfwunden und einem vorübergehend schmerzenden Bein.
Der Unfall hatte sich im Januar dieses Jahres in Mindelheim auf der Kreuzung unweit des oberen Tors ereignet. Der Angeklagte war von der Krumbacher Straße nach links in die Landsberger Straße abgebogen und hatte dabei dem Gegenverkehr die Vorfahrt genommen. Daraufhin hatte er eine entschuldigende Geste in Richtung Gegenverkehr gemacht und beschleunigt, um die Kreuzung zügig zu verlassen. Zwei Kinder, die in diesem Moment auf einem Fahrrad bei Grün die Landsberger Straße überquerten, wurden erfasst und stürzten. „Ich würde sagen, er hat die Kinder nicht gesehen, weil er mich angesehen hat“, schilderte der Fahrer des entgegenkom- menden Autos im Zeugenstand die Situation. Die Polizei stellte später im Blut des Angeklagten einen Alkoholgehalt von 0,59 Promille fest. Bis zum ersten Verhandlungstag hatte sich der 45-Jährige bei den Geschädigten nicht entschuldigt.
Am ersten Prozesstag vor einigen Wochen hatte Verteidiger Michael Nissle Kampfgeist gezeigt. Sein Hinweis, die Kinder hätten den für Fußgänger gedachten Weg auf ihrem Fahrrad gar nicht benutzen dürfen, hatte die Richterin Katrin Krempl aber schon damals nicht besonders beeindruckt: „Deshalb darf man die Kinder natürlich trotzdem nicht anfahren“, hatte sie entgegnet. Auch das zweite Argument der Verteidigung zog nicht: Man hatte gehofft, dass ein Gutachten den Unfall nicht als Folge eines typischen alkoholbedingten Fahrfehlers einordnen werde. Genau das aber ist eingetreten. Deshalb blieb aus Sicht des Anwalts kein anderer Weg, als die Richterin am zweiten Verhandlungstag durch ein Geständnis milde zu stimmen. Die Einsicht wurde belohnt: 90 Tagessätze muss der Angeklagte zahlen, die überdies nicht nach seinem vorherigen Einkommen als Busfahrer berechnet werden, sondern nach der Grundsicherung, die er als Arbeitsloser bezieht. „Ich sage es ganz offen: Ohne das Geständnis wäre ich über die 90 Tagessätze gegangen“, erklärte die Richterin am Ende der Verhandlung.
Kinder waren auf dem Gehweg unterwegs